Junge Kunst an versteckten Orten der Stadt
„Platz machen“heißt das reizvolle Projekt des Neuen Saarbrücker Kunstvereins. Wie die jungen Leute zu diesem kulturellen Versteckspiel kamen, hat auch mit Corona zu tun.
Ein fliederfarben gestrichener Metallrahmen, mit kleinen Pfosten im Boden befestigt. Darin ein weiterer Rahmen, lediglich mit Naturlatexbändern am äußeren Rahmen verknotet. Es ist klar, dass Gewicht und Witterung das Kunstwerk „I tried to float“von Helena Walter verändern werden, dass sich der innere Rahmen senken und in einiger Zeit wohl auf dem Boden liegen wird. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum das Kunstwerk überrascht.
Oberhalb des Kunstwerks ist ein großes Schild mit einem QR-Code angebracht. Wenn man ihn auf dem Smartphone öffnet, erklingt eine kleine elektronische Komposition. Und am Handlauf des Treppengeländers ist ein kleines Schild mit Namen von Künstlerin und Kunstwerk angebracht.
Die zweite Überraschung ist jedoch der Ort, an dem das Kunstwerk aufgestellt wurde. Denn es ist eine kleine Grünfläche, die sich genau dort befindet, wo sich die Rotenbergtreppe teilt, ein kleines Refugium zwischen Treppenaufgängen, gemauerter Rückwand mit Rundbogen und zwei schlanken Ilexbäumen.
Stünde nicht ein Lichtmast genau davor, würde die Schönheit dieses kleinen Ortes mehr auffallen. So aber macht das spannende Kunstwerk von Helena Walter auf diesen hübschen, kleinen Platz aufmerksam.
Und genau das will der Neue Saarbrücker Kunstverein mit dem Projekt „Platz machen“erreichen. Bis zum 30. Mai sind in der Innenstadt von Saarbrücken sieben solcher Kunstwerke zu sehen, die auf Orte aufmerksam machen wollen, die im Stadtraum kaum wahrgenommen werden.
„Wir wollen mit diesem Projekt
Leerstellen im öffentlichen Raum beleben“, erklärt Leonie Scheidt, Studierende der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK), Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Galerie der HBK, sowie erste Vorsitzende des Neuen Saarbrücker Kunstvereins (NSKV).
Die Idee dazu kam den Verantwortlichen
des Kunstvereins ziemlich genau vor einem Jahr. „Während des ersten Lockdowns traf man sich auf einmal zum Spazierengehen. Und dabei haben einige von uns Orte entdeckt, auf die wir aufmerksam machen wollen, die wir beleben wollen“, erklärt sie weiter.
Wie es zum Portfolio des innovativen Kunstvereins gehört, wurden keine heimischen Künstler um Mitarbeit angefragt, sondern man besprach sich mit jungen Kunstschaffenden
aus ganz Deutschland. „Die Künstler waren dann im Winter hier in Saarbrücken, haben sich die Orte angeschaut und dann erste Ideen entwickelt“, berichtet Hannes Brischke, ebenfalls Mitglied im Kunstverein.
Gemeinsam hat der Kunstverein anschließend mit neun Kunstschaffenden Konzepte erarbeitet und abgesprochen, denn die Werke sollen den Ort bespielen, aber auch zum Mitmachen und Teilhaben einladen.
Gleichzeitig haben die Verantwortlichen in Saarbrücken sich mit verschiedenen Ämtern in Verbindung gesetzt. „Die Zusammenarbeit mit dem Kulturamt, dem Ordnungsamt und dem Amt für Grünflächen war wirklich super. Sie haben uns alle unterstützt und geholfen“, schwärmt Leonie Scheidt.
Und so kann man sich nun bis Ende Mai in Saarbrücken an sieben Orten kleine und größere, auffällige und fast versteckte, aber meist zum Mitmachen einladende Kunstwerke anschauen.
Das nächste Werk, „Adresse“von Ada Hillebrecht, befindet sich nur wenige Schritte von der Rotenbergtreppe entfernt im Echelmeyerpark.
Sie hat zwei Briefkästen aufgestellt, einer mit „ja“, der andere mit „nein“beschriftet. Dort darf man eigene Ideen, Meinungen und Vorschläge einwerfen. „So werden Briefkästen meinungsbildend“, sagt Leonie Scheidt.
Allerdings stehen die beiden Briefkästen ganz in der Nähe der Baustelle eines neuen Wohnprojekts, das in der Nachbarschaft nicht unumstritten ist. Daher ist es spannend, was sich tatsächlich für Aussagen in den Briefkästen finden werden, die nach Ende des Projekts auf der Internetseite veröffentlicht werden.
Weitere temporäre Kunstwerke des Projekts „Platz machen“finden sich auf dem Malstatter Markt, in der Nähe der Johanneskirche, in der Talstraße und der Kaiserstraße. „Nur das Kunstwerk ,Auf Autos starren’ von Simone Jahnkow an der Luisenbrücke ist nicht mehr im Originalzustand zu sehen. Es war bereits zwei Tage nach Aufbau zerstört worden“, sagt Hannes Brischke. Eine Interaktion der zerstörerischen Art. Aber auch damit haben die Verantwortlichen des Neuen Saarbrücker Kunstvereins gerechnet. Und so wird die Arbeit zwar nicht wieder hergestellt, aber die Künstlerin wird sich mit der neuen Situation nochmal auseinandersetzen. „Daher wollen wir am Ende des Projekts in einem Online Talk über das Projekt selbst, aber auch über die Beständigkeit von zeitgenössischer Kunst im öffentlichen Raum mit allen Interessierten sprechen“, sagt Leonie Scheidt und lädt herzlich dazu ein.
„Wir wollen mit diesem Projekt Leerstellen im öffentlichen Raum
beleben.“
Leonie Scheidt Vorsitzende des Neuen Saarbrücker
Kunstvereins