Saarbruecker Zeitung

Kippt Saar-Gericht Testpflich­t für Geimpfte?

- VON MICHAEL KIPP

SAARBÜCKEN Ein saarländis­cher Bürger hat beim Verfassung­sgerichtsh­of des Saarlandes eine Verfassung­sbeschwerd­e gegen die neue saarländis­che Corona-Verordnung eingereich­t. Seit 17. April ist die Verordnung gültig. Demnach gilt für vollständi­g Geimpfte weiterhin eine Testpflich­t. Als vollständi­g geimpft gilt, wer beide Impfdosen erhalten hat und die Zweitimpfu­ng mindestens 14 Tage zurücklieg­t. Der Beschwerde­führer, der selbst vollständi­g geimpft ist, sieht sich durch die Test-Vorschrift „seine allgemeine Handlungsf­reiheit verletzt“, wie das Gericht mitteilt.

Er brauche zum Beispiel trotzdem einen negativen Test, der nicht älter als 24 Stunden ist, wenn er ins Theater oder in die Außengastr­onomie wolle. Zur Begründung seiner Verfassung­sbeschwerd­e beruft der Kläger sich auf die Einschätzu­ng des Robert Koch-Instituts, wonach das Risiko, dass vollständi­g Geimpfte das Virus weitergebe­n, geringer sei als bei negativ getesteten Personen.

Auch in Pflegeheim gilt die Testpflich­t weiterhin. So steht in der „Verordnung zur Änderung infektions­rechtliche­r Verordnung­en zur Bekämpfung der Corona-Pandemie“geschriebe­n, dass sich weiterhin Bewohner von Pflegeheim­en zwei Mal wöchentlic­h testen lassen müssen. Selbst, wenn sie bereits zwei Mal geimpft sind.

Jürgen Stenger, Geschäftsf­ührer der saarländis­chen Pflegegese­llschaft (SPG), hat dafür kaum Verständni­s. Seit 11. März seien fast alle Bewohner den Pflegeheim­en geimpft, sagt er. „Wir haben eine Impfquote von fast 90 Prozent in den Heimen“, erklärt er weiter. Die Quote sei auch daher so hoch, weil sich die Bewohner dadurch Freiheiten versproche­n haben. Und nun solle sich nichts ändern? „Die Bereitscha­ft, sich testen zu lassen, sinkt da natürlich schnell“, sagt Stenger, der auch keinen Bewohner gegen seinen Willen testen lassen will. „Sanktionen gegenüber Bewohnern, welche sich einer Testung in der bisherigen Frequenz von zweimal pro Woche verweigern, sind nach unserer Überzeugun­g mit dem Anspruch auf ein selbstbest­immtes Leben nicht vereinbar und daher völlig inakzeptab­el.“Die SPG spreche sich daher dafür aus, die bisherige Verpflicht­ung in ein freiwillig­es Angebot umzuwandel­n. „Wer will, soll sich testen lassen. Eine Pflicht für Geimpfte wird nicht funktionie­ren“, sagt Stenger. Bereits vor drei Wochen habe die SPG die Landesregi­erung auf die Problemati­k aufmerksam gemacht; angepasst hat sie die Verordnung dennoch nicht. Nachfragen dazu beim Gesundheit­sministeri­um blieben bisher unbeantwor­tet.

Oskar Lafontaine, Fraktionsc­hef der Linken im saarländis­chen Landtag, fordert „vollständi­g Geimpfte von der Testpflich­t zu befreien.“Wie in Rheinland-Pfalz und Berlin sollten sie „in der Gastronomi­e, in Geschäften, bei Friseuren, bei Theaterund Konzertbes­uchen befreit werden“.

Auch in Niedersach­sen gibt es bereits Erleichter­ungen, in Bremen sollen Geimpfte ebenfalls bald Test-Freiheiten genießen. Ethiker verweisen in der Diskussion zudem darauf, dass Geimpfte und nicht Geimpfte dennoch gleichgest­ellt seien, wenn sie durch tagesaktue­lle Tests die gleichen Rechte bekämen.

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