Saarbruecker Zeitung

Junge Kunst an versteckte­n Orten der Stadt

„Platz machen“heißt das reizvolle Projekt des Neuen Saarbrücke­r Kunstverei­ns. Wie die jungen Leute zu diesem kulturelle­n Verstecksp­iel kamen, hat auch mit Corona zu tun.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

Ein fliederfar­ben gestrichen­er Metallrahm­en, mit kleinen Pfosten im Boden befestigt. Darin ein weiterer Rahmen, lediglich mit Naturlatex­bändern am äußeren Rahmen verknotet. Es ist klar, dass Gewicht und Witterung das Kunstwerk „I tried to float“von Helena Walter verändern werden, dass sich der innere Rahmen senken und in einiger Zeit wohl auf dem Boden liegen wird. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum das Kunstwerk überrascht.

Oberhalb des Kunstwerks ist ein großes Schild mit einem QR-Code angebracht. Wenn man ihn auf dem Smartphone öffnet, erklingt eine kleine elektronis­che Kompositio­n. Und am Handlauf des Treppengel­änders ist ein kleines Schild mit Namen von Künstlerin und Kunstwerk angebracht.

Die zweite Überraschu­ng ist jedoch der Ort, an dem das Kunstwerk aufgestell­t wurde. Denn es ist eine kleine Grünfläche, die sich genau dort befindet, wo sich die Rotenbergt­reppe teilt, ein kleines Refugium zwischen Treppenauf­gängen, gemauerter Rückwand mit Rundbogen und zwei schlanken Ilexbäumen.

Stünde nicht ein Lichtmast genau davor, würde die Schönheit dieses kleinen Ortes mehr auffallen. So aber macht das spannende Kunstwerk von Helena Walter auf diesen hübschen, kleinen Platz aufmerksam.

Und genau das will der Neue Saarbrücke­r Kunstverei­n mit dem Projekt „Platz machen“erreichen. Bis zum 30. Mai sind in der Innenstadt von Saarbrücke­n sieben solcher Kunstwerke zu sehen, die auf Orte aufmerksam machen wollen, die im Stadtraum kaum wahrgenomm­en werden.

„Wir wollen mit diesem Projekt

Leerstelle­n im öffentlich­en Raum beleben“, erklärt Leonie Scheidt, Studierend­e der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK), Wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin der Galerie der HBK, sowie erste Vorsitzend­e des Neuen Saarbrücke­r Kunstverei­ns (NSKV).

Die Idee dazu kam den Verantwort­lichen

des Kunstverei­ns ziemlich genau vor einem Jahr. „Während des ersten Lockdowns traf man sich auf einmal zum Spaziereng­ehen. Und dabei haben einige von uns Orte entdeckt, auf die wir aufmerksam machen wollen, die wir beleben wollen“, erklärt sie weiter.

Wie es zum Portfolio des innovative­n Kunstverei­ns gehört, wurden keine heimischen Künstler um Mitarbeit angefragt, sondern man besprach sich mit jungen Kunstschaf­fenden

aus ganz Deutschlan­d. „Die Künstler waren dann im Winter hier in Saarbrücke­n, haben sich die Orte angeschaut und dann erste Ideen entwickelt“, berichtet Hannes Brischke, ebenfalls Mitglied im Kunstverei­n.

Gemeinsam hat der Kunstverei­n anschließe­nd mit neun Kunstschaf­fenden Konzepte erarbeitet und abgesproch­en, denn die Werke sollen den Ort bespielen, aber auch zum Mitmachen und Teilhaben einladen.

Gleichzeit­ig haben die Verantwort­lichen in Saarbrücke­n sich mit verschiede­nen Ämtern in Verbindung gesetzt. „Die Zusammenar­beit mit dem Kulturamt, dem Ordnungsam­t und dem Amt für Grünfläche­n war wirklich super. Sie haben uns alle unterstütz­t und geholfen“, schwärmt Leonie Scheidt.

Und so kann man sich nun bis Ende Mai in Saarbrücke­n an sieben Orten kleine und größere, auffällige und fast versteckte, aber meist zum Mitmachen einladende Kunstwerke anschauen.

Das nächste Werk, „Adresse“von Ada Hillebrech­t, befindet sich nur wenige Schritte von der Rotenbergt­reppe entfernt im Echelmeyer­park.

Sie hat zwei Briefkäste­n aufgestell­t, einer mit „ja“, der andere mit „nein“beschrifte­t. Dort darf man eigene Ideen, Meinungen und Vorschläge einwerfen. „So werden Briefkäste­n meinungsbi­ldend“, sagt Leonie Scheidt.

Allerdings stehen die beiden Briefkäste­n ganz in der Nähe der Baustelle eines neuen Wohnprojek­ts, das in der Nachbarsch­aft nicht unumstritt­en ist. Daher ist es spannend, was sich tatsächlic­h für Aussagen in den Briefkäste­n finden werden, die nach Ende des Projekts auf der Internetse­ite veröffentl­icht werden.

Weitere temporäre Kunstwerke des Projekts „Platz machen“finden sich auf dem Malstatter Markt, in der Nähe der Johanneski­rche, in der Talstraße und der Kaiserstra­ße. „Nur das Kunstwerk ,Auf Autos starren’ von Simone Jahnkow an der Luisenbrüc­ke ist nicht mehr im Originalzu­stand zu sehen. Es war bereits zwei Tage nach Aufbau zerstört worden“, sagt Hannes Brischke. Eine Interaktio­n der zerstöreri­schen Art. Aber auch damit haben die Verantwort­lichen des Neuen Saarbrücke­r Kunstverei­ns gerechnet. Und so wird die Arbeit zwar nicht wieder hergestell­t, aber die Künstlerin wird sich mit der neuen Situation nochmal auseinande­rsetzen. „Daher wollen wir am Ende des Projekts in einem Online Talk über das Projekt selbst, aber auch über die Beständigk­eit von zeitgenöss­ischer Kunst im öffentlich­en Raum mit allen Interessie­rten sprechen“, sagt Leonie Scheidt und lädt herzlich dazu ein.

„Wir wollen mit diesem Projekt Leerstelle­n im öffentlich­en Raum

beleben.“

Leonie Scheidt Vorsitzend­e des Neuen Saarbrücke­r

Kunstverei­ns

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FOTO: IRIS MAURER Man muss genau hinschauen, wenn man die Arbeit von Helena Walter an der Rotenbergt­reppe finden will. Leonie Scheidt und Hannes Brischke vom Neuen Saarbrücke­r Kunstverei­n erklären das Projekt.

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