Saarländische Fleisch- und Wurstwaren seit 1865
Die Metzgerei Schröder kann auf über 150 Jahre Firmengeschichte im Saarland zurückblicken. Die Zeiten waren oft alles andere als einfach.
in der Geschäftsführung. Die ehemals kleine Malstatter Metzgerei ist seit Jahrzehnten ein angesehener Fleischwaren-Produzent, dessen Würste, Pasteten, Steaks und Schnitzel täglich auf vielen saarländischen Tellern landen.
Von Gründervater Nikolaus Schröder weiß man, „dass er sich neben seinen handwerklichen Fähigkeiten auch als guter Kaufmann zeigte“, wie es in der Jubiläumsausgabe des firmeneigenen Feinschmecker-Journals heißt, das 2015 zum 150. Geburtstag erschien. „Er ließ sich trotz der turbulenten Zeit nicht unterkriegen.“Turbulent waren die Jahre nach 1865 in der Tat. Saarbrücken war 1870 Frontstadt im Deutsch-Französischen Krieg, Anfang August tobte die Schlacht um die Spicherer Höhen.
Im Jahr 1900 übernimmt Sohn Johann Schröder den elterlichen Betrieb, ein streng blickender Herr mit Schnurrbart und Mittelscheitel. 1925 wird in der Firmenchronik vermerkt, dass bei Schröder Expansion angesagt ist, der Malstatter Arbeiterkiez ist zu eng geworden. Der erste Lkw wird angeschafft, um Fleisch und Wurst im größeren Radius verkaufen zu können. 1929 ergreift mit Hans Schröder die dritte Generation das Firmenruder. In der Saarbrücker Bahnhofsund Reichstraße eröffnet Schröder erste Filialen.
Aus der Metzgerei ist längst eine Fabrik geworden, die sich 1936 ihre erste Betriebsordnung gibt. Die Nazis hatten seit einem Jahr an der Saar das Sagen. Gemäß den Vorgaben der Zeit bilden „Betriebsführung und Gefolgschaft zusammen eine nationalsozialistische Betriebsgemeinschaft, die […] zum gemeinen Nutzen von Volk und Staat arbeitet“, heißt es dort. Neben viel Pflicht und Gehorsam ist in der Betriebsordnung auch Praktisches geregelt. Die Wochenarbeitszeit (sechs Tage) beträgt 48 Stunden, für Überstunden gibt es Zuschlag oder Freizeitausgleich. Der Urlaub fängt bei sechs Tagen an und endet bei höchstens zwölf.
Bald kommen die Nackenschläge – Kriegsbeginn 1939, Saarbrücken wieder mittendrin. Schröder evakuiert die Produktion, zunächst nach Klein-Rosseln (Petite-Rosselle), später erneut zurück, um 1944 nochmal umziehen zu müssen, nach Ottweiler in die damalige Brauerei Simon.
Nach dem Krieg und dem großen Aufräumen baut Schröder im Saarbrücker Osten eine neue Fleischfabrik, dort wo heute noch das Herz der Firma schlägt. Im Saarland, das zum französischen Wirtschaftsraum gehört, geht es aufwärts – in der neu gegründeten Bundesrepublik sowieso. Nach den Hungerjahren schwappt die Fresswelle über das Land. 1953 bietet Schröder schon in fünf Geschäften seine Fleischwaren feil, alle noch in Saarbrücken. Ende der 1950er Jahre kommen mit Neunkirchen, Völklingen und St. Ingbert die ersten Filialen außerhalb der Landeshauptstadt hinzu. „Schröder – wenn’s was Gutes sein soll“, ist der Werbeslogan jener Zeit.
1964 rückt mit Otto Schröder Junior die vierte Generation in die Geschäftsführung auf. 1968, drei Jahre nach dem 100-jährigen Firmenjubiläum, sind schon mehr als 300 Frauen und Männer bei Schröder beschäftigt. Das Familienunternehmen betreibt 13 Filialen und versorgt mit 15 Frischdienst-Touren Restaurants, Krankenhäuser, Kantinen oder Einzelhändler mit Fleisch- und Wurstwaren. Bis 1993 hat sich die Zahl der Mitarbeiter auf 600 verdoppelt. Ein Jahr zuvor hatte sich Otto Schröder aus der Chefetage zurückgezogen. Sein Schwiegersohn Albrecht Neumann und Willi Walter bilden ab 1992 die neue Geschäftsführung. 2008 rückt Dieter Kühle in die Chefetage auf.
Walter erkennt das Potenzial, das in einem eher unscheinbaren Produkt steckt: Andernorts heißt der Rundling Fleischwurst, im Saarland Lyoner. Er wiegt etwa 500 Gramm, wird im essbaren Naturdarm hergestellt und über Buchenholzspänen geräuchert. Fleischzutaten und Würzmischung sind ein streng gehütetes Geheimnis. 1985 veröffentlichen die Autoren Gerhard Bungert und Charly Lehnert „Das Lyoner-Buch“und lösen damit einen Hype aus. Der Lyoner wird zum Kult, Walter, der die Vermarktungs-Klaviatur rund um die Identität stiftende Saar-Wurst beherrscht, zum „Herrn der Ringel“.
In den Folgejahren schwimmt Schröder auf einer Erfolgswelle, inspiriert mit seinen regelmäßig erscheinenden Feinschmecker-Magazinen alle, die Gepökeltes, Geräuchertes und Gebratenes mögen. Doch die Welt dreht sich weiter und viele erwarten, dass „Geiz ist geil“auch für Lebensmittel gelten sollte. Aber Qualität hat ihren Preis. Außerdem ist Fleisch für eine wachsende Zahl von Verbrauchern nicht mehr das unverzichtbare Muss einer jeden Mahlzeit – Veggie statt Wurst. Die Jahre des Wachstums sind vorbei, der Umsatz geht, die Kosten bleiben. Bei Schröder sind zudem die in der Fleischwirtschaft üblichen Billig-Werksverträge verpönt. Die Firma zahlt Tariflöhne – inklusive betrieblicher Altersvorsorge.
2019 der Schock – Schröder stellt Insolvenzantrag. Das Unternehmen soll in Eigenverwaltung saniert werden. Die Familie steht dazu, nickt das Konzept des Sanierers Franz Abel ab. Der Einschnitt ist hart. 180 Mitarbeiter müssen die Firma verlassen, 280 dürfen bleiben. Von 48 Filialen, die es zu Spitzenzeiten gab, bleiben elf übrig. Kantinen und Restaurants sowie der Lebensmittel-Einzelhandel werden weiter beliefert. 32 Millionen Euro sind derzeit die Gesamterlöse. Hinzu kommt das Forbacher Handelsunternehmen Jeca, bei dem Schröder die Mehrheit hält und das den französischen Markt versorgt.
„Wir mussten und müssen die Strukturen so anpassen, dass wir Geld verdienen“, sagt Holger Passauer, Roman Tschunkys Mit-Geschäftsführer. Der Pirmasenser stand schon bei der untergegangenen Saarbrücker Motorblock-Gießerei Halberg Guss auf der Kommandobrücke – „aber zu den guten Zeiten“. Der Wechsel vom Guss zum Fleisch ist ihm gelungen. Beim Einkauf, für den er unter anderem zuständig ist, „laufen überall ähnliche Prozesse ab“, sagt er. „Es geht um Liefersicherheit, Qualität und Preise.“
„Qualität ist weiterhin unser oberstes Gebot“, versichert Tschunky im (Eigen-)Werbeblock. „Wir kennen unsere Lieferanten seit Jahrzehnten – alles erstklassige, inhabergeführte Familienbetriebe“. Auch wenn täglich viel Fleisch verarbeitet wird, „sind wir eine Metzgerei geblieben“– Manufaktur statt Fließband. Der Lyoner ist bei Schröder immer noch Kult. Vor kurzem hat man ihm eine neue Pfanne verpasst – außen schwarz und innen blau, die Farben des Traditions-Fußballclubs 1. FC Saarbrücken. Für die Innenbeschichtung ist mit ITN Nanovation eine saarländische Firma zuständig. Damit nichts mehr anbrennt – weder beim Lyoner noch bei Schröder.