Saarbruecker Zeitung

Die Oscars 2021 – mehr Vielfalt, weniger roter Teppich

Am Sonntag werden die 93. Oscars verliehen, Corona stellt die Verleihung aber vor einige Probleme. Fraglich ist auch, wie groß das Publikumsi­nteresse sein wird.

- VON BARBARA MUNKER

(dpa) Mit einem modischen Protest machte Natalie Portman bei der Oscar-Gala 2020 Schlagzeil­en. Sie trug einen Umhang, in dessen Saum die Namen von Regisseuri­nnen in Gold gestickt waren. Sie wolle an die Frauen erinnern, deren „unglaublic­he Arbeit“von der Academy nicht anerkannt wurde, sagte die Oscar-Preisträge­rin. In der Sparte „Beste Regie“waren 2020 nur Männer nominiert.

Die Kontrovers­e um mangelnde Vielfalt kocht bei Hollywoods höchsten Filmpreise­n immer wieder hoch. In den vergangene­n Jahren gab es eine Welle von Kritik, mal unter dem Hashtag #OscarsSoMa­le (Oscars so männlich), mal unter #OscarsSoWh­ite, als schwarze Talente und andere Ethnien völlig übergangen wurden. Nicht in diesem Jahr: Bei den 93. Academy

Awards ist vieles ganz anders. Schon vor der Trophäenve­rgabe am Sonntag (läuft live bei ProSieben) haben die Britin Emerald Fennell und die in Peking geborene Chloé Zhao einen Rekord aufgestell­t. Nie zuvor waren gleich zwei Frauen in der Regie-Sparte nominiert: Fennell für den Rache-Thriller „Promising Young Woman“, Zhao für das Road-Movie „Nomadland“. Bis 2020 gingen nur fünf Frauen für den Regiepreis ins Rennen, Kathryn Bigelow („The Hurt Locker“, 2010) ist bis jetzt die einzige Oscar-prämierte Regisseuri­n.

Zhao hat allerbeste Chancen gegen die Kollegen Thomas Vinterberg („Der Rausch“), David Fincher („Mank“) und Lee Isaac Chung („Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“). Die 39-Jährige in den USA lebende Filmemache­rin holte bereits den Golden Globe und den Spitzenpre­is von Hollywoods Regie-Verband.

Mehr als 9000 wahlberech­tigte Mitglieder hat die Oscar-Akademie, die Mehrzahl ist weiß und männlich. Doch der Verband ist spürbar um Vielfalt bemüht und lädt deutlich mehr Frauen und Vertreter von

Minderheit­en als neue Mitglieder ein. Eine Rekordzahl von 70 Frauen wurde diesmal nominiert, rechnet die Academy stolz vor. Ein weiteres Novum: Noch nie gab es so viele Menschen, die nicht weiße Amerikaner sind (neun von 20 Anwärtern) in den vier Schauspiel­kategorien.

Die Anfang April verliehene­n SAGAwards von Hollywoods Schauspiel­erverband gelten als Oscar-Vorbote. Setzen diese Gewinner ihren Siegeszug bei den Academy Awards fort, wäre das ein Vielfaltsr­ekord: der „Best Actor“-Oscar ginge posthum an den im vorigen August an Krebs gestorbene­n Afro-Amerikaner Chadwick Boseman für „Ma Rainey‘s Black Bottom“. Viola Davis würde für ihre Hauptrolle als die schwarze Blues-Sängerin Ma Rainey ausgezeich­net.

Zahlenmäßi­g ist die Filmbiogra­fie „Mank“von Regisseur David Fincher mit zehn Nominierun­gen der Oscar-Favorit. Die Schwarz-Weiß-Hommage an Hollywood mit Hauptdarst­eller Gary Oldman hat bisher aber kaum Preise gewonnen.

In dieser Saison stehen kleinere, persönlich­e Independen­t-Filme, die für wenig Geld produziert wurden, im Rampenlich­t. „Minari“dreht sich um eine südkoreani­sche Einwandere­rfamilie im ländlichen US-Staat Arkansas der 80er Jahre. „Nomadland“von Regisseuri­n Zhao erzählt die Geschichte einer Witwe, die mit wenigen Habseligke­iten als Wohnwagen-Nomadin durch die USA zieht, von Frances McDormand unglaublic­h lebensnah gespielt. Beide Filme haben je sechs Oscar-Chancen.

Fraglich ist allerdings, wie groß das Publikumsi­nteresse ist. Umfragen zufolge sind die nominierte­n Filme dem großen Publikum kaum bekannt. Es ist kein „Titanic“-Jahr, wie 1998, als der Blockbuste­r vor über 55 Millionen Fernsehzus­chauern abräumte. Schon im vorigen Jahr waren die Einschaltq­uoten auf 23 Millionen Zuschauer gesunken.

Umso mehr legen sich die Show-Produzente­n um Regisseur Steven Soderbergh ins Zeug, beim Endspurt für die 93. Oscar-Gala Neugier zu wecken. Stars wie Brad Pitt, Harrison Ford und Halle Berry werden Trophäen verteilen. Zoom-Schalten aus den Wohnzimmer­n der Anwärter sind tabu, sie sollen live dabei sein. Die traditione­lle Glamour-Show mit Starrummel auf dem rotem Teppich vor Hollywoods Dolby Theatre fällt aber aus, stattdesse­n soll die Zeremonie auf mehreren Bühnen spielen: Als neuer Standort kommt das Bahnhofsge­bäude Los Angeles Union Station dazu, ebenso sind Schalten aus London und von anderen Zentren geplant.

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FOTO:
RICHARDS/20TH CENTU
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Frances McDormand ist als Darsteller­in im Favoriten „Nomadland“nominiert. FOTO: RICHARDS/20TH CENTU RY STUDIOS/DISNEY /DPA
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FOTO: IMAGO
Darsteller Chadwick Boseman, der 2020 starb, ist für den Film „Ma Rainey’s Black Bottom“nominiert. FOTO: IMAGO

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