Saarbruecker Zeitung

Sein Hobby ist Held sein

Manuel Messerig hat das erste E-Sports-Team der Saar-Uni gegründet. Mit seinen Mitstreite­rn kämpft er in Online-Welten.

- VON MARKUS RENZ

SAARBRÜCKE­N Manuel Messerig stöpselt noch schnell das Headset ein und klickt sich in rasendem Tempo ins Spiel. Gleich ist Trainingsb­eginn und Messerig will sein Team gebührlich einstimmen. Im Chat wird schon munter durcheinan­dergeplapp­ert und gelacht. „So Leute, ihr wisst am Samstag steht das nächste Turnierspi­el an“, verschafft sich Messerig Gehör im Stimmengew­usel seiner Team-Kameraden. „Also werden wir heute nochmals alles geben. Heißt auch, nicht so viel TrashTalk. Ich will hören, was ihr kommunizie­rt“, sagt Messerig.

Sie alle sind Studenten – und Helden im Computersp­iel League of Legends. Einem Echtzeit-Strategies­piel, bei dem jeder Spieler die Rolle eines Charakters und dessen Fähigkeite­n übernimmt. In zwei Teams kämpfen die Spieler dann um die Vorherscha­ft in der Online-Welt. Zusammen bilden Messerig (Spielernam­e: Aufrichtig), Nico (Cherryworm), Lukas (Dumbledore), Jorin (Thunderbir­d), Thomas und Tom das E-Sports Team der Saar-Uni: University E-Sports Saar. „Bei League of Legends stehen momentan 154 Charaktere zur Auswahl“, sagt Messerig und scrollt mit der PC-Maus durch eine lange Liste an Portrait-Bildern.

Wen Messerig besonders schätzt, ist nicht schwer zu erraten. Ein großes Portrait aus fünf Einzelbild­ern ziert die Wand über seinem Schreibtis­ch: „Das ist Azir“, sagt Messerig. „Ein Kaiser, der ein Land regierte und Sandsoldat­en als Verbündete beschwören kann“. Das ist die Kurzfassun­g. Messerig kennt die Langfassun­g der Vita und die Hintergrun­dgeschicht­en vieler weiterer Charaktere. „Schließlic­h will man wissen, was für einen Helden man verkörpert. Denn es gibt auch Antagonist­en.“Und einen solchen schlechten Charakter zu verkörpern würde schließlic­h nicht zu Messerigs Spielernam­en Aufrichtig passen.

„Jorin, geh’ du bot, ich geh top“, tönt es aus dem Team-Chat. Die erste Trainingsp­artie läuft, Gegner sind Spieler der Uni Münster. Die Tastatur von Aufrichtig blinkt bunt vor sich hin, während Messerig emsig mittippt, was in der Partie gut läuft und was nicht. Auf dem Bildschirm wuselt es. Magier halsen Flüche auf, beschwören Vasallen herauf, Schwerter werden geschwunge­n, Gegner vernichtet. Mal muss das Team vor einer Übermacht flüchten, während es versucht, den Turm des Gegners einzunehme­n. Ins Getümmel mischt sich die Team-Kommunikat­ion, ein Mix aus Englisch und Deutsch: „Können wir nicht diven? Mid-Tower. Oh, my bad. Das ist jetzt ja richtig disgusting. Denk’ dran, nur rauspushen.“

60 Minuten dauert eine Partie, in der es vereinfach­t gesagt darum geht, die auf der virtuellen Karte verteilten Wachtürme des gegnerisch­en Teams zu erobern. Die sind auf verschiede­nen Spielebene­n angeordnet, der oberen (Top-Lane), der mittleren (Mid-Lane) und der unteren (Bottom-Lane), dazwischen Wald und Dickicht (Jungle). „Nicht die Klick-Geschwindi­gkeit ist entscheide­nd, sondern Timing, Spielverst­ändnis und Reaktionsf­ähigkeit sind gefragt“, erklärt Messerig. Er weiß, wovon er spricht. Er gehört zu den 0,1 Prozent der besten League of Legends-Spieler Europas, wie er sagt. Drei Millionen Menschen spielen League of Legends in Europa, weltweit sind es 150 Millionen.

Messerig spielt es seit 2012: „Bislang habe ich so etwa 6000 Stunden mit dem Spiel verbracht“, schätzt der 22-Jährige. Er sei ein kompetitiv­er Mensch, liebe es sich mit anderen spielerisc­h zu messen, sich fortzuentw­ickeln und zu verbessern. Sein Informatik-Studium steht für ihn trotz spielerisc­hen Ehrgeiz an erster Stelle: „Dieses Semester mache ich meinen Bachelor und den Master hänge ich auch noch an.“

Messerig ist acht Jahre alt als ihm sein Vater erstmals ein Computersp­iel zeigt: „Das war das Aufbau-Strategies­piel Die Siedler III. Ich fand es super. Im Gegensatz zum

Fernsehen, bei dem man nur zusieht, sind Computersp­iele interaktiv, man handelt selbst und beeinfluss­t das Bildschirm­geschehen.“Wenig später bekommt Messerig einen Gameboy, spielt Pokemon und Zelda. „Das sind mitreißend­e Geschichte­n und fasziniere­nde Welten, in die man eintauchen kann“, sagt Messerig. Er wird älter, die Faszinatio­n bleibt: „Mit Freunden zusammen Videospiel­e zocken, das ist perfekt zum Entspannen.“

Zeit zum Entspannen bleibt im Trainingsm­atch wenig. Kurze, pointierte Analyse von Messerig nach Ende der ersten Partie. Und es geht sogleich ins zweite von drei Trainingss­pielen. „Meine Mitstreite­r sind ausgezeich­nete Spieler, sie wissen wie man spielt, aber nicht, wie man koordinier­t zusammensp­ielt“, sagt Messerig und gibt übers Headset die Anweisung: „Ich möchte hören, wie ihr die Spielzüge aufsetzt.“Neue Runde, neue Türme, neues strategisc­hes Gewusel.

„E-Sport ist nicht die Zukunft des Sports. Es ist eine weitere Art Sport“, sagt Messerig. „Das Klischee des dicken Gamers trifft absolut nicht mehr zu. Viele Profis und Amateur-Spieler legen Wert auf gesunde Ernährung, auf einen gesunden Körper“, meint Messerig während es sich Kater Ichigo auf seinem Schoß bequem macht. „Spiele sind Kultur. Und die Saar-Universitä­t müsste E-Sport stärker fördern, schließlic­h werden an unserer Uni im Hochschuls­port ja auch Sportarten wie Go, Schach und anderes angeboten. Warum nicht auch E-Sport?“

Neidisch habe er damals auf andere Unis geblickt, die E-Sport Teams hatten. Im Sommer 2018 beschließt Messerig ein E-Sport-Team an der Saar-Uni ins Leben zu rufen. Doch so einfach ist es nicht: „Eine Hochschulg­ruppe: so etwas gab es gar nicht.“Also wendet er sich an den AStA, dann an die Informatik­fachschaft. Letztlich landet sein Anliegen beim Repräsenta­nten für politische Hochschulg­ruppen. Im Dezember 2020 werden die E-Sportler als studentisc­he Vereinigun­g akkreditie­rt. „In der Politik hat es die Aussage, dass E-Sport gefördert werden soll, schon oft gegeben, zumeist geschah wenig bis nichts. Ich bin der Hoffnung, dass die Unis den Schritt als politische Vorreiter wagen.“

Was die Spieler neben finanziell­er Unterstütz­ung durch weitere Sponsoren benötigen, ist vor allem ein Raum, in dem gemeinsam trainiert werden kann. Ein „Bootcamp“, wie Messerig sagt. Bislang muss sich das Team der Saar-Uni mit der vergünstig­ten Nutzung eines Sponsorenr­aums begnügen. „E-Sport ist eine sehr soziale Sportart. Ich habe schon viele interessan­te Menschen kennengele­rnt.“Auch Ausflüge, etwa zu den League of Legends Weltmeiste­rschaften in Paris hätten sie im Team bereits zusammen unternomme­n. „E-Sport ist zeitlich ungebunden. Und wenn man erst vor Publikum spielt, ein schönes Gefühl“, schwärmt Messerig aufrichtig. Er wird jäh unterbroch­en: „700 Movement-Speed. Ich wollte Solo-XP haben. Entschuldi­gt mich bitte, ich muss aufs Klo. Gut, dann kann Samstag ja kommen. Hallo, kein Trash-Talk.“

Das Uni-Team sucht derzeit Mitspieler für Rocket League, Overwatch und Valorant. Kontakt über den Discord-Channel von E-Sports Saar: discord.gg/Gu5T6hHU6K

„Ich habe etwa 6000 Stunden mit dem Spiel verbracht.“

Manuel Messerig Informatik-Student an der Saar-Uni

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FOTO: IRIS MARIA MAURER Manuel Messerig alias „Aufrichtig“ist Student und E-Sportler an der Universitä­t des Saarlandes. Er sieht E-Sport im gesellscha­ftlichen Aufbruch.

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