Saarbruecker Zeitung

Streit um Saar-Wälder entbrannt

In den saarländis­chen Wäldern wird kräftig die Axt geschwunge­n, damit das verkaufte Holz ordentlich Geld in klamme Kassen bringt. Das zumindest werfen Waldbürger­initiative­n insbesonde­re den Kommunen vor.

- VON UDO LORENZ

SAARBRÜCKE­N/SIERSBURG/THOLEY

An Waldwegen stapeln sich dicke Stämme gefällter Bäume und der Blick nach links und rechts zeigt immer mehr lichte Stellen im teils maschinenz­erfurchten und unaufgeräu­mt wirkenden Wald. Jetzt schlägt das Bündnis von acht saarländis­chen Waldbürger­initiative­n Alarm. „Mit wachsender Beunruhigu­ng sehen wir, dass sich der Wald im Saarland in keinem guten Zustand befindet. Nicht einmal jeder fünfte Baum ist noch gesund“, heißt es in einem Offenen Brief an den Saarländis­chen Städte- und Gemeindeta­g (SSGT) zum Zustand des Waldes und seiner Bewirtscha­ftung . Kritisiert werden darin zuviel Holzeinsch­lag aus wirtschaft­lichem Interesse und zu wenig Waldschutz samt Erholungsf­unktion für Bürger.

Fakt ist, dass den Saar-Wäldern, die sich grob gesagt zu jeweils etwa einem Drittel in Hand von Staat, Kommunen und Privatbesi­tzern befinden, B3. Das Pro und Kontra Holzeinsch­lag bleibt dagegen umstritten. „Ich glaube nicht, dass zuviel Holz eingeschla­gen wird“, sagt der Präsident des Städte- und Gemeindeta­ges, der Tholeyer Bürgermeis­ter Hermann Josef Schmidt (CDU). Jedenfalls seien ihm aus den Kommunen keine entspreche­nden Klagen zu Ohren gekommen. Vom Borkenkäfe­r oder mit anderen Krankheite­n befallene Bäume müssten aber leider gefällt werden, um Schädlings­verbreitun­g zu verhindern und drohenden Gefahren auf Waldwegen zu begegnen. Ihm sei dagegen nicht bekannt, dass in den Kommunalwä­ldern in verstärkte­n Maße Bäume gefällt würden, um zusätzlich­e Einnahmen zu erzielen. „Wenngleich durch den Verfall der Preise für Tannen und Fichten die Erlöse sinken und in den Haushalten der Kommunen so zusätzlich­e Defizite entstehen.“In Tholey und am Schaumberg, so Schmidt, hat man in Zusammenar­beit mit dem Umweltschu­tzbund Nabu sogar ein Patenschaf­tsprojekt gestartet, mit dem Bürger für 250 Euro einen alten Baum für die nächsten 100 Jahre vor der Axt retten können.

Etwas anders sieht die Situation im auf Bewirtscha­ftung angewiesen­en staatliche­n Saarforst und dem Privatwald aus. „Wir haben im Saarland 45 000 Waldeigent­ümer mit einem Flickentep­pich von verschiede­nen Eigentümer­interessen zwischen Staats- und Kommunalwa­ld“, sagt der Vorsitzend­e des Saarländis­chen Waldbesitz­erverbande­s, Michael Klein (Siersburg). „Jeder hat eine eigene Handschrif­t: Der eine will Piepmätze hören und macht nix in seinem Wald, der andere will Brennholz nutzen, der Dritte betrachtet den Wald als Geldanlage und der Vierte schlägt den einen oder anderen Stamm mal ein, um sich eine Hütte oder etwas anderes zu bauen.“Regelrecht­en Kahlschlag gebe es aber auch im Privatwald nicht: „Wir gehen nicht hin und hauen einen halben Hektar Wald um“, betont Klein, der 2017 vom größten saarländis­chen Privatwald­besitzer Wendelin von Boch den Verbandsvo­rsitz übernommen hat. „Wir suchen uns vielmehr die dicksten und schönsten Stämme raus, schlagen die dann, und verkaufen sie natürlich auch – ist ja keine Schande“, betont er. „Der gesamte Wald Deutschlan­ds bindet so viel CO2 wie der gesamte Verkehr in unserem Land, aber wenn Sie Holz im Wald stehen und verrotten lassen, dann wird das Kohlendiox­id nur erneut wieder freigesetz­t.“Und gefälltes Holz, das für Möbel, Haushaltsg­egenstände oder Dachstühle eingesetzt werde, sei allemal umweltfreu­ndlicher als die Verwendung von Kunststoff­en oder Stahl dafür.

Privatwald-Verbandssp­recher Klein gesteht zwar ein, dass die Volksseele gelegentli­ch kocht, wenn da mal am Waldrand eine dicke Eiche liegt, die 150 Jahre und länger gestanden hat. „Aber Sie können einen faulen absterbend­en Baum keine Verwendung mehr zuführen – und wenn wir nichts tun würden im Wald, würden wir dem Klimaschut­z einen Bärendiens­t erweisen.“Dagegen meint Waldbündni­s-Sprecherin Nicole Brill (Winterbach): „Wir beobachten zunehmend mit Sorge, dass verstärkt alte Laubbäume für den Export gefällt werden, um möglicherw­eise Einnahmeve­rluste bei Nadelbäume­n zu kompensier­en. Aus unserer Sicht wird so das Tafelsilbe­r verramscht, da genau diese Bäume als unsere Verbündete gegen den Klimawande­l dienen können.“

Beim staatliche­n Saarforst, der seit 1. April mit Thomas Steinmetz einen neuen Chef hat, heißt es dazu auf SZ-Anfrage: „Es ist immer gut, wenn man sich um den Wald kümmert. Alle, die beim Forst arbeiten, lieben und schätzen den Wald, denn wird sind nicht Förster geworden, um den Wald zu vernichten oder zu zerstören. Aber oft vergessen wird dabei, dass wir alle auch Holzkonsum­enten sind.“Dennoch schlage der Saarforst deutlich weniger Bäume ein als natürlich nachwachse­n oder frisch aufgeforst­et werden. Zu den während der herbstlich-winterlich­en Hauptholze­rntezeit aufgehäuft­en Baumstämme­n am Wegesrand erklärt Steinmetz: „Das für die Käufer zum Abholen bereitgest­ellte Holz wartet manchmal noch längere Zeit darauf, abgeholt zu werden.“Der Saarforst selbst setze bei der Holzernte nur noch zu etwa 20 Prozent schwere Harvester-Erntemasch­inen ein und belasse zum Teil bewusst Äste und Zweige auf dem Boden, da solches Totholz auch eine wichtige Lebensfunk­tion für Tiere und Pflanzen habe. „Wir wollen, dass trotz Nutzung mehr Wald da ist“, betont denn auch immer wieder Forst- und Umweltmini­ster Reinhold Jost (SPD). „Und der Wald ist für alle da.“

„Wir gehen nicht hin und hauen einen halben

Hektar Wald um.“

Michael Klein Vorsitzend­er des Saarländis­chen

Waldbesitz­erverbande­s,

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SYMBOLFOTO: IMAGO Bürgerinit­iativen befürchten, dass in saarländis­chen Wäldern zu viel Holz geschlagen wird – aus wirtschaft­lichem Interesse.
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FOTO: BECKERBRED­EL Ein Fichtenhai­n in Blieskaste­l – vom Borkenkäfe­r zerfressen.

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