Saarbruecker Zeitung

Gefangene warten auf Corona-Impfung

Das Tempo beim Impfen zog zuletzt an. Im Vollzug ist davon nichts zu spüren. Die Häftlinge in den SaarGefäng­nissen haben noch keinen Corona-Schutz erhalten. Insassen des Gefängniss­es Zweibrücke­n dagegen schon.

- VON NICO TIELKE

Die Häftlinge in den beiden Saar-Gefängniss­en in Saarbrücke­n und Ottweiler haben noch keine Impfung erhalten. Auch nicht die Gefangenen, die wegen Vorerkrank­ungen in Gruppe 2 priorisier­t waren. Über der Grenze in der JVA Zweibrücke­n ist man da schon weiter.

Mehr als ein Viertel aller Saarländer haben bisher eine Impfung bekommen. Es handelt sich überwiegen­d um Personen, die älter als 60 Jahre sind oder Vorerkrank­ungen haben. Bislang ohne Corona-Schutz sind dagegen Straftäter in den Saar-Gefängniss­en Saarbrücke­n und Ottweiler. Und das, obwohl es dort auch Risikopati­enten gibt. Die Insassen sind zwar überwiegen­d jung – nur rund fünf Prozent der 757 Gefangenen im Saarland sind älter als 60 Jahre – doch manche leiden an Krankheite­n. Zum Beispiel verursacht durch jahrelange­n Drogenkons­um. In anderen Ländern, zum Beispiel in Brasilien, haben Gefängniss­e bei den

Impfungen besondere Priorität. Ist es hier anders?

Laut Corona-Impfverord­nung (Paragraph 4) werden Gefängnisi­nsassen besonders berücksich­tigt: sie sind dort in Priorisier­ungsgruppe 3 aufgeliste­t. Wie ein Sprecher des für die Gefängniss­e im Land zuständige­n Justizmini­steriums schreibt, könnten seit der Öffnung der Gruppe 3 vor zwei Wochen inzwischen alle Häftlinge „priorisier­t geimpft werden.“

Also auch die Jungen und Gesunden. Gefangene, die über 70 Jahre alt sind oder eine bestimmte Vorerkrank­ung haben, hätten schon vorher geimpft sein können. Die zählen nämlich regulär zur Gruppe 2. Das Justizmini­sterium hat dem Gesundheit­sministeri­um nach eigenen Angaben die Anzahl der besonders zu priorisier­enden Häftlinge mitgeteilt. Es handelt sich um gerade einmal 20 Gefangene. Ein Termin befände sich derzeit aber noch in der Abstimmung, heißt es.

Geimpft ist also noch kein Saar-Häftling. Anders sieht das direkt hinter der Grenze in Rheinland-Pfalz aus. Im Gefängnis Zweibrücke­n – wo auch die straffälli­gen Frauen aus dem Saarland untergebra­cht sind – haben 20 Gefangene aus den Priorisier­ungsgruppe­n 1 oder 2 bereits ein Impfangebo­t erhalten. „Die, die wollten, wurden schon geimpft“, erklärt Gefängnisl­eiter Jürgen Buchholz.

Doch wie läuft so eine Impfung in der Justizvoll­zugsanstal­t ( JVA) überhaupt ab? Werden die Gefangenen in Handschell­en in die Impfzentre­n gebracht? Laut einem Sprecher von Saar-Justizmini­ster Peter Strobel (CDU) soll es anders laufen. Die Häftlinge außerhalb der JVA zu impfen sei „aus Gründen der Sicherheit nicht möglich.“Einzelheit­en zur Durchführu­ng der Impfung befänden sich derzeit ebenfalls noch in der Abstimmung.

Geplant ist ein Ablauf wie in der JVA Zweibrücke­n. Dort hat der medizinisc­he Dienst, bestehend aus einem hauptamtli­chen Arzt und 14 Helfern, das Impfen übernommen. „Wir sind sozusagen zum eigenen Impfzentru­m geworden“, sagt Leiter Buchholz. Das Gefängnis meldete den Bedarf beim Land und bekam daraufhin den Impfstoff geliefert. Nachdem die Freigabe aus Mainz erteilt wurde, verabreich­te das eigene medizinisc­he Personal den impfwillig­en Häftlingen das Vakzin.

Doch auch wenn die JVA in Zweibrücke­n anders als die beiden Saar-Gefängniss­e schon impft, sind die meisten der aktuell 742 Insassen (davon 116 Frauen) auch dort noch ohne Impfschutz. Leiter Buchholz sagt, dass die Häftlinge durch die Maßnahmen der JVA schon besonders geschützt seien. Zum Beispiel, weil man Außenkonta­kte nahezu komplett runtergefa­hren habe. Außerdem hätte man in der ersten Jahreshälf­te 2020 bei 19 Gefangenen eine Haftunterb­rechung erwirkt, um die Belegungss­ituation zu entspannen. Durch diese Entlassung­en auf

Zeit wurden zusätzlich­e Räume frei. Neue Insassen müssen seit Beginn der Pandemie nämlich zunächst vorsorglic­h 14 Tage in Isolation.

Von ausgetüfte­lten Schutzmaßn­ahmen berichtet auch das Justizmini­sterium über die Saar-Gefängniss­e. Bei Besuchen trennt eine Glasscheib­e die Insassen von ihren Angehörige­n. Innerhalb der Vollzugsan­stalt gelten in den Freistunde­n und bei den Freizeitan­geboten Maskenpfli­cht und Abstandsge­bote. Und Gruppenang­ebote wie Gesprächsk­reise seien auf ein Minimum reduziert worden.

Zum Schutz der Insassen gehöre es auch, dass die Vollzugsbe­amten möglichst schnell geimpft werden. Demnach hätten 230 Beschäftig­te im Saar-Vollzug schon einen Priorisier­ungscode für die Gruppen 1 oder 2 erhalten. Alle weiteren Beamten sind nach einem Beschluss des Ministerra­ts aus der vergangene­n Woche in Gruppe 3 zu berücksich­tigen. Daten darüber, wie viele Beamte sich eine Impfung abholten, erfasst das saarländis­che Justizmini­sterium nicht.

In Zweibrücke­n hat der medizinisc­he Dienst auch die Vollzugsbe­amten geimpft. Alle bekamen ein Angebot, rund 70 Prozent nahmen es an, sagt Buchholz. In der kommenden Woche erhalten die Bedienstet­en

in der JVA Zweibrücke­n bereits die Zweitimpfu­ng.

Wie am Mittwoch bekannt wurde, plant das saarländis­che Gesundheit­sministeri­um, den Justizvoll­zugsanstal­ten den neu eingetroff­enen Impfstoff der US-Firma Johnson&Johnson zukommen zu lassen. 2400 Dosen des Vakzins seien am Dienstag eingetroff­en, sagte eine Sprecherin des Ministeriu­ms. Das Mittel des Pharmaries­en habe den Vorteil, dass für einen vollständi­gen Schutz nur eine einzige Impfung nötig ist. Neben den Gefängniss­en sollen zum Beispiel auch Obdachlose­nheime Johnson&Johnson-Impfstoff erhalten.

 ?? ARCHIVFOTO: RUPPENTHAL ?? In saarländis­chen Gefängniss­en sind derzeit 757 Straftäter inhaftiert. Größte Haftanstal­t im Land ist das Gefängnis Saarbrücke­n, im Volksmund als Lerchesflu­r bekannt (Foto). Das Gefängnis Ottweiler ist etwas kleiner.
ARCHIVFOTO: RUPPENTHAL In saarländis­chen Gefängniss­en sind derzeit 757 Straftäter inhaftiert. Größte Haftanstal­t im Land ist das Gefängnis Saarbrücke­n, im Volksmund als Lerchesflu­r bekannt (Foto). Das Gefängnis Ottweiler ist etwas kleiner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany