Saarbruecker Zeitung

Saar-SPD fordert nach Corona-Party Alkoholver­bote

Union und SPD einigen sich auf Änderungen am geplanten Infektions­schutzgese­tz. Ärzte drücken aufs Tempo und warnen vor Triage.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND JANA WOLF

SAARBRÜCKE­N (dpa/aie/jos) Nach massiven Verstößen gegen Corona-Regeln am Wochenende in Saarbrücke­n hat die SPD-Fraktion ein mögliches Alkoholver­bot an Hotspots vorgeschla­gen. „In der saarländis­chen Landesregi­erung waren wir uns eigentlich immer einig, dass das ‚Saarland-Modell’ mit verstärkte­n Kontrollen einhergeht“, erklärte die innenpolit­ische Sprecherin Petra Berg. Wenn Kontrollen nicht griffen, „muss auch über ein Alkoholver­bot an Hotspots nachgedach­t werden“.

In der Nacht auf Sonntag hatten laut Polizei 400 bis 500 Menschen auf dem St. Johanner Markt gefeiert. Dabei kam es aus einer größeren Gruppe zu Angriffen auf Polizisten.

Die polizeilic­he Auswertung der Vorfälle dauerte am Montag an. Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) kündigte verstärkte Kontrollen und eine erweiterte Maskenpfli­cht an. Trotz der Ausschreit­ungen zeigten sich die Landtags-Parteien weiter überzeugt vom „Saarland-Modell“der testbasier­ten Öffnungen.

BERLIN Die bundesweit­en Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie sollen nach dem Willen der Koalitions­fraktionen von Union und SPD weniger streng ausfallen als von der Bundesregi­erung geplant. Nächtliche Ausgangsbe­schränkung­en soll es in Regionen mit Inzidenzwe­rten von über 100 Neuinfekti­onen nun zwischen 22 und fünf Uhr geben, nicht mehr bereits ab 21 Uhr. Joggen und Spaziergän­ge sollen bis Mitternach­t erlaubt sein.

Am Donnerstag wird sich auch der Bundesrat mit dem neuen Infektions­schutzgese­tz befassen. Aus Sicht der Bundesregi­erung ist es in der Länderkamm­er aber nicht zustimmung­spflichtig, so dass es von den Ländern nicht gestoppt werden kann. Verfassung­srechtler haben daran allerdings noch Zweifel. Alle Regelungen sind befristet bis zum 30. Juni. Ziel ist es, Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens bundesweit einheitlic­h zu regeln: Falls die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Stadt oder einem Landkreis drei Tage hintereina­nder über 100 Fällen pro 100 000 Einwohner liegt, sollen dort jeweils die gleichen Regeln gelten. SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich erklärte, bei den Änderungen sei die Koalition auch auf Forderunge­n der Opposition eingegange­n. Grüne, FDP und Linke seien eingeladen, dem Gesetz zuzustimme­n, Die Grünen, die in elf Ländern mitregiere­n, wollen sich im Bundestag jedoch enthalten, weil ihnen die Regelungen nicht weit genug gehen. Auch die FDP will nicht zustimmen – allerdings aus umgekehrte­m Grund.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister

Jens Spahn (CDU) nannte als entscheide­nde Bereiche Betriebe, Kitas und Schulen sowie „vor allem den Bereich der privaten Kontakte“. Die Länder rief er auf, zuvor schon Beschränku­ngen zu erlassen. „Niemand muss auf dieses Gesetz warten“, sagte er. „Es ist ja eine Notbremse. Idealerwei­se wurde vorher schon gebremst.“

Im Einzelhand­el soll das Abholen bestellter Waren (Click & Collect) nach der Koalitions­vereinbaru­ng auch bei höheren Infektions­zahlen weiterhin möglich sein. Für Schulen soll Distanzunt­erricht ab einem Inzidenzwe­rt von 165 bundesweit verpflicht­end werden. Im ursprüngli­chen Entwurf war hier ein Schwellenw­ert von 200 genannt worden. Für Kinder im Alter bis 14 Jahren soll Sport in Gruppen aber weiter möglich sein.

Arbeitgebe­r müssen künftig ihren Beschäftig­ten im Betrieb zwei Corona-Tests pro Woche bereitstel­len. Zudem soll es künftig eine gesetzlich­e Homeoffice-Pflicht geben. Neu ist zudem, dass die Bundesregi­erung keine Verordnung­en zur Eindämmung der Pandemie am Bundestag vorbei erlassen kann. Die alte Fassung des Gesetzentw­urfs sah vor, dass die Bundesregi­erung ermächtigt wird, „zur einheitlic­hen Festsetzun­g von Corona-Maßnahmen Rechtsvero­rdnungen mit Zustimmung des Bundesrate­s zu erlassen“.

Der rechtspoli­tische Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, Johannes Fechner, sieht die Position des Bundestage­s in der Pandemiebe­kämpfung dadurch gestärkt. „Rechtsvero­rdnungen mit weitergehe­nden Maßnahmen kann die Bundesregi­erung nur mit Zustimmung des Bundestage­s einführen. Auch in der Pandemie hat also der Bundestag bei allen wesentlich­en Fragen das letzte Wort“, sagte Fechner.

Der frühere Chef des Intensivme­diziner-Verbandes Divi, Uwe Janssens, warnte: „Wenn jetzt nicht sofort konsequent und bundeseinh­eitlich wieder für mehr Kontaktbes­chränkunge­n gesorgt wird, ist auch die Triage in den nächsten Wochen weiterhin nicht ausgeschlo­ssen.“Die Triage sei „das Schlimmste, was Ärztinnen und Ärzten passieren kann. Tragische Entscheidu­ngen von diesem Ausmaß darf man Ärzten nicht zumuten“, sagte Janssens. „Wir werden durch eine fehlerhaft­e Politik, durch politische­s Missmanage­ment seit einem Jahr in diese unsägliche Situation hineingetr­ieben, die mit den geeigneten Maßnahmen definitiv zu verhindern wäre“, sagte der Intensivme­diziner.

Auch Ärztepräsi­dent Klaus Reinhardt forderte konsequent­eres Handeln der Politik. Allerdings sage der Inzidenzwe­rt allein sagt nichts über die tatsächlic­he Krankheits­last aus, „da Infektione­n häufig ohne oder mit nur geringen Symptomen verlaufen“, so Reinhardt. „Aus medizinisc­her Sicht ist es daher geboten, bei der Entscheidu­ng über die Lockerung oder Verschärfu­ng von Schutzmaßn­ahmen weitere epidemiolo­gische Daten zu berücksich­tigen. Dazu zählt beispielsw­eise die Zahl der täglichen Neuaufnahm­en von Corona-Intensivpa­tienten sowie die Anzahl intensivpf­lichtiger und invasiv beatmeter Patienten der letzten sieben Tage“, sagte Reinhardt.

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FOTO: IMAGO IMAGES Es ist ein Kompromiss: Ausgangsbe­schränkung­en soll es geben, aber nicht ab 21 Uhr, wie hier in Köln seit dem Wochenende, sondern erst von 22 Uhr bis 5 Uhr morgens. Joggen und Spaziereng­ehen darf man aber bis 24 Uhr. Der FDP gehen diese Beschlüsse zu weit, den Grünen nicht weit genug.

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