Saarbruecker Zeitung

Grönlands Machtwechs­el und die Weltpoliti­k

Grönlands Politik scheint weit weg zu sein. Die Wahl einer linken Partei mit einem 34-jährigen Vorsitzend­en hat jedoch Auswirkung­en bis nach Peking.

- VON STEFFEN TRUMPF, CHRISTIANE JACKE, CHRISTIAN THIELE UND JÖRN PETRING

(dpa) Die einen schicken Atom-U-Boote unters Eis, die anderen träumen von einer „polaren Seidenstra­ße“– und ein Ex-US-Präsident wollte bekanntlic­h gar Grönland kaufen. Die Weltmächte USA, Russland und China strecken seit langem ihre mächtigen Arme in Richtung Arktis aus. Es geht um Einfluss, um Schifffahr­tsrouten, die wegen der Klimakrise in der Arktis immer passierbar­er werden, und um wertvolle Rohstoffe – und gerade bei diesen Rohstoffen kommt nun die neue Regierung in Grönland ins Spiel.

Dass die größte Insel der Erde gerade einen Regierungs­wechsel erlebt, klingt zunächst wie eine Nachricht aus einem weit entfernten Universum – hat aber auch Folgen für die Großmächte der Erde und für den Bau von Elektroger­äten, die fast jeder in seiner Tasche hat. Nicht umsonst weist man im Königreich Dänemark, zu dem Grönland offiziell zählt, auf die Tragweite der Wahl hin, aus der nun eine neue Koalition hervorgeht. „Die Wahl ist historisch, manche werden revolution­är sagen“, schrieb die dänische Zeitung Politiken. Die Dominanz der sozialdemo­kratischen Partei Siumut ist durchbroch­en. Stattdesse­n regiert künftig die am weitesten links stehende Partei Inuit Ataqatigii­t (IA), angeführt von dem erst 34 Jahre alten Múte B.

Egede und im Bündnis mit dem Juniorpart­ner Naleraq. Egede und Naleraq-Chef Hans Enoksen unterzeich­neten dazu am späten Freitagabe­nd einen Koalitions­vertrag.

Was das mit internatio­naler Politik und letztlich mit Elektroger­äten zu tun hat? Ein australisc­hes Unternehme­n plant seit Jahren, in Südgrönlan­d neben radioaktiv­em Uran vor allem Seltene Erden zu gewinnen, die in elektronis­chen Geräten wie Laptops, Smartphone­s und Kameras, aber auch für Windräder und in

E-Autos gebraucht werden. Das kann Grönland Arbeitsplä­tze und jährliche Einnahmen von umgerechne­t knapp 200 Millionen Euro bringen, aber auch negative Folgen für Umwelt und Gesundheit. Eine Mehrheit der Grönländer ist laut Umfragen gegen das Projekt, IA und Naleraq ebenso – und das betrifft China, wo eine Rohstoffge­sellschaft Anteile an dem australisc­hen Unternehme­n hält.

Gegner des Projektes befürchten nämlich auch, dass sich Grönland abhängig von Peking mache. Dabei ist Unabhängig­keit für die Grönländer seit langem ein zentrales Thema.

„Wenn grönländis­che Politiker über Unabhängig­keit sprechen, geht es fast immer darum, Abhängigke­it aufzuteile­n“, sagt der Forscher Ulrik Pram Gad vom Dänischen Institut für Internatio­nale Studien. „Dänemark nimmt viel zu viel Platz am Horizont ein, wenn man von Grönland aus auf die Welt blickt.“Dass die Insel vor einem Jahr US-Investitio­nen in Höhe von 12,1 Millionen Dollar erhielt, wurde gern gesehen. Aber man macht auch zunehmend Geschäfte mit Peking, obwohl laut Gad infolge der Wahl das Projekt bei Narsaq gestoppt werde.

China ist zwar kein Arktis-Anrainerst­aat, bezeichnet­e sich aber in einem Positionsp­apier als einen „arktisnahe­n Staat“. Peking rief zudem ein auf den Namen „polare Seidenstra­ße“getauftes Investitio­nsprogramm ins Leben. Indes lässt Russland die Muskeln spielen. Kürzlich stiegen drei Atom-U-Boote zeitgleich unter meterdicke­m Eis auf. Russland erhebt Anspruch auf 1,2 Millionen Quadratkil­ometer Arktis – insbesonde­re auf die dort lagernden Rohstoffe wie Öl und Gas. Die USA beobachten das Treiben Russlands und Chinas mit Argwohn. Auch für Washington ist die Arktis von Bedeutung. Der Titel eines Strategiep­apiers der US-Armee spricht Bände: „Wiedererla­ngen der Vorherrsch­aft in der Arktis“. Die Region sei entscheide­nd für die Verteidigu­ng und „potenziell­er strategisc­her Korridor“zwischen dem Indo-Pazifik, Europa und den USA.

 ??  ?? Múte Bourup Egede, Vorsitzend­er der linken Partei Inuit Ataqatigli­t, gilt als Hoffnungst­räger.
FOTO: IMAGO IMAGES
Múte Bourup Egede, Vorsitzend­er der linken Partei Inuit Ataqatigli­t, gilt als Hoffnungst­räger. FOTO: IMAGO IMAGES

Newspapers in German

Newspapers from Germany