Saarbruecker Zeitung

Wenn der Griff zum Handy süchtig macht

Ins Smartphone starrende Menschen sind ein Sinnbild dieser Zeit. Sich dem Reiz des Handys zu entziehen und die Nutzung zu begrenzen, ist für viele nicht einfach. Aber es geht – bis zu einem gewissen Grad.

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Zerstreuun­g, und das sei in Ordnung.

Oft nutzen Menschen das Smartphone auch, obwohl sie gerade einen Film schauen. Diese Mentalität sieht Aalderink weniger kritisch, er hat eine Erklärung dafür: „Die Nutzungsge­wohnheiten von Medien und unsere Aufmerksam­keitsspann­e haben sich verändert. Wir sind auf schnellere und intensiver­e Reize trainiert.“Dazu kommt die Verfügbark­eit des Smartphone­s: Wenn wir auf dem Sofa sitzen, einen Film schauen, ihn langweilig finden und das Smartphone liegt neben uns, braucht es nur einen Griff. Um ein Buch zu holen, muss man hingegen aufstehen. Aus diesem Beispiel lässt sich die einfache, aus Sicht des Experten zugleich effektivst­e Strategie ableiten, um weniger ins Smartphone zu schauen: Aus den Augen aus dem Sinn. Es helfe, das Smartphone während des Filmabends einfach in einen anderen Raum zu legen. Oder man packe es während des Spaziergan­gs am Strand in den Rucksack, um voll und ganz den Moment wahrzunehm­en – und nicht ständig das Gefühl zu haben, Fotos mit dem Smartphone machen zu müssen. Auch Smartphone-freie Zonen seien möglich, zum Beispiel der Esstisch.

Ein kleiner Schritt hin zu mehr Geräteabst­inenz ist das Ausstellen von Benachrich­tigungen, einschließ­lich des Vibrations­alarms. Apps wie Bildschirm­zeit bei Apples iOS-System und Digital Wellbeing

bei Googles Android zeigen außerdem, wie oft und lange das Smartphone genutzt wird.

Ist allerdings jemand süchtig, helfen diese Tipps kaum weiter. Wer das Gefühl hat, die Smartphone-Nutzung nicht mehr im Griff zu haben, kann sich an eine Suchtberat­ungsstelle wenden. Der nächste Schritt wäre, je nach Schwere des Problems, eine ambulante oder stationäre Therapie. Dabei wird in der Regel zum einen aufgearbei­tet, warum man süchtig geworden ist, und zum anderen daran gearbeitet, die Selbststeu­erung zu verbessern.

Wer das Gefühl hat, dass der Lebenspart­ner oder Freunde Probleme mit der Smartphone-Nutzung haben, sollte das ansprechen – ohne Druck auszuüben. Wichtig sei die Ich-Perspektiv­e einzunehme­n, erklärt der Experte. Man könne zum Beispiel sagen: „Mir fällt auf, dass du sehr viel zum Smartphone greifst. Ich mache mir Sorgen.“Hat man sich über das Thema Sucht näher informiert, solle man dem Betroffene­n anbieten, darüber zu sprechen. „Und dabei beharrlich bleiben“, sagt Aalderink, „denn der andere wird das erstmal abbügeln.“Bei Kindern ist es aus Sicht des Experten wichtig, dass Eltern sich dafür engagieren. „Man muss Medienkomp­etenz schulen – und kontrollie­ren“, rät der Psychother­apeut. Das heißt nicht, dass Verbote aufgestell­t werden müssen. „Aber man sollte eine Medienund Bildschirm­zeit als Rahmen vorgeben.“

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