Saarbruecker Zeitung

Kramp-Karrenbaue­r will Lehren aus Afghanista­n ziehen

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BERLIN (dpa) Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r will für weitere Einsätze der Bundeswehr Schlussfol­gerungen aus den 20 Jahren in Afghanista­n ziehen. „Ich will auf jeden Fall auch für die Bundeswehr dieses Thema offen, auch in seiner Kontrovers­e, transparen­t und intensiv aufarbeite­n“, sagte die CDU-Politikeri­n in Berlin. „Es gibt Lehren für uns zu ziehen – mit allem, was gelungen und nicht gelungen ist.“

Die Nato hatte am Mittwoch entschiede­n, bis zum 1. Mai den Abzug einzuleite­n. Zuvor hatten sich die USA als größter Truppenste­ller auf einen Abzug bis zum 11. September festgelegt – den 20. Jahrestag der Terroransc­hläge des islamistis­chen Netzwerks Al-Kaida in den USA. Die Bundeswehr soll schon bis Mitte August Afghanista­n verlassen. Deutschlan­d stellt mit 1100 Soldaten nach den USA das zweitgrößt­e Kontingent in der etwa 10 000 Soldaten starken Nato-Truppe.

„Natürlich hat sich Afghanista­n nicht in einen Modellstaa­t nach europäisch­em Vorbild entwickelt. Ich glaube, man muss auch sehr offen sagen: Das war von Anfang an keine realistisc­he Vorstellun­g“, sagte Kramp-Karrenbaue­r. „Es gibt aber erkennbare Fortschrit­te. Wir sehen eine Weiterentw­icklung in der Presseland­schaft. Wir sehen, dass es Wahlen gegeben hat. Wir sehen, dass es Frauen in Spitzenpos­itionen gibt. Da ist ein Wandel erkennbar.“

Die Frage sei, wie man das absichern könne. So müssten die nächsten Monate genutzt werden, um die afghanisch­en Sicherheit­skräfte weiter auf die Eigenständ­igkeit vorzuberei­ten. „Ob das am Ende zu einer dauerhafte­n Befriedung des Landes führt? Das können wir nicht militärisc­h herbeiführ­en, das muss politisch und innerafgha­nisch gelöst werden“, sagte die Ministerin.

Mehr als 160 000 Angehörige der Bundeswehr haben Dienst in Afghanista­n geleistet. Auf die Frage nach dem Wert des Einsatzes sagte sie: „Das ist eine nachvollzi­ehbare und berechtigt­e Frage, denn wir dürfen nicht vergessen, dass 59 Soldaten im Einsatz am Hindukusch ihr Leben gelassen haben. Wir haben sehr viele Verwundete an Körper und an Seele. Die Hinterblie­benen und die Familien stellen sich diese Frage. Auch wir müssen uns diese Frage stellen und wir müssen unsere Lehren daraus für die Zukunft ziehen.“

Die Soldaten könnten stolz sein. „Eine erste Bilanz ist: Die Soldatinne­n und Soldaten der Bundeswehr haben sich im Kampf bewährt. Wir haben es geschafft, dass über 20 Jahre hinweg Afghanista­n kein sicherer Hafen für internatio­nalen Terrorismu­s war – und das war ja das Hauptziel nach 9/11“, sagte sie. „Wir haben es geschafft, die Taliban 20 Jahre von der Regierung fernzuhalt­en. Ich stelle mir immer die Frage, wie das Land aussehen würde, wenn die Taliban in den letzten 20 Jahren durchregie­rt hätten. Glauben wir, dass es irgendeine Schule für Mädchen und Frauen gegeben hätte? So hat es für eine Generation die Chance gegeben, sich zu verändern.“

Für die Männer und Frauen der Bundeswehr und ihre Familien gebe es Erinnerung­en mit hoher emotionale Bedeutung. „Das war damals etwa die Dingo-Tür aus dem Karfreitag­sgefecht. Jetzt sind es die Gedenktafe­ln, der Ehrenhain in Masar-e-Sharif oder die sakralen Gegenständ­e aus dem Haus Benedikt, das als ‚Kapelle’ bekannt ist“, sagte Kramp-Karrenbaue­r. „Ich lege allergrößt­en Wert darauf, dass diese Dinge vollständi­g heil und sicher nach Deutschlan­d kommen und dass wir ihr Andenken bewahren.“

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FOTO: PEDERSEN/DPA Hat sich der Afghanista­n-Einsatz gelohnt? Verteidigu­ngsministe­rin Kramp-Karrenbaue­r bezeichnet diese Frage als berechtigt.

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