EU sanktioniert Russland vorerst nicht stärker
Während Moskau an der Grenze zur Ostukraine weitere Truppen in Stellung bringt, fordert die EU von Russland eine Deeskalation der Lage.
Die EU kommt Forderungen nach der Vorbereitung neuer Sanktionen gegen Russland vorerst nicht nach. Stattdessen wurde von Moskau erneut eine Deeskalation im Ostukraine-Konflikt gefordert.
BRÜSSEL Die EU-Außenminister versuchten es einmal mehr mit Appellen: „Moskau sollte von Provokation auf Kooperation umschalten“, sagte Heiko Maas (SPD), der deutsche Außenamtschef, nachdem er mit seinen Amtskollegen am Montag wieder einmal über die stetig schlechter werdenden Beziehungen zu Russland beraten hatte. Dabei wissen die Außenminister selbst, dass die immer zahlreicher werdenden Krisen zwischen dem Kreml und der Gemeinschaft mit guten Worten kaum zu entspannen sind.
An der Grenze zur Ostukraine und auf der Halbinsel Krim hat Moskau zwischen 15 000 und 25 000 Soldaten in Stellung gebracht. Es ist der größte Truppenaufmarsch seit der Annexion 2014. Gleichzeitig belasten die Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nalwany und die alarmierenden Meldungen über dessen Gesundheitszustand die Beziehungen. Und dann kam am Wochenende noch die Ausweisung von 18 russischen Diplomaten aus der Tschechischen Republik hinzu, weil die Regierung in Prag Moskau die Schuld an der Explosion eines Munitionslagers vor sieben Jahren gibt. Strafen, sonst das übliche Sanktionsmittel der EU, scheinen derzeit ausgereizt. Zumindest in den Augen von Heiko Maas. „Wir haben da keinen Nachholbedarf“, sagte er gestern nach dem Treffen, zog aber dennoch die eine oder andere rote Linie ein. „Die territoriale Integrität der Ukraine steht für uns nicht zur Disposition“, betonte er weiter.
Was so viel heißen soll wie: Im Fall eines militärischen Angriffs auf das ukrainische Gebiet werde man nicht stillhalten. Die Entwicklung im Fall Nalwany beobachte man „sehr besorgt“. Dass der 44-Jährige am Montag angeblich auf die Krankenstation eines anderen Gefängnisses verlegt wurde, habe man vernommen. Dies sei eine „gute Nachricht, falls er dort die dringend benötige Hilfe wirklich bekommen sollte“. „Die Sorge um seine körperliche Verfassung wird dadurch aber nicht geringer.“Mit den Tschechen sei man bereit, „unsere Solidarität deutlich zu machen“. Das soll wenigstens einen Hauch von Schärfe oder gar Drohung Richtung Moskau vermitteln, aber sicher nicht mehr. Weil auf der sogenannten Arbeitsebene offenbar längst intensiv verhandelt wird. Gestern kamen Beamte aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine zusammen, um zu erörtern, in welchem Format man über eine „Deeskalation“(Maas) verhandeln könne.
Es ist die sogenannte Normandie-Runde, die 2014 am Rande der
Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag der Alliierten in der Normandie zusammenkam. In Brüssel hofft man darauf, dass ein solches Treffen auf höchster politischer Ebene möglich ist. Aber würde der russische Präsident Wladimir Putin sich derzeit wirklich auf eine Einladung einlassen? Der zugeschaltete ukrainische Außenamtschef Dmitri Kuleba forderte Unterstützung von der EU und Sicherheitsgarantien von der Nato. Dort geht man inzwischen davon aus, dass der Truppenaufmarsch in der Ostukraine in eine Großoffensive mündet, um sich Zugriff auf den Nord-Krim-Wasserkanal bis zum Fluss Dnepr zu sichern. Maas plagen praktische Sorgen: „Es darf nicht irgendwann sozusagen unbeabsichtigt zu einem Ausbruch von Gewalt kommen“, sagte der SPD-Politiker. Was dann?
Der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), bereitet offenbar für den Fall einer Invasion russischer Truppen in die Ukraine den Boden für eine harte Antwort der EU und Deutschlands vor: „Sollte die Lage eskalieren, wäre Nord Stream 2 nicht zu halten“, sagte er. Und auch der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff erklärte in einem Interview: „Dann müsste das Projekt der Gaspipeline Nord Stream 2 sofort abgebrochen werden. Das liegt auf der Hand.“Es erscheint vielen immer mehr als das einzige Mittel, um Moskau wirksam unter Druck zu setzen.
„Moskau sollte von Provokation auf Kooperation umschalten.“
Heiko Maas (SPD) Bundesaußenminister