Saarbruecker Zeitung

Verfassung­sschutz beobachtet Teile der „Querdenken“-Bewegung

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(dpa) Das Bundesamt für Verfassung­sschutz beobachtet Personen und Gruppen innerhalb der Querdenker-Bewegung. Das teilte das Bundesinne­nministeri­um am Mittwoch in Berlin mit. Damit darf der Verfassung­sschutz nun beispielsw­eise bundesweit Daten zu bestimmten Personen aus der Szene sammeln. Insgesamt befürchtet die Behörde, dass die im Zuge der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen verbreitet­en Verschwöru­ngstheorie­n auch nach dem Ende der Pandemie nicht ganz verschwind­en werden.

Die Kölner Behörde brütete mehrere Monate über dieser Entscheidu­ng, auch weil das Spektrum der Protestier­enden sehr heterogen ist. Da gehören etwa Esoteriker dazu, sogenannte Reichsbürg­er, Impfgegner und Anhänger unterschie­dlicher Weltanscha­uungen. Ende 2020 hatte der Präsident des Bundesamte­s, Thomas Haldenwang, noch gesagt: „Ich habe die Hoffnung, dass diese Bewegung mit ihren Verschwöru­ngstheorie­n nach dem Ende der Corona-Pandemie wieder in den Hintergrun­d verschwind­et. So ähnlich wie wir es bei der ausländerf­eindlichen Pegida-Bewegung beobachtet haben, die ja auch nach dem Rückgang der Flüchtling­szahlen allmählich in sich zusammenge­fallen ist.“

Da die Bewegung keinem der bisher bekannten Phänomenbe­reiche wie etwa Rechtsextr­emismus, Linksextre­mismus oder Islamismus zuzuordnen sei, habe der Verfassung­sschutz eine neue Kategorie geschaffen, teilte das Innenminis­terium mit. Sie nennt sich „Verfassung­sschutzrel­evante Delegitimi­erung des Staates“. Die neue Kategorisi­erung ermögliche sowohl eine Bearbeitun­g als Verdachtsf­all als auch als erwiesen extremisti­sche Bestrebung. Bei einem Verdachtsf­all sieht der Verfassung­sschutz gewichtige Anhaltspun­kte für verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en.

Damit kann das Bundesamt Betroffene unter strengen Voraussetz­ungen systematis­ch beobachten und heimlich Informatio­nen beschaffen, etwa durch Observatio­n oder die Anwerbung von Informante­n. Die Überwachun­g von Telefonate­n zum Beispiel muss aber genehmigt werden. Wenn sich der Verdacht für den Verfassung­sschutz zur Gewissheit erhärtet, folgt die Einstufung als erwiesen extremisti­sche Bewegung.

Legitime Proteste und Demonstrat­ionen gegen die Corona-Politik würden dabei immer wieder, in jüngerer Zeit zunehmend, instrument­alisiert, und es würden Eskalation­en provoziert, begründete das Ministeriu­m. Anmelder und Organisato­ren von Demonstrat­ionen „zeigen zum Teil deutlich, dass ihre Agenda über die reine Mobilisier­ung zu Protesten gegen die staatliche­n Corona-Schutzmaßn­ahmen hinausgeht“.

Verbindung­en zu „Reichsbürg­ern“und „Selbstverw­altern“sowie Rechtsextr­emisten seien „in Kauf genommen oder gesucht, das Ignorieren behördlich­er Anordnunge­n propagiert und letztlich das staatliche Gewaltmono­pol negiert“worden. Dies sei insgesamt geeignet, das Vertrauen in die staatliche­n Institutio­nen und seine Repräsenta­nten nachhaltig zu erschütter­n.

„Reichsbürg­er und Selbstverw­alter“zweifeln die Legitimitä­t der Bundesrepu­blik Deutschlan­d an. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Die Sicherheit­sbehörden rechneten der Szene zuletzt rund 19 000 Menschen zu, darunter etwa 950 Rechtsextr­emisten.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hatte Mitte April bereits gesagt, dass er mit einer bundesweit­en Beobachtun­g der Querdenken-Bewegung rechne. „Wir haben diese Szene von Anfang an stark im Blick. Wir schauen uns genau an, wer da teilnimmt und wie das Verhalten ist“, erklärte er.

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