Saarbruecker Zeitung

Sensation auf dem Mars

Die Mars-Atmosphäre ist weit weniger dicht als die der Erde. Der erste Flug eines Hubschraub­ers auf einem anderen Planeten gestaltete sich deshalb schwierig. Doch mit „Ingenuity“schaffte die Nasa jetzt den Durchbruch.

- VON CHRISTINA HORSTEN UND BENNO SCHWINGHAM­MER

(dpa) Mit dem Mars-Hubschraub­er „Ingenuity“hat erstmals ein Luftfahrze­ug einen Flug auf einem anderen Planeten absolviert. Der mit Lithium-Ionen-Akkus betriebene und rund 1,8 Kilogramm schwere „Ingenuity“(auf Deutsch etwa: Einfallsre­ichtum) stieg bei seinem ersten Testflug am Montag auf, schwebte dann auf der Stelle und landete schließlic­h wieder auf der Oberfläche des Planeten, wie die US-Raumfahrtb­ehörde Nasa mitteilte. Wegen technische­r Probleme war der Testflug zuvor seit Anfang April mehrfach verschoben worden.

„Es ist wahr, es ist wirklich wahr“, jubelte „Ingenuity“-Projektman­agerin MiMi Aung im Nasa-Kontrollze­ntrum im kalifornis­chen Pasadena. Das Team applaudier­te, nachdem die Daten des Hubschraub­ers auf der Erde angekommen und ausgewerte­t worden waren – rund drei Stunden nachdem der Flug auf dem Mars stattgefun­den hatte. „Wir können jetzt sagen, dass Menschen einen Drehflügle­r auf einem anderen Planeten geflogen haben.“Auch erste Bilder lagen schon vor: Der Schatten von „Ingenuity“aus der Luft gesehen und der Hubschraub­er in der Luft aus der Perspektiv­e des Rovers „Perseveran­ce“.

„Wir haben schon so lange von unserem Gebrüder-Wright-Moment auf dem Mars gesprochen – und hier ist er“, sagte Aung. Wilbur und Orville Wright waren am 17. Dezember 1903 in North Carolina nacheinand­er mit einem Motorflieg­er abgehoben. Der zwölf Sekunden und 36 Meter lange Flug von Orville ging als weltweit erster motorisier­ter Flug in die Geschichte ein. Rund 120 Jahre später hob der Mini-Hubschraub­er „Ingenuity“den Daten zufolge um 6.34 Uhr MESZ von der Marsoberfl­äche ab, stieg auf eine Höhe von etwa drei Metern auf und schwebte dann etwa 30 Sekunden, bevor er wieder landete. Insgesamt habe der Flug 39,1 Sekunden gedauert, hieß es von der Nasa. Mehr Informatio­nen dazu wurden erwartet, wenn weitere Daten zur Erde übertragen worden sind.

„Ingenuity ist das jüngste in einer Reihe von Nasa-Projekten, die ein Raumfahrte­rkundungsz­iel erreicht haben, von dem man einst dachte, es sei unmöglich“, sagte der kommissari­sche Nasa-Chef Steve Jurczyk. „Wir wissen noch nicht genau, wo „Ingenuity“uns hinführen wird, aber die heutigen Ergebnisse deuten an, dass der Himmel – zumindest auf dem Mars – möglicherw­eise keine Grenze sein wird.“

Der Hubschraub­er muss auf dem Mars extremen Bedingunge­n trotzen: Nachts ist es bis zu minus 90 Grad Celsius kalt, was für Batterien und Elektronik leicht das Todesurtei­l bedeuten kann. Wegen der dünnen Atmosphäre, die grob nur ein Prozent so dicht ist wie die auf der Erde, müssen die Rotoren von „Ingenuity“auf 2537 Umdrehunge­n pro Minute beschleuni­gen – ein Vielfaches von Hubschraub­ern auf der Erde. Die Energie für diese Kraftanstr­engung zieht „Ingenuity“aus seiner durch Sonnenstra­hlen gefütterte­n Batterie.

Der Mini-Helikopter war an Bord des Nasa-Rovers „Perseveran­ce“(auf Deutsch etwa: Durchhalte­vermögen) Ende Februar – nach 203 Flugtagen und 472 Millionen zurückgele­gten Kilometern – mit einem riskanten Manöver in einem ausgetrock­neten Mars-See namens „Jezero Crater“aufgesetzt. Diesen See mit einem Durchmesse­r von etwa 45 Kilometern soll „Perseveran­ce“in den kommenden zwei Jahren untersuche­n.

Entwicklun­g und Bau des rund 2,5 Milliarden Dollar (etwa 2,2 Milliarden Euro) teuren Rovers hatten acht Jahre gedauert. Er soll auf dem Mars nach Spuren früheren mikrobiell­en Lebens fahnden sowie das Klima und die Geologie des Planeten erforschen.

„Ingenuity“soll in den kommenden Wochen weiter getestet werden. „Lasst und diesen Moment genießen und danach lasst uns wieder an die Arbeit gehen“, sagte Projektman­agerin Aung. „Mehr Flüge.“

„Wir können jetzt sagen, dass Menschen einen Drehflügle­r auf einem anderen Planeten geflogen haben.“

MiMi Aung „Ingenuity“-Projektman­agerin

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FOTO: NASA/JPL-CALTECH/DPA Der ultraleich­te Hubschraub­er „Ingenuity“hob am Montag auf dem Mars ab – und landete kurz darauf wieder. Zuvor war der Testflug wegen technische­r Probleme mehrmals verschoben worden.

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