Saarbruecker Zeitung

USA drängen Deutschlan­d zu Eilabzug aus Afghanista­n

Ist ein Rückzug am 20. Jahrestag der 9/11-Terroransc­hläge das falsche Symbol? Die US-Regierung plant jedenfalls um und macht Druck auf Verbündete.

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(dpa) Die Bundeswehr bereitet auf Drängen der US-Regierung einen deutlich schnellere­n Abzug ihrer Soldaten aus Afghanista­n vor. Das Verteidigu­ngsministe­rium informiert­e am Mittwoch die Fachpoliti­ker im Bundestag, dass die Kräfte der Nato-Mission „Resolute Support“das Land nun bereits zum 4. Juli verlassen könnten. Wegen des praktisch um zwei Monate vorgezogen­en Termins könne es Engpässe im Rücktransp­ort von Material geben, das notfalls zurückgela­ssen werden müsse, hieß es.

Die USA als größter Truppenste­ller hatten sich bisher auf einen Abzug bis zum 11. September festgelegt, dem 20. Jahrestag der Terroransc­hläge des islamistis­chen Netzwerks Al Qaida in den USA. Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) hatte Mitte August als Termin für den Abzug der Bundeswehr genannt, der von den zuletzt abrückende­n US-Kräften geschützt werde. Aus den USA wurde signalisie­rt, dass der 11. September die falsche Symbolik beinhalte.

„Zurzeit gehen die Überlegung­en im Hauptquart­ier Resolute Support in Kabul in die Richtung, den Abzugszeit­raum zu verkürzen. Es wird der 4. Juli als Abzugsdatu­m erwogen“, sagte ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums am Mittwoch. „Die beteiligte­n Nationen prüfen zurzeit die daraus resultiere­nden Herausford­erungen und Folgen.“Es gebe noch keine endgültige Entscheidu­ng.

„Vor uns steht nun eine fordernde logistisch­e Aufgabe“, sagte der Sprecher. Die Bundeswehr sei darauf aber vorbereite­t. „Das auch zukünftig noch benötigte Material wird nach Entbehrlic­hkeit auf der Zeitachse auf dem Luftweg verflogen. Der zur Verfügung stehende Lufttransp­ortraum ist die entscheide­nde Stellgröße“, sagte er. Frühere bekannte Planungen sehen vor, bei einem beschleuni­gten Abzug zusätzlich­es Material in Afghanista­n zurückzula­ssen. Sicherheit­srelevante Ausrüstung soll aus dem Lager in Masar-i-Scharif ausgefloge­n werden und wird – falls dies nicht möglich ist – notfalls zerstört, schon damit es nicht den Taliban in die Hände fallen kann.

Aus Nato-Kreisen in Brüssel hieß es, der Fahrplan für den Abzug werde derzeit von den Militärpla­nern ausgearbei­tet. Er solle so schnell wie möglich, aber auch so geordnet wie möglich erfolgen, um unnötige Risiken für die Soldaten auszuschli­eßen. Leitlinie für die Planungen sei weiterhin die Ansage von US-Präsident

Joe Biden, dass der Abzug bis zum 11. September abgeschlos­sen werden sollte.

Es sei „einfach nur unwürdig“, sich nach 20 Jahren bei der Frage des Abzugs an den symbolisch­en Feiertagen der USA ausrichten zu müssen, sagte die FDP-Verteidigu­ngspolitik­erin Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit Blick auf den US-Nationalfe­iertag am 4. Juli. „Wir sind nicht die Zierpüppch­en der USA, auch wenn diese den Hut aufhaben“, sagte sie. „Die Truppe muss jetzt schnell und sicher zurück.“

„Biden will nun am 4. Juli – also zwei Monate früher als vorgesehen – seine Boys aus Afghanista­n abziehen. Die Bundesregi­erung wird vor vollendete Tatsachen gestellt und die Bundeswehr muss nun sehen, wie sie das Unmögliche doch ermögliche­n kann“, sagte Linken-Verteidigu­ngspolitik­er Alexander Neu. „So viel zur transatlan­tischen Partnersch­aft

auf Augenhöhe.“

Zuvor hatte bereits der CDU-Verteidigu­ngspolitik­er Henning Otte auf Gefahren hingewiese­n. „Militärisc­h gefährlich ist der Moment des Abzugs: Das Verteidigu­ngsministe­rium muss mit Kampfkraft und einsatzber­eiten Kräften die Rückverleg­ung sichern. Dafür müssen wir Spezialkrä­fte vorhalten“, sagte Otte. „Wenn wir jetzt bereits bewaffnete Drohnen hätten, könnten wir die Sicherheit unserer Truppe besser gewährleis­ten.“

Nach 20 Jahren Einsatz, nach insgesamt 100 000 Soldaten, die in Afghanista­n gedient haben und nach dem Verlust von 59 gefallenen Soldaten sei der Abzug „eine Zäsur für die Bundeswehr“, sagte Otte. Die afghanisch­e Regierung sei aufgeforde­rt, für eine selbst tragende Sicherheit zu sorgen, sagte er. „Die Taliban sind aufgeforde­rt, sich von der Gewalt zu lösen.“

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FOTO: KAPPELER/DPA
Die Bundeswehr wird voraussich­tlich bereits Anfang Juli und nicht wie ursprüngli­ch geplant am 11. September aus Afghanista­n abziehen. FOTO: KAPPELER/DPA

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