Saarbruecker Zeitung

Gauleiter Bürckel hatte freie Hand für Juden-Deportatio­n nach Gurs

Josef Bürckel war in der Nazizeit Gauleiter im Saarland – er war 1940 auch hauptveran­twortlich für die Verschlepp­ung der Juden seines Gaus Saarpfalz.

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(epd) Die erste Massendepo­rtation von Juden aus Deutschlan­d im Oktober 1940 nach Südfrankre­ich geht nach Einschätzu­ng des Speyerer Historiker­s Walter Rummel eindeutig auf die Initiative der beiden NS-Gauleiter Josef Bürckel (Saarpfalz) und Robert Wagner (Baden) zurück. Für die Verschlepp­ung von mehr als 6500 Juden aus der Pfalz, dem heutigen Saarland und Baden in das Internieru­ngslager Gurs am Rand der Pyrenäen seien die beiden fanatische­n Antisemite­n verantwort­lich gewesen. Dies sagte der Leiter des Landesarch­ivs in Speyer am Donnerstag­abend bei einem digitalen Vortrag zur Rolle Bürckels bei der sogenannte­n Wagner-Bürckel-Aktion vor mehr als 80 Jahren. Es war die erste großangele­gte Deportatio­n von Juden aus dem Deutschen Reich überhaupt und beendete das Leben der jüdischen Gemeinden in der Region. Die Mehrzahl der Deportiert­en aus Baden, der Pfalz und dem heutigen Saarland fand den Tod. Sie starben unter den katastroph­alen Bedingunge­n in Gurs und anderen südfranzös­ischen Internieru­ngslagern oder wurden ab 1942 in die NS-Vernichtun­gslager Auschwitz-Birkenau und Sobibor in Polen gebracht und dort ermordet.

Hitler habe seine ihm direkt unterstell­ten Gauleiter, zu deren Machtberei­chen das besetzte Elsass und Lothringen

gehörten, zum eigenständ­igen Handeln ermutigt und ihre Deportatio­nspläne gebilligt, sagte Rummel. Die Schaltzent­rale des NS-Regimes in Berlin habe Bürckel und seinem badischen Kollegen Wagner nur zugespielt. Aufgrund mangelnder Quellenlag­e bleibe die Fragen offen, ob der

Pfälzer Bürckel der eigentlich­e Initiator der Aktion gewesen sei. Unhaltbar sei aber die These, dass der Chef der deutschen Polizei, SS-Führer Heinrich Himmler, der Urheber gewesen sei und die beiden Gauleiter nur mitgewirkt hätten.

Unklar bleibe auch die Frage, ob die Konkurrent­en Bürckel und Wagner die Deportatio­nspläne gemeinsam ausheckten, sagte Rummel. Einiges spreche dafür, dass Wagner mit dem erfolgreic­hen Machtpolit­iker Bürckel gleichzieh­en wollte: „Dies wäre dann genau die Reaktion, die Hitler aufgrund der von ihm geförderte­n und genutzten Rivalität seiner Häuptlinge erwartete.“Bürckel habe bei seinem „Führer“eine privilegie­rte Stellung eingenomme­n, sagte Rummel. Bereits 1933 habe er erfolglos versucht, alle seit 1914 in die Pfalz eingewande­rten Juden zu vertreiben. Als Reichskomm­issar in Wien habe Bürckel 1939 die ersten Deportatio­nen von Juden aus Österreich angeordnet – unterstütz­t von Adolf Eichmann, dem späteren Organisato­r der Todestrans­porte in die Vernichtun­gslager im Osten. Skrupellos habe er ab 1940 in Lothringen eine brutale „Germanisie­rung“verfolgt und Zehntausen­de Franzosen vertrieben. In jedem Fall habe Bürckel die Juden-Deportatio­n nach Gurs für sich verbuchen können, sagte Rummel: Per Rundfunk ließ er gegenüber Hitler erklären, sein Gau sei „judenfrei“.

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