Saarbruecker Zeitung

K-Frage der Union bleibt weiter offen

Baerbock oder Habeck – wer macht das Rennen? Der Parteivors­tand gibt heute die mit Spannung erwartete Kanzlerkan­didatur bekannt.

- VON STEFAN VETTER BERLIN

Der Machtkampf zwischen CDUChef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkan­didatur spitzt sich zu. Die von beiden gesetzte Frist für eine Einigung lief Sonntag ohne Lösung ab.

Sie oder er? Der Bundesvors­tand der Grünen gibt an diesem Montag bekannt, ob von den beiden Vorsitzend­en Annalena Baerbock oder Robert Habeck als Kanzlerkan­didat in den Bundestags­wahlkampf zieht. Anders als bei der Union war der Entscheidu­ng keinerlei hörbarer Streit vorausgega­ngen. Ob das nach der Verkündung auch weiter so bleibt?

An diesem Montag um elf Uhr will die Partei auf einer Pressekonf­erenz Geschichte schreiben. Erstmals soll nicht nur ein „Spitzenduo“für den Bundestags­wahlkampf vorgestell­t werden, sondern gewisserma­ßen eine Spitzen-Spitze namens Kanzlerkan­didat. Die anhaltend guten Umfragewer­te – seit Monaten liegen die Grünen hinter der Union stabil auf Platz Zwei – haben dabei für Zugzwang gesorgt. Von Anfang

war klar, dass die Vorsitzend­en Baerbock (40) und Habeck (51) die Sache unter sich aus machen würden. Und kein Grüner muckte dagegen auf, was ziemlich untypisch ist für eine vormals rebellisch­e Partei. Der Berliner Politikwis­senschaftl­er Oskar Niedermaye­r hat dafür eine Erklärung: „Die Grünen sehen zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine wirkliche Machtpersp­ektive nicht nur als Juniorpart­ner einer Koalition,

sondern als stärkste Kraft inklusive Kanzlersch­aft“. Dies wirke „extrem disziplini­erend“, sagte Niedermaye­r am Sonntag unserer Redaktion.

Ein bisschen spannend wollen es die Parteistra­tegen aber schon noch machen. Wer sich im Vorfeld der Verkündung in einen grünen E-Mail-Verteiler eintrug, soll die Entscheidu­ng bereits ein paar Minuten vor der offizielle­n Mitteilung

erfahren. Die virtuelle Pressekonf­erenz werden Baerbock, Habeck und der Bundesgesc­häftsführe­r Micheal Kellner anfänglich gemeinsam bestreiten. Kellner von daheim aus, weil er sich wegen eines Corona-Falls in seinem Umfeld in Quarantäne begeben musste. Den Fragen der Medien wird sich anschließe­nd nur der Kanzlerkan­didat stellen.

Lange Zeit galt dafür Habeck als

Favorit. Er war mehrere Jahre in der schleswig-holsteinis­chen Landespoli­tik und dort auch stellvertr­etender Ministerpr­äsident. Derweil ist Baerbock seit acht Jahren Bundestags­ageordnete und hat dabei immer stärker an Profil gewonnen. Ihr wurden zuletzt die besseren Chancen eingeräumt, weil sie in der Partei sehr gut vernetzt ist und die Grünen den Feminismus besonders hochhalten. Auch bei den

Wählersymp­athien hat Baerbock im Direktverg­leich mit Habeck inzwischen knapp die Nase vorn.

Am Wochenende wurden beide Spitzengrü­ne auf regionalen Parteivera­nstaltunge­n mit jeweils nur einer Gegenstimm­e zu Kandidaten für den Bundestag gekürt. Annalena Baerbock auf Platz Eins der Brandenbur­ger Landeslist­e, nachdem sie bereits grüne Direktkand­idatin für den Wahlkreis Potsdam geworden war, in dem auch SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz antritt. Und Robert Habeck als Direktkand­idat für den Wahlkreis Flensburg-Schleswig. Auf der Landeslist­e Schleswig-Holstein hat Habeck hat den sicheren Platz Zwei.

Beide Hoffnungst­räger werden damit auf jeden Fall in den nächsten Bundestag einziehen. Darüber hinaus gehören Beide dem Realo-Lager ihrer Partei an. Nach Einschätzu­ng Niedermaye­rs macht es daher auch inhaltlich kaum einen Unterschie­d, ob sie oder er für die Kanzlersch­aft ins Rennen geht. „Beide müssen den linken Flügel der Partei einbinden, was sie auch schon getan haben“, erläuterte der Politikexp­erte. „Trotz aller politische­n Mitte-Rhetorik ist das Wahlprogra­mm der Grünen eindeutig ein linkes Programm, sowohl wirtschaft­lich als auch gesellscha­ftspolitis­ch. Mehr Staat, Umverteilu­ng, höherer Spitzenste­uersatz für Reiche, das ist der Tribut an den linken Parteiflüg­el“.

Laut Umfragen ist freilich nur eine Minderheit der Auffassung, dass die Grünen wirklich kanzlertau­glich sind. „Das kann sich aber noch bis zum Wahltag im Herbst ändern“, glaubt Niedermaye­r. Mit ihrem Tohuwabohu in der K-Frage macht die Union den Grünen das politische Geschäft zumindest derzeit recht einfach.

„Trotz aller politische­r Mitte-Rhetorik ist das Wahlprogra­mm der Grünen eindeutig ein

linkes Programm, wirtschaft­lich wie auch gesellscha­ftspolitis­ch.“

Oskar Niedermaye­r

Berliner Poltikwiss­enschaftle­r

Newspapers in German

Newspapers from Germany