Deutsche Biere sind nicht reif für die Insel
Nach den jüngsten Corona-Lockerungen fließt der Gerstensaft in britischen Pubs wieder. Doch die deutschen Brauer profitieren davon kaum.
LONDON (dpa) Sichtbar durstig strömen die Menschen in England zurück in die Biergärten. Die Umsätze der Pubs sind gewaltig, Plätze auf Wochen ausgebucht. Vorbei die schlechten Corona-Zeiten, als Dutzende Millionen Liter Fassbier wegen geschlossener Pubs weggeschüttet werden mussten. Doch die Bilder, die von einer langsamen Rückkehr aus dem monatelangen Lockdown zur Normalität zeugen, dürften deutschen Bierbrauern weniger gefallen.
Das klingt zunächst kurios, hat aber einen handfesten Hintergrund: In den Pubs fließt nur wenig deutsches Bier vom Fass. Die weltweit bekannte Flüssigware aus dem Land der Bierbrauer hat am britischen Zapfhahn das Nachsehen.
„Die meisten britischen Pubs gehören großen Unternehmen, die große Mengen Bier für ihre Tausenden Kneipen kaufen und deshalb große Nachlässe global agierender Bierkonzerne erhalten“, sagt die Bierexpertin Jane Peyton. Einige Unternehmen wie Heineken besitzen selbst Hunderte Pubs und schenken dort natürlich dann eigene Marken aus, im Fall Heineken auch Foster‘s oder Amstel. „Vielleicht waren die deutschen Brauer nicht so aggressiv in ihren Verkäufen und im Marketing im Pub-Sektor.“
In der Tat: Der Marktzugang für Lager-Biere, wie in Großbritannien alle untergärigen Biersorten und also auch Pilsner genannt werden, ist schwierig. Das räumt auch ein deutscher Manager ein, der namentlich nicht genannt werden will. Marken wie Stella Artois, Kronenbourg oder eben Heineken haben die Szene unter sich aufgeteilt.
Das spüren auch kleinere, heimische Brauer. „Die Mehrheit der Briten, die Lager trinken, hält sich an bekannte Marken“, sagt Peyton. „Wenn sie zum Beispiel die Wahl haben zwischen einem italienischen Peroni und einem Craft Bier einer kleinen britischen Brauerei, die sie nicht kennen, werden sie Peroni wählen, obwohl das Bier der kleinen Brauerei ein echtes Lager ist.“
Zwar gilt Großbritannien als Land des Ale. Doch Expertin Peyton betont, dass Lager 90 Prozent des konsumierten Biers ausmache. Oft wird es in Großbritannien hergestellt, doch ein echtes britisches Lager gibt es nicht. Die beliebteste Marke Carling, die der Branchenverband British Beer and Pub Association als „in Britannien gebraut“anpreist, gehört zum kanadischen Konzern Molton Coors. Die britischen Brauer hatten stets Ale gebraut. Als in den 1970er Jahren die Lager-Biere populär wurden, verpassten sie den Trend, internationale Marken machten sich breit.
Zwar nicht in den Pubs, aber dafür in den Supermärkten profitieren auch deutsche Brauer von der
Lager-Freude der Briten. Im Corona-Jahr 2020 schossen die deutschen Exporte ins Vereinigte Königreich um rund ein Viertel in die Höhe, wie Rodger Wegner, Geschäftsführer des Verbands der Ausfuhrbrauereien Nord-, West- und Südwestdeutschlands (VAB), sagt. Denn Supermärkte hatten – anders als Pubs und Restaurants – weiter geöffnet, dort stieg der Absatz deutscher Biere deutlich.
„Der Export alkoholhaltigen Bieres von Deutschland ins Vereinigte Königreich hat sich die letzten fünf Jahre sehr positiv entwickelt“, sagt Wegner. Waren es 2015 noch 409 000 Hektoliter alkoholhaltiges
Bier, so stieg bis 2020 der Absatz auf 699 000 Hektoliter. Populär ist deutsches Bier in Großbritannien schon lange. Als Lager-Biere aufkamen, gaben Brauereien ihren Bieren deutsche Namen.
Wichtig für die deutschen Brauer ist derzeit zudem: „Das Vereinigte Königreich ist klar der größte Absatzmarkt weltweit für alkoholfreies Bier aus Deutschland“, sagt Wegner. Der Anteil am Gesamtexport deutschen Bieres nach Großbritannien lag 2020 bei fast einem Fünftel. Zum Vergleich: Am weltweiten Export hat alkoholfreies Bier einen Anteil von sechs Prozent.