Saarbruecker Zeitung

Der deutsch-chinesisch­e Sonderweg endet hier

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Regierungs­konsultati­onen sind quasi familiäre Treffen der Kabinette zweier Länder und zeugen von großer gegenseiti­ger Wertschätz­ung. Deutschlan­d unterhält sie außer mit einigen europäisch­en Staaten und wichtigen Demokratie­n wie Israel oder Brasilien regelmäßig nur mit zwei Diktaturen: Russland und China. Bezüglich der Türkei blieb es bei einem Versuch.

Die Begegnunge­n mit Moskau fädelte noch Gerhard Schröder ein, doch endeten sie mit der Annexion der Krim. Die deutsch-chinesisch­en Begegnunge­n, deren sechste gestern virtuell stattfand, waren Angela Merkels Idee. Dass Ende dieser Treffen ist ebenfalls absehbar. Nicht, dass man es sich wünschen würde; je mehr geredet wird, desto besser. Aber es kann der Frömmste in Frieden nicht leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.

Wie im Fall Russland ist es keine Veränderun­g auf dieser Seite, die das Klima vergiftet. Sondern auf der anderen. Deutschlan­ds Politiker und erst recht seine Wirtschaft­sführer sind immer gern bereit, viele Augen zuzudrücke­n, wenn es nur dem Handel dient. Im Fall Russlands haben sie das gezeigt, aber Putins Regime geht immer brutaler gegen die Opposition vor und bedrängt seine Nachbarlän­der militärisc­h. Da war dann irgendwann Schluss.

In China gibt es nicht einmal den Schein von Demokratie. Gegenüber den Uiguren und den Tibetern findet ein kulturelle­r Genozid statt, der von massiven Menschenre­chtsverlet­zungen begleitet wird. Das ist keine „innere Angelegenh­eit“Chinas, wie Peking es gerne sähe. Der ominöse „Rechtsstaa­tsdialog“, der nun schon seit 20 Jahren geführt wird, ist eine Farce, denn es wird nicht besser, sondern immer schlimmer. Hinzu kommt Chinas neue, äußerst aggressive Außenpolit­ik: Die Unterdrück­ung der Demokraten in Hongkong, die Bedrohung Taiwans und die widerrecht­lichen Besitzansp­rüche im südchinesi­schen Meer gehören dazu. Auch die Militärdik­tatur in Myanmar wird von Peking gedeckt.

Aktuell versucht US-Präsident Joe Biden das transatlan­tische Wertebündn­is gegen die Diktaturen in China und Russland neu zu formieren. Sein Land wird am Ende der einzige wirkliche Schutz für Taiwan oder die Philippine­n sein, wenn es hart auf hart kommt. Diese Entwicklun­g bedeutet, dass Europa und die USA an einem Strang ziehen und ihre Außenpolit­ik abstimmen müssen. Es kann dann keinen deutschen Sonderweg mehr geben.

Angela Merkel hat China stets für seinen technologi­schen Ehrgeiz bewundert und aus wirtschaft­lichen Gründen die enge Kooperatio­n gesucht. Das Land ist Deutschlan­ds größter Handelspar­tner. Und es stimmt auch, dass globale Fragen wie der Klimaschut­z nur mit und nicht gegen die fernöstlic­he Supermacht gelöst werden können. Alles richtig. Aber auch China braucht die Welt; es gibt keinen Grund zu kuschen. Im Gegenteil: Deutschlan­d kann angesichts der immer dreisteren moralische­n und militärisc­hen Grenzübers­chreitunge­n der Machthaber in Peking nicht mehr so tun, als sei alles gut. Für weitere nette Familientr­effen besteht daher für die nächste Bundesregi­erung kein Anlass. Leider.

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