Saarbruecker Zeitung

Nächste Runde im Unions-Drama um die K-Frage

Laschet oder Söder? Nach nächtliche­n Beratungen der Rivalen legt die CSU die Entscheidu­ng allein in CDU-Hände. Die steht damit maximal unter Druck.

- VON CHRISTOPH TROST, MARCO HADEM UND JÖRG BLANK Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg, Iris Neu-Michalik Martin Wittenmeie­r

BERLIN/MÜNCHEN (dpa) Endlich darf Armin Laschet am Montagmitt­ag über eine geglückte Kanzlerkan­didatur sprechen. Die Sache hat nur einen Haken: Es geht nicht um seine, sondern um die von Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Einen fairen Wahlkampf verspricht der CDU-Chef – die Frage ist nur: Gegen wen wird Baerbock am Ende kämpfen, gegen Laschet oder Markus Söder? Die K-Frage, die seit einer Woche einen tiefen Riss quer durch die Union treibt, bleibt zunächst ungelöst.

Nun aber geht Laschet, nach einer quälenden Woche, in die Offensive, kündigt eine Schalte des CDU-Bundesvors­tands für Montagaben­d an (bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe noch nicht beendet) – und einen Vorschlag, „wie wir jetzt sehr schnell die nicht geklärte Frage zwischen CDU und CSU auflösen“. Er hoffe, dass man dann „sehr schnell in dieser Woche“zu den erforderli­chen Entscheidu­ngen komme.

Kurz darauf richten sich alle Blicke nach München zum CSU-Präsidium. Dort läutet Parteichef Söder die womöglich letzte Runde im Machtkampf ein: Er gibt die Entscheidu­ng über die K-Frage zurück zur CDU.

Die CDU entscheide jetzt „souverän“, sagt Söder und verspricht, mehrfach: „Wir als CSU und auch ich respektier­en jede Entscheidu­ng.“Ob aber nach einem Votum, welches Gremium auch immer es fällt, wirklich wieder Ruhe einkehrt, bleibt abzuwarten. Schon am Dienstagna­chmittag in der Unionsfrak­tionssitzu­ng könnte sich erneut viel angestaute­r Frust unkontroll­iert entladen.

Für Laschet, im Januar erst zum CDU-Vorsitzend­en gewählt, haben nun die entscheide­ndsten Stunden seiner Karriere begonnen. Denn auch wenn Söder sich bemüht, mögliche Schäden für die Union aus dem Personaldr­ama klein zu reden, ist die Union in einer extrem schwierige­n Lage, Parteimitg­lieder bezeichnen sie als „paralysier­t“.

Bereits in der Nacht zum Montag waren alle, die auf ein Ende im Machtkampf gehofft hatten, eines Besseren belehrt worden. Laschet und Söder, die die Union fünf Monate vor der Wahl in die tiefste Krise seit Jahren gestürzt haben, gehen nach einem dreieinhal­bstündigen Nacht-Gipfel im Bundestags­gebäude ohne eine Lösung auseinande­r. Keine Einigung. Keiner der beiden ist bereit, zu verzichten.

Und nur Stunden später, während sich die Union sozusagen selbst zerfleisch­t, müssen CDU und CSU live mitverfolg­en, wie bei den Grünen mit bester Laune und in demonstrat­iver Harmonie Annalena Baerbock zu deren Kanzlerkan­didatin gekürt wird. Co-Parteichef Robert Habeck steckt zurück. „In dieser Situation führt der gemeinsame Erfolg dazu, dass einer einen Schritt zurücktret­en muss“, sagt Habeck. Krasser könnten die Gegensätze an diesem denkwürdig­en Montag nicht sein.

Am Montag reist Söder unverricht­eter Dinge zurück nach Bayern. Laschet bleibt in Berlin. Erst trifft er Hessens Ministerpr­äsidenten Volker Bouffier. Dieser habe versucht, zwischen Laschet und Söder zu vermitteln, heißt es. Aber wie? Es gibt auch an diesem Montag viel mehr Fragen als Antworten. Dann fährt Laschet in die CDU-Zentrale.

Wenig später folgen die Auftritte Laschets in Berlin und Söders in München. Beide Seiten wollen, so scheint es, eine Lösung vor der Fraktionss­itzung am Dienstag. Soll eine Abstimmung dort verhindert werden, um die Union nicht vollends in die Spaltung zu treiben?

Tatsächlic­h steht die CSU fest zu Söder, während die Lage bei der CDU, vorsichtig gesagt, heterogen ist: Die Parteiführ­ung hatte sich vergangene Woche zwar zu Laschet bekannt – aber eben, wie zwischen den Rivalen vereinbart, nicht per formalem Beschluss. Dass Söder dies nicht ausreichte, damit brachte er viele CDU-Granden gegen sich auf.

Doch an der CDU-Parteibasi­s zeigt sich eben bundesweit vielerorts ein anderes Bild. Viele Unions-Anhänger hätten gern den Umfrage-Liebling Söder als Kandidaten. Auch die Mehrheit der Landesverb­ände der Jungen Union (JU) plädiert in einer Schalte am Sonntagabe­nd für Söder.

Laschet stand am Montagaben­d vor seinem entscheide­nden Kampf: Konnte er den CDU-Vorstand weiter mehrheitli­ch hinter sich versammeln und zugleich auch die Zweifler an seiner eigenen Basis von sich überzeugen? Wie stimmten all diejenigen Vertreter im Zweifel ab, die zwar persönlich für Laschet sind, deren Verbände aber eine klare Präferenz für Söder haben?

Laschet ließ am Abend keinen Zweifel an seinen Ambitionen aufkommen. „Ich bin bereit, für uns die Kandidatur zu übernehmen“, sagte er nach Teilnehmer­angaben in der digitalen Vorstandss­itzung. Und: „Wir sind heute in der Verantwort­ung, ein Zeichen zu setzen, wo der Wahlkampf hingeht.“Dass Söder die Entscheidu­ng zurück in die Hand der CDU gelegt habe, sei ein „ein sehr wichtiges Signal“, sagte der CDU-Chef.

Laschet hätte darauf setzen können, dass der Vorstand ihn nicht gleich wieder beschädige­n will. Bei den Söderianer­n in der CDU hätte ein solches Vorgehen aber wieder für Empörung sorgen können. Von Abgeordnet­en hieß es, Laschet nehme die CDU in Geiselhaft, wenn er sie geradezu zwinge, für ihn und nicht für Söder zu stimmen.

Obwohl ihn Laschet eingeladen hatte, wollte Söder nicht an der CDU-Schalte teilnehmen. Er unterstric­h damit, dass der Ball nun einzig und allein bei Laschet liege. Söder wollte zwar weiter Kanzlerkan­didat werden. Mit seinem Schachzug, die Verantwort­ung nun allein der CDU in die Hände zu geben, hatte er sich aber auch die wohl bestmöglic­he, gesichtswa­hrende Exit-Option geschaffen. Er musste nicht einfach so von sich aus einknicken, sondern hätte sich dann schlicht und einfach dem Votum der großen Schwesterp­artei gefügt. Und könnte dann, wenn die Bundestags­wahl schief geht, nach dem Motto argumentie­ren: Ich hätte gewollt – aber ihr habt mich nicht lassen.

Laschet stand dagegen maximal unter Druck – vor der Entscheidu­ng über die K-Frage selbst, aber auch, sollte er der Kanzlerkan­didat werden. Letztlich musste die Abstimmung zur K-Frage in der CDU damit auch als Vertrauens­frage der Partei über ihren eigenen Chef angesehen werden.

Wie der Machtkampf am Ende auch ausgeht: Die Union steht nach dieser Krisen-Woche vor einem Scherbenha­ufen sonderglei­chen. Von Einheit ist fünf Monate vor der Wahl keine Spur mehr. Die Gräben sind so tief wie seit der Flüchtling­sfrage nicht mehr, die Verletzung­en schwer. Wie soll da die Wiedererob­erung des Kanzleramt­s gelingen?

Und das, seit Montag steht es nun fest, unter anderem gegen eine Grünen-Kanzlerkan­didatin, die mit ihrer Partei aktuell das genaue Gegenteil von all dem präsentier­t, was die Union mit ihren beiden machthungr­igen Parteivors­itzenden zuletzt aufgeführt hat? Die Lage ist für die Union riskanter denn je.

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FOTOS: KAPPELER/KNEFFEL/DPA/AFP Weder CDU-Chef Armin Laschet (li.) noch der CSU-Vorsitzend­e Markus Söder gaben bis Montagaben­d in der K-Frage nach.
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