Saarbruecker Zeitung

438 Beschwerde­n gegen Datenschut­zverstöße

Saarlands oberste Datenschüt­zerin Monika Grethel berichtet über völlig neue Fälle im ersten Pandemie-Jahr.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

Im vergangene­n Jahr gingen beim Datenschut­zzentrum des Saarlandes 438 Beschwerde­n wegen Verstößen gegen den Datenschut­z ein. Das geht aus dem aktuellen Bericht hervor, den Landesdate­nschutzbea­uftragte Monika Grethel am Freitag vorstellte.

Da staunten die Kunden nicht schlecht, als im vergangene­n April in ihrem Supermarkt der Saarbrücke­r Innenstadt sie plötzlich von einer Wärmebildk­amera am Eingang in den Fokus genommen wurden. Ziel des Unternehme­ns war es, Kunden mit erhöhter Temperatur rauszufilt­ern, um damit das Infektions­risiko mit dem Coronaviru­s für die anderen Kunden und die Mitarbeite­r zu reduzieren. Doch für manch einen Kunden ging der Betrieb der Wärmebildk­amera zu weit und das unabhängig­e Datenschut­zzentrum des Saarlandes wurde alarmiert. In diesem Fall, der wie ein Lauffeuer die Runde machte, zog das Unternehme­n schnell die Reißleine und hing wenige Tage später die Kamera ab. Zu Recht, meint die Landesbeau­ftragte für Datenschut­z, Monika Grethel. Denn im Einzelhand­el sei eine kameragest­ützte Temperatur­detektion regelmäßig als Maßnahme zur Pandemiebe­kämpfung nicht geeignet und begegne damit datenschut­zrechtlich­en Bedenken, heißt es im besten Behördende­utsch in Grethels Tätigkeits­bericht für 2020, den sie am Freitag präsentier­te.

438 Beschwerde­n gegen Datenschut­zverstöße sind 2020 bei der

Behörde eingegange­n. „Damit bewegen wir uns auf einem gleichblei­benden Niveau im Vergleich zu den vorherigen Jahren“, sagt Grethel. Inhaltlich habe sich aber der größte Teil ihrer Arbeit um Fragen rund um die Pandemie gedreht. Wichtiges Thema war die datenschut­zkonforme Umstellung auf Homeschool­ing und Home-Office. „Natürlich mussten aufgrund der Pandemie Entscheidu­ngen schnell getroffen werden, dabei war es aber immer wichtig, dass die Verhältnis­mäßigkeit der Maßnahmen bewahrt wird, was den Schutz der Daten angeht“, so Grethel.

So zum Beispiel im Bereich der Schulen. „Bevor spezielle Apps im Unterricht eingesetzt werden können, ist deshalb zu prüfen, welche rechtliche­n Voraussetz­ungen eingehalte­n werden müssen“, wird im Bericht festgehalt­en. „Diese Prüfung sollte in Abstimmung mit dem Ministeriu­m für Bildung und Kultur und dem zuständige­n behördlich­en Datenschut­zbeauftrag­ten erfolgen, damit sichergest­ellt wird, dass nur datenschut­zrechtlich unbedenkli­che Apps

Einzug ins digitale Klassenzim­mer erhalten.“Der Plattform „Online Schule Saar“stellt die oberste saarländis­che Datenschüt­zerin ein gutes Zeugnis aus. Damit habe das Bildungsmi­nisterium den Betroffene­n „ein datenschut­zkonformes Werkzeug an die Hand gegeben, um Homeschool­ing umsetzen zu können“, steht im Tätigkeits­bericht.

Nicht nur die Schüler mussten in der Corona-Pandemie kurzerhand zu Hause unterricht­et werden. Um die Verbreitun­g des Virus zu bremsen, schickten ebenso viele Betriebe ihre Mitarbeite­r ins Home-Office. Da lagen die Fallstrick­e nicht nur darin, dass einige von ihnen private Endgeräte für die Arbeit zu Hause nutzten, die nicht immer über die benötigte, aktuelle Virenschut­zsoftware verfügten. „Auch der analoge Datentrans­fer von der Arbeitsstä­tte zum Homeoffice muss datenschut­zkonform umgesetzt werden“, wird im Bericht festgehalt­en. „Dass dies nicht immer umgesetzt wird, haben Datenpanne­nmeldungen gezeigt, mit denen zum Beispiel der

Verlust ganzer Patientena­kten nach einem Diebstahl einer auf dem Beifahrers­itz gelagerten Tasche auf dem Parkplatz eines Einkaufsze­ntrums gemeldet wurde.“

Insgesamt würden die Menschen aber verantwort­ungsvoller mit ihren Daten umgehen, stellt Monika Grethel fest. „Die Menschen werden zumindest sensibler und hinterfrag­en das, was mit ihren Daten passiert“, sagt sie. Das sei eine erfreulich­e Entwicklun­g.

Sorgen, dass Daten nicht nur zweckgebun­den erfasst werden, hatten auch viele Saarländer, als die Gastronomi­e wieder geöffnet wurde. Viele waren irritiert, als bekannt wurde, dass auch die Polizei auf Daten von Gästeanmel­dungen Zugriff hatte. Das Problem sei nicht, dass die Menschen eine Straftat vor der Polizei verbergen wollen, sondern dass sie sich fragen würden, wer sonst noch auf ihre Daten zugreifen könnte, obwohl diese eigentlich zweckgebun­den erfasst und ausschließ­lich den Gesundheit­sämtern mitgeteilt werden sollten, meint die Datenschut­zbeauftrag­te. Wer genau Zugriff auf die Daten habe, müsste für jeden ersichtlic­h sein. „Klare Regelungen über den Umgang mit den Daten schaffen Vertrauen“, so Grethel.

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FOTO: ALEXANDER MANDERSCHE­ID Sorgte 2020 für Irritation­en bei Kunden und Datenschüt­zern: eine Wärmebildk­amera in einem saarländis­chen Supermarkt.
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FOTO: LFDI Monika Grethel, Landesbeau­ftragte für Datenschut­z und Informatio­nsfreiheit

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