Kopfball-Ungeheuer, Menschenfänger und Angler aus Passion
Horst Hrubesch feiert an diesem Samstag seinen 70. Geburtstag. Heute ist er Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des Hamburger SV.
(dpa) Über sich selbst zu reden, ist nicht Horst Hrubeschs Sache. Er mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Deshalb macht die Sturm-Ikone des Hamburger SV auch kein Aufhebens um ihren 70. Geburtstag an diesem Samstag. Mit der Familie werde er zusammensein und mit seiner Mutter telefonieren, verrät der einst als „Kopfball-Ungeheuer“gefürchtete Hrubesch über seine Pläne. „Ich werde da kein Brimbamborium machen in der Form“, sagt der frühere Fußball-Nationalspieler und heutige Chef des Nachwuchsleistungszentrums des HSV: „Für mich ist das ein Thema, bei dem ich sage: Okay, nehme ich zur Kenntnis. Ich habe bis heute eine tolle Zeit erlebt. Hoffen wir, dass es so weitergeht.“
Dabei steht einiges auf der Habenseite des gebürtigen Westfalen: 21 Länderspiele mit sechs Treffern, Gewinn des EM-Titels 1980 mit beiden Toren im Finale gegen Belgien (2:1), 221 Tore in 325 Pflichtspielen von 2. Liga bis Europacup, Trainer von U19-Europameister Deutschland
2008, Trainer der U21-Europameister 2009, Trainer der silbernen DFB-Olympia-Mannschaft 2016, Interimstrainer der DFB-Frauen.
Aber vor allem war Hrubesch Mittelstürmer des damals europaweit großen HSV mit 132 Toren in 211 Spielen, mit drei Meistertiteln und dem Gewinn des Europapokals der Landesmeisters 1983. Seine Tore fielen oft nach einer der berühmten „Bananenflanken“von Manfred Kaltz. „Manni Banane, ich Kopf – Tor“, lautete eines der bekanntesten Hrubesch-Zitate.
„Sensationell, was er für eine Karriere hingelegt hat – als Spieler und als Trainer“, sagt sein einstiger Mannschaftskamerad Felix Magath (67): „Die Bedeutung von Horst ist mir als Mitspieler gar nicht richtig klar geworden. Die habe ich erst im ganzen Umfang erfassen können, als ich selbst Trainer war. Da habe ich gemerkt, wie wichtig solche Typen mit unglaublicher Zugkraft für die Mannschaft sind.“Magath lobt an Hrubesch dessen grundsätzlich positive Einstellung, die Unerschrockenheit,
der
das Selbstbewusstsein. „Er hatte nie Angst. Vor keinem Gegner. Von ihm war nie gekommen, ein Unentschieden könnte reichen. Er hat der Mannschaft jegliche Verunsicherung genommen“, sagt Magath und legt sich fest: „Horst war damals der wichtigste Spieler in unserem Team.“
Auch für Bernd Wehmeyer, damals HSV-Abwehrspieler, sind Hrubeschs Charaktereigenschaften in Erinnerung: „Er ist ein aufrichtiger, geradliniger Kerl. Er ist immer geradeaus.“Genauso führt Hrubesch beim HSV das Nachwuchsleistungszentrum. „Wenn man sieht, mit welchem Enthusiasmus, mit welcher Kraft er das auch im fortgeschrittenen Alter macht, dann reißt einen das mit“, gesteht der 68-jährige Wehmeyer.
Eine Karriere wie die von Hrubesch ist heute kaum mehr vorstellbar. Er wurde erst mit 24 Jahren Profi bei Rot-Weiß Essen. Davor hatte er in seinem gelernten Beruf als Dachdecker gearbeitet. Auch das prägte ihn. Er hat die Bodenhaftung behalten. Dazu passt sein Hobby Angeln.
Vor über 40 Jahren tat er sich auch als Co-Autor eines Buches hervor: „Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“, hieß sein Werk.
Auf dem Platz stand Hrubesch für ehrliche Arbeit, übernahm Verantwortung. „Die können ohne dich spielen, aber du nicht ohne die. Das war der entscheidende Faktor bei der Geschichte“, sagt Hrubesch. Und dies machte er auch als Trainer seinen Spielern deutlich. Nach Jahren als Trainer bei Vereinen fand er beim DFB sein ideales Arbeitsfeld als Nachwuchstrainer. Hrubesch sei nicht nur „ein absoluter Fachmann und eine Führungspersönlichkeit, sondern auch einer der wundervollsten Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte“, schwärmt Joti Chatzialexiou, sportlicher Leiter Nationalmannschaften beim DFB. Er nennt Hrubesch „einen hervorragenden Botschafter des gesamten deutschen Fußballs“.
Seinen Umgangsstil beschreibt Hrubesch wie folgt: „Ich habe meine Spieler immer gefragt: Was wollt ihr eigentlich? Wo wollt ihr hin? Was wollt ihr machen? Und dann habe ich sie an ihren eigenen Ansprüchen gemessen.“Zu vielen Spielern hat er bis heute engen Kontakt und sagt ihnen auch noch mal, wenn ihm etwas missfällt. Zum Abschluss seiner DFB-Zeit wurde Hrubesch 2018 interimsweise Frauen-Bundestrainer nach der unglücklichen Ära unter Steffi Jones – und hinterließ auch dort Eindruck. „Er ist ein toller Mensch und war wie ein Vater für uns“, sagt Nationalspielerin Leonie Maier: „Er hat uns mit seiner Erfahrung in der schwierigen Zeit extrem weitergeholfen.“
Seit dieser Saison kümmert er sich um den Nachwuchsbereich in Hamburg. „Er brennt für diese Aufgabe, ist nah dran, sucht den Austausch mit Trainern und Spielern“, sagt Sportvorstand Jonas Boldt. Dass die jungen Spieler seine Enkel sein könnten, ist kein Problem für Boldt: „Horst ist authentisch, das Gesamtpaket kommt einfach gut an. Dass sich so viele ehemalige Spieler heute ohne besonderen Anlass bei ihm melden, ist der beste Beleg dafür.“