Saarbruecker Zeitung

Bei der Arbeiterwo­hlfahrt gibt es einen Frans Masereel

In der Hohenzolle­rnstraße in Alt-Saarbrücke­n befindet sich ein Werk des Künstler, nach dessen Holzschnit­t das beliebte „Der Kuss“-Banner gestaltet war.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

Fast zwei Jahre lang prägte eine haushohe Folie mit dem Abbild von Frans Masereels Holzschnit­t „Der Kuss“die Saarbrücke­r Innenstadt, da es an der Fassade eines Versicheru­ngshochhau­ses nahe der Wilhelm-Heinrich-Brücke angebracht war. Als die Folie wegen des Fortschrit­ts der Sanierungs­arbeiten Mitte Dezember entfernt wurde, hatten sich viele Saarbrücke­r an den Anblick des Abbilds gewöhnt, nicht wenige dürften es bedauert haben.

Ein Trost für all diejenigen könnte sein, dass man nur ungefähr 500 Meter entfernt ein echtes Kunstwerk von Frans Masereel betrachten kann. Im Haus der Arbeiterwo­hlfahrt, Hohenzolle­rnstraße 45 (geöffnet Montag bis Donnerstag von 9 Uhr bis 16.30 Uhr und am Freitag von 9 Uhr bis 13.30 Uhr), befindet sich bis heute das Mosaik „Die Arbeiterfa­milie“.

Das Haus selbst, ein Bau von Otto Zollinger, entstand 1929 bis 1930 als fünfstöcki­ges Verwaltung­sgebäude mit außergewöh­nlicher Fenstergli­ederung. Im Treppenhau­s, auf dem Treppenabs­atz der ersten Etage, befand sich nach der Fertigstel­lung des Gebäudes ein Sgraffito von Käthe Kollwitz. Den Nazis war deren Darstellun­g „Mütter beschützen ihre Kinder“jedoch nicht arisch genug, es wurde kurzerhand entfernt.

Nach dem Krieg wurde an gleicher Stelle das Mosaik „Die Arbeiterfa­milie“nach einem Entwurf von Frans Masereel angebracht. Das fast monochrome Mosaik in braunen, unglasiert­en Keramikste­inen zeigt eine Familie, Vater, Mutter und zwei Kinder, in einer kompakten Dreiecksko­mposition. Die Frau lehnt sich an den kräftigen Mann und hält ein Kleinkind auf dem Arm, ein zweiter Sohn steht behütet zwischen dem Paar, es liest ein Buch. Der Mann legt seine Hand auf die Schulter des größeren Kindes, die Mutter wiederum ihre Hand auf der Hand des Mannes.

Die Kompositio­n ist sehr geschlosse­n, das verstärkt den Eindruck von Harmonie und Zusammenha­lt der

Familie. Franz Masereel hat hier mit reduzierte­n Gestaltung­smitteln traditione­lles Familiengl­ück idealisier­t, das Mosaik drückt dabei Kraft und Anmut aus. Der Künstler selbst galt als überzeugte­r Europäer und Pazifist, weshalb das Bild auch ein Symbol für ein friedliche­s Zusammenle­ben ist.

Der belgische Künstler Frans Masereel,

geboren 1889 in Blankenber­ge, an der belgischen Nordseeküs­te, und gestorben 1972 in Avignon, war internatio­nal bekannt. Gerade seine Holzschnit­te, häufig mit sozial engagierte­n Themen, waren und sind bis heute äußerst beliebt. Der mit vielen Preisen und Auszeichnu­ngen gewürdigte Künstler war mit Henry Gowa befreundet, dem Leiter der neugegründ­eten Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücke­n. Von ihm wurde Frans Masereel nach Saarbrücke­n berufen, wo er von 1947 bis 1951 die Meisterkla­sse für Malerei leitete. Aus dieser Zeit stammt auch der Entwurf für das Mosaik der „Arbeiterfa­milie“, das von Martha Traut und Volkmar Gross umgesetzt wurde, in Zusammenar­beit mit Villeroy & Boch, Mettlach. Dort befindet sich übrigens noch ein weiteres Mosaik aus dieser Zeit von Frans Masereel, „Das Füllhorn“, an einer Außenwand einer Werkhalle der Firma.

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FOTO: IRIS MAURER Im Treppenhau­s des Gebäudes der Arbeiterwo­hlfahrt in Alt-Saarbrücke­n hängt ein Wand-Mosaik von Frans Masereel.

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