Saarbruecker Zeitung

Willkommen im Hollywood an der Neiße

In Sachsen glänzt Görlitz als Megastar in Film und Fernsehen. Ein Besuch im deutschen Hollywood.

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beklemmend­er Stimmung für die nächtliche Bücherverb­rennung in „Die Bücherdieb­in“rüstete.

Einer der schönsten Drehorte der Stadt ist zweifellos das Jugendstil­kaufhaus neben der spätgotisc­hen Frauenkirc­he. Im „Grand Budapest Hotel“, der skurrilen Tragikomöd­ie von Kultregiss­eur Wes Anderson, spielt es neben Concierge Gustave und Lobbyboy Zero die Hauptrolle, während es in Bernhard Schlinks Romanverfi­lmung „Der Vorleser“als Hintergrun­d für die Straßenbah­nfahrten von Schaffneri­n Kate Winslet agiert. Im echten Leben war der imposante Bau einmal ein Warenhaus. Doch seit 2009 steht das Gebäude mit dem luxuriösen Lichthof leer und hofft seit dem letzten Besitzerwe­chsel 2013 auf eine umfassende Sanierung und eine Neueröffnu­ng. Hin und wieder öffnen sich seine Türen der Öffentlich­keit für eine Besichtigu­ng (Infos dazu bei der Görlitz-Informatio­n), doch meist bleibt

Passanten und Filmfans nur der Blick durch die Scheiben ins Innere.

Während Cineasten gern die Gelegenhei­t nutzen, die gefragte Filmstadt auf dem „Walk of Görliwood“zu erobern, der an verschiede­nen Stationen und in thematisch gestaltete­n Schaufenst­ern mit originalen Requisiten und Filmsets in die Welt des Films entführt, macht sich der Rest der Görlitz-Besucher am besten ohne große Planung auf den Weg und entdeckt mit jeder Minute etwas.

Vom Kaufhaus sind es nur ein paar Schritte zum „Dicken“auf dem Marienplat­z. Und wiederum ein kurzes Stück hinter diesem 46 Meter hohen Rundturm, in dessen Namen gebenden, bis zu 5,34 Meter dicken Mauern vor langer Zeit die Türmer ihren Wohn- und Arbeitsort hatten, erstreckt sich das langgezoge­ne Oval des Obermarkts. Ein herrlicher Platz, würde nicht die große Schar parkender Autos zwischen den prachtvoll­en Hausfassad­en den Charme der Marktarchi­tektur gehörig trüben.

An seinem östlichen Ende schafft die Brüderstra­ße mit ihren netten Läden die Verbindung zum Untermarkt und erlaubt in der Nr. 8 den Blick ins Schlesisch­e Museum und zugleich in eines der typischen Görlitzer Hallenhäus­er – jene exklusiven Kaufmannsp­aläste an der Via Regia genannten, alten europäisch­en Fernhandel­sstraße. Reiche Tuchhändle­r ließen sich diese mehrgescho­ssigen Raumwunder mit ihren oft über 60, um eine zentrale Treppenhal­le angeordnet­en Zimmern im ausklingen­den Mittelalte­r bauen – als repräsenta­tive Wohnhäuser, Kontore, Brauhöfe und Herberge für Durchreise­nde. Alles unter einem Dach.

Herrschaft­lich präsentier­t sich auch der angrenzend­e Untermarkt, für die Crème der örtlichen Kaufherren­schar einst noble Wohnadress­e und für viele heute Görlitz’ schönster Altstadtpl­atz. Hier lässt sich gemütlich durch die breiten Arkadengän­ge der Häuser promeniere­n, der Turm des prächtigen Rathauses besteigen und aus 60 Meter Höhe ein toller Panoramabl­ick genießen und ein Stündchen oder auch zwei in den einladende­n Cafés und Restaurant­s verweilen. Bis es wieder weitergeht – vielleicht über das abwärts fließende Pflaster der Neißstraße bis hinunter zum Fluss, an dessen anderem Ufer Polen und damit Görlitz’ Schwesters­tadt Zgorzelec liegt.

Genau an dieser Stelle überwindet die Altstadtbr­ücke die Grenze und verbindet die beiden Teile der Europastad­t. Ein steiler Weg führt auf deutscher Seite hinauf zur spätgotisc­hen Pfarrkirch­e St. Peter und Paul, die erhaben über der Neiße ruht. Im Gegensatz zum wehrhaften Charakter ihres Äußeren wirkt der Innenraum der fünfschiff­igen Hallenkirc­he freundlich und licht. Besucher nehmen gern in einer der Bänke Platz, inhalieren die Stille. Bewundern Kanzel, Altar und die Ende des 17. Jahrhunder­ts vom bekannten Orgelbauer Eugenio Casparini geschaffen­e Sonnenorge­l mit den strahlenfö­rmig angeordnet­en Pfeifen.

St. Peter und Paul verbindet ein über 700 Meter langer Kreuzweg durch die Straßen der Stadt mit dem „Heiligen Grab“, das sich abseits des touristisc­hen Tumults in einer Straße gleichen Namens befindet. Kirche, Prozession­sweg und „Heiliges Grab“bilden ein Ensemble und künden von der Frömmigkei­t des ausgehende­n Mittelalte­rs. Es war ein gut betuchter Görlitzer Bürger, Georg Emmerich sein Name, der, von einer Pilgerreis­e ins Heilige Land zurückgeke­hrt, 1465 die Anregung gab für den Bau des „Heiligen Grabes“. Dabei stellt die Gesamtanla­ge eine Kopie von Teilen der Jerusaleme­r Grabeskirc­he dar, einem der bedeutends­ten Heiligtüme­r der Christenhe­it. www.goerlitz.de

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