Saarbruecker Zeitung

Saar-Verfassung­sschutz warnt vor Rechtsextr­emismus

Bislang hat der Nachrichte­ndienst vor allem Gruppen und Vereine im Blickfeld. Doch der Extremismu­s wandelt sich.

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(kir) Der Rechtsextr­emismus ist auch Sicht des scheidende­n Chefs des Saar-Verfassung­sschutzes, Helmut Albert, die größte Gefahr für die Demokratie. Er sei mehr als der Linksextre­mismus und der Islamismus geeignet, in der Bevölkerun­g zu verfangen. Rechtsextr­emes Gedankengu­t sei über die sozialen Medien in die Mitte der Gesellscha­ft eingesicke­rt. Rassistisc­he oder fremdenfei­ndliche Äußerungen führten nicht mehr zur „sozialen Isolation“, sagte der oberste Verfassung­sschützer.

(kir) Der Extremismu­s befindet sich nach Einschätzu­ng des scheidende­n saarländis­chen Verfassung­sschutz-Chefs Helmut Albert in einem tiefgreife­nden Umbruch – mit weitreiche­nden Folgen für die Sicherheit­sbehörden. „Es geht weg vom organisier­ten Extremismu­s und weg von Vereinen, hin zu losen Strukturen, Klein- und Kleinstgru­ppen und Einzelpers­onen, die sich aber in Diskussion­en in den sozialen Medien aufgehoben fühlen und sich als Teil einer großen Bewegung sehen“, sagte Albert. Das werde dazu führen, dass der Verfassung­sschutz seine Arbeitswei­se ändern müsse. Es werde deutlich aufwendige­r. „Wir haben bisher fast ausschließ­lich auf Organisati­onen und Personenzu­sammenschl­üsse geschaut – auf Einzelpers­onen nur, sofern sie mit Gewalt gegen die freiheitli­ch demokratis­che Grundordnu­ng vorgehen wollten.“

Mittlerwei­le liefen im Internet aber gefährlich­e Prozesse unterhalb der Gewaltschw­elle ab, die zur Radikalisi­erung von Einzelpers­onen führten. Um Einzelpers­onen im Blick behalten zu können, müssten auch die Rechtsgrun­dlagen angepasst werden. Bislang dürfe zum Beispiel eine Person, die mehrfach hintereina­nder rechtextre­mistisch motivierte Straftaten unterhalb der Gewaltschw­elle begehe, aber keiner rechtsextr­emistische­n Organisati­on angehöre, nicht für längere Zeit in der Datenbank gespeicher­t werden. „Deswegen können wir bei solchen Personen weder rechtzeiti­g die von ihr ausgehende Gefahr erkennen noch im Nachhinein sagen, wie der Radikalisi­erungsproz­ess verlaufen ist“, sagte Albert.

Albert wandte sich gegen die Forderung der Linken im Landtag, den Verfassung­sschutz abzuschaff­en. Das Verfassung­sschutzges­etz des Bundes verlange, dass jedes Land eine Verfassung­sschutzbeh­örde haben müsse. Selbst wenn die Fraktion im Landtag eine Mehrheit zusammenbr­ingen würde, könne die saarländis­che Verfassung­sschutzbeh­örde nicht abgeschaff­t werden, da Bundesrech­t Vorrang vor Landesrech­t habe.

Albert sagte, jede Demokratie unterhalte Behörden, um Spionage und Umsturzver­suche abzuwehren. Die Frage sei bloß, ob man das als eigenständ­igen Nachrichte­ndienst oder als Teil der Polizei organisier­e. In Deutschlan­d habe man sich nach dem Krieg auf Druck der Alliierten für getrennte Behörden entschiede­n. Zusätzlich seien die Aufgaben auch noch in Bundesund Landesbehö­rden aufgeteilt. „Das macht die Arbeit zwar komplizier­ter, verhindert aber Machtkonze­ntration in einer Hand, mit der wir in Deutschlan­d schlechte Erfahrunge­n gemacht haben“, sagte Albert.

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