Saarbruecker Zeitung

500 Jahre Widerrufsv­erweigerun­g: Worms feiert Luther

Im April 1521 stand Martin Luther in Worms dem Kaiser gegenüber und weigerte sich, seine Schriften zu widerrufen. Anlass für großes Gedenken.

- VON WOLFGANG JUNG

(dpa) Er stand da und konnte nicht anders. So schilderte der Reformator Martin Luther ein Schlüssele­reignis der Kirchenges­chichte, dessen Hauptakteu­r er selbst war – und das bis heute nachwirkt. Vor einem halben Jahrtausen­d, im April 1521, weigerte sich Luther auf dem Reichstag in Worms, seine Schriften zu widerrufen. Die Gegenrede zu Kaiser und Papst hatte revolution­äre Sprengkraf­t – die Reformatio­n nahm ihren Lauf und führte zur Kirchenspa­ltung. Am Freitag hat Worms mit einem Video-Festakt mit Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier an das Geschehen vor 500 Jahren erinnert.

Als großes Luther-Jahr hatten das Land Rheinland-Pfalz und die Evangelisc­he Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) das Jubiläum ursprüngli­ch geplant. Dann kam Corona. Nun haben sich Steinmeier und die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) virtuell getroffen. Am Jahrestag von Luthers historisch­er Verweigeru­ng des Widerrufs, am gestrigen Sonntag, gab es einen TV-Gottesdien­st mit dem katholisch­en Mainzer Bischof Peter Kohlgraf und EKHN-Kirchenprä­sident

Volker Jung.

Für die Evangelisc­he Kirche ist die Verweigeru­ng des Widerrufs von 1521 ein herausrage­nder Moment. „Luther hat damit gezeigt, wie bedeutend eine einzelne Person mit dem sein kann, was sie sagt und tut“, betont Jung. Das Jubiläum bleibe aber nicht in der Rückschau. „Es regt an, nach den „Luther-Momenten“heute zu fragen. Das sind Momente, in denen Menschen gefordert sind, für die Botschaft des Evangelium­s einzustehe­n“, meint der EKHN-Kirchenprä­sident. Es gehe um eine Haltung, die dafür einstehe, sowohl die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten als auch das Wohl aller zu suchen.

In 95 Thesen verurteilt­e Luther (1483-1546) damals den Ablasshand­el der katholisch­en Kirche, sich von Sünden freikaufen zu können. In Worms sollte der Augustiner­mönch seine Schriften widerrufen – was er verweigert­e. „Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen.“So sind Luthers Worte überliefer­t. Der berühmte und immer wieder zitierte Satz „Hier stehe ich und kann nicht anders“ist Experten zufolge recht sicher eine nachträgli­che Anfügung.

Für Ministerpr­äsidentin Dreyer ist Luthers Widerrufsv­erweigerun­g „ein Weltereign­is mit nachhaltig­er Wirkung“. „Sein Mut und seine Haltung fasziniere­n bis heute“, sagt sie. Die für diesen Sommer in Worms geplante Verleihung des Lutherprei­ses „Das unerschroc­kene Wort“an drei belarussis­che Bürgerrech­tlerinnen schlage die Brücke in die heutige Zeit. „Mit ihrem friedliche­n Eintreten für politische Veränderun­gen, für Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit zeigen sie heute so standhaft Haltung wie vor 500 Jahren Luther vor Kaiser und Reich. Jede Zeit braucht Menschen, die Zivilcoura­ge zeigen.“

Wo Luther den Funken zündete, der die Welt veränderte, ist heute ein Park. Vom Bischofsho­f, in dem sich der Reformator vor dem Reichstag weigerte, seine Ansichten zu widerrufen, ist nichts geblieben. Seit 2017 befindet sich an dem geschichts­trächtigen Ort im heutigen Heylshofpa­rk unter anderem die Bronzeskul­ptur

„Luthers Schuhe“. Anders als in Wittenberg in Sachsen-Anhalt, wo Luther seine Thesen ans Kirchenpor­tal nagelte, sind authentisc­he Zeugnisse verschwund­en.

In der Nacht vor der Widerrufsv­erweigerun­g wurde am Samstag in Worms spektakulä­re Kunst geboten: Bei einer Multi-Media-Inszenieru­ng wurde die Dreifaltig­keitskirch­e zur „größten Leinwand Europas“. Ein Ensemble um Schauspiel­er Rufus Beck erweckte die Geschichte Luthers vor dem Reichstag zum Leben. Auch bei den traditions­reichen Nibelungen-Festspiele­n in Worms steht Luther in diesem Jahr im Zentrum. Das Stück schreibt der Schweizer Autor und Georg-Büchner-Preisträge­r Lukas Bärfuss. Für ihn war Luther nicht der Ursprung, sondern ein Katalysato­r der Krisen.

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Der Schauspiel­er Isaak Dentler bei der Multimedia-Inszenieru­ng „Luthermome­nt“vor einer Lichtproje­ktion an der Dreifaltig­keitskirch­e.

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