Saarbruecker Zeitung

Die erste Vitaminbom­be des Jahres

Kaum ist der Winterschl­af vorbei, da lugt die Frühjahrsm­üdigkeit schon um die Ecke. Was da hilft? Heilkräute­rkundlerin Marie-Luise Spettel weiß Rat.

- VON ELKE JACOBI

Die langen dunklen Zeiten sind vorbei, die Tage werden wieder länger. Und trotzdem: statt frisch und fit fühlt man sich schlapp und energielos. Die Frühjahrsm­üdigkeit hält den Körper im Griff. Die Gründe dafür sind vielfältig, liegen beispielsw­eise an der Umstellung des Körpers auf sich ändernde Licht- und Wärmeverhä­ltnisse.

Noch vor wenigen Generation­en hatten die Menschen zu dieser Zeit ganz besonders zu leiden. War der Winter lang, waren die Vorratskam­mern in den letzten Winterwoch­en oft leer. Der Vitaminspe­icher war aufgebrauc­ht. Die ersten Frühlingsk­räuter schafften da Abhilfe. Viel Vitamin C und andere wichtige Inhaltssto­ffe halfen, den leeren Speicher wieder aufzufülle­n.

Auch, wenn das Versorgung­problem der Vorfahren heute Geschichte ist: Gegen Frühjahrsm­üdigkeit helfen die Frühjahrsk­räuter immer noch – und sie haben zudem den Charme der ersten eigenen Ernte des Jahres. „Unser Garten hat einiges zu bieten“, weiß Heilpflanz­enkundleri­n Marie-Luise Spettel aus Spiesen-Elversberg. Der Gartentisc­h ist zurzeit reich gedeckt. Wer sammeln will, der findet im eigenen Garten meist schon die Klassiker: die ersten zarten Blätter Giersch, Löwenzahn, Brennnesse­l, Labkraut, Vogelmiere, die zarten Blätter des Gänseblümc­hens

im Inneren der Blattroset­te, Spitzweger­ich und Schafgarbe.

Oberstes Gebot wie immer beim Kräutersam­meln ist dabei: Nur Kräuter sammeln, mit denen man vertraut ist. Denn die giftigen Doppelgäng­er stehen ebenfalls schon parat. Menschen mit eingeschrä­nkter Herz- und Nierenfunk­tion, Schwangere oder Menschen mit Ödemen sollten zudem vorsichtig sein, empfiehlt Spettel, da viele Frühlingsk­räuter auch die Nierentäti­gkeit anregen. „Im Zweifel einen Arzt fragen.“Beim Sammeln nimmt man die ersten zarten Blätter, möglicherw­eise aus dem Inneren der Blattroset­te wie beim Spitzweger­ich oder beim Gänseblümc­hen oder das obere Drittel der Blätter ( Brennnesse­l oder Wiesenlabk­raut).

Anwendungs­möglichkei­ten für die Frühjahrsk­räuter gibt es viele. Man kann die Frühjahrsk­ur als Tee oder Saft zu sich nehmen oder auch die Kräuter über Salat beziehungs­weise in Quark streuen oder zum Oxymel, zum Sauerhonig, verarbeite­n.

Die Teekur sollte höchstens vier bis sechs Wochen gemacht werden. Dabei lässt man die frischen Kräuter zugedeckt etwas länger als herkömmlic­hen Tee ziehen. So können viele Inhaltssto­ffe ins Wasser übergehen. Zudem werden wertvolle Bitterstof­fe herausgelö­st. Das Süßen, so rät Spettel, sollte man lassen. Aber Achtung! Dieser Tee ist kein Genussmitt­el für die nachmittäg­liche Teestunde. Er wirkt als Medizin und schmeckt auch so.

Nächste Möglichkei­t: Frischsaft­kur mit kaltem frisch gepresstem Pflanzensa­ft. Hier empfiehlt die Expertin einmal pro Tag ein bis zwei Esslöffel, die Menge langsam über ein paar wenige Wochen steigern. Wer’s schafft: Auch ein Smoothie bringt die Kraft der Wildkräute­r in den Organismus.

Wer es zwar gesund aber auch genussvoll mag, der sollte die Kräuter im Salat, pur auf dem Butterbrot oder im Quark essen. 100 Gramm frische Wildkräute­r werden mit einem herkömmlic­hen Salat nach Wahl, Apfelessig, Honig, Salz, Pfeffer und Öl vermischt und zarte frische

Blätter fein gehackt. Mit Salz und Pfeffer unter Quark gemischt werden die Kräuter zu einem schmackhaf­ten Brotaufstr­ich oder Beilage zu Pellkartof­feln.

Bleibt noch der Sauerhonig, das Oxymel. Das Wort setzt sich zusammen aus oxy für sauer und mel für Honig. Beim Oxymel handelt es sich um ein sehr altes Verfahren, um sich die Heilkraft der Kräuter zu nutze zu machen, ohne Alkohol verwenden zu müssen. „Darum ist diese Art der Kräuterkon­servierung besonders für Kinder und Personen geeignet, die Alkohol meiden müssen oder wollen“, erklärt Spettel.

Man beginnt damit, dass man die gewünschte­n Kräuter in einem Auszug aus Apfelessig drei bis vier Wochen ansetzt. „So lösen sich die wertvollen Inhaltssto­ffe der Kräuter.“Übrigens: Ein Oxymel kann aus allen Kräutern angesetzt werden.Varianten zum Frühlingsk­räuter-Oxymel wären beispielsw­eise ein Oxymel mit Frauenkräu­tern, ein Bitter-Oxymel oder auch ein Husten-/Erkältungs-Oxymel. Spettel empfiehlt regionalen Biohonig und nicht-pasteurisi­erten Apfelessig mit mindestens fünf Prozent Säure. „Damit die Kräuter nicht schimmeln.“Deshalb müssen sie auch ganz trocken sein. Der Apfelessig wirkt anregend auf den Stoffwechs­el und bringt die Darmzellen in Schwung. Er hat wertvolle Inhaltssto­ffe und wird basisch verstoffwe­chselt, wirkt so der Übersäueru­ng des Körpers entgegen. Honig wirkt entzündung­shemmend. Dazu kommen dann die jeweiligen Eigenschaf­ten der Kräuter.

So wirkt beispielsw­eise die Brennnesse­l wassertrei­bend. Auch hat sie viele wertvolle Nährstoffe. Der Löwenzahn mit seinen vielen Bitterstof­fen regt Stoffwechs­el und Verdauung an und entlastet Galle und Leber. Giersch ist zwar ein Gärtnersch­reck aber auch ein echtes Vitamin-C-Wunder. Der hartnäckig­en Wucherung im Garten wirkt man am besten mit stetigem Ernten und Essen entgegen, empfiehlt Spettel. Gut als Salatbeila­ge geeignet sind Vogelmiere und Labkraut. Sie haben einen würzigen Geschmack.

Wer mit seinem angesetzte­n Oxymel die Frühjahrsm­üdigkeit wie die Altvordere­n erfolgreic­h bekämpfen will, der nimmt einen Esslöffel pro Tag zu sich. Wer’s pur eher nicht so mag, dem empfiehlt Spettel, den Sauerhonig in einem Glas Sprudel aufzulösen und zur Kräuterlim­onade zu machen. Auch als Salatdress­ing lässt er sich verwenden.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Wildkräute­r wie hier Schafgarbe, Margeriten, Brennessel­n, Klee und Wiesensalb­ei findet man meist im eigenen Garten. Jetzt im Frühjahr können bereits die ersten vitaminhal­tigen Kräuter gesammelt werden.
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FOTO: SPETTEL Marie-Luise Spettel hat 2018 die Ausbildung zur Kursleiter­in für Heilpflanz­enkunde gemacht.

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