Flucht vor den Nazis als Grundstein für Paralympics
(him) Am Anfang stand Sir Ludwig Guttmann. 1899 in Oberschlesien geboren, flüchtete der Neurologe 1939 vor den Nazis nach England, nachdem er als jüdischer Chefarzt in Breslau entlassen worden war. Im Auftrag der britischen Regierung baute er ab 1943 eine Spezialklinik für Verletzungen der Wirbelsäule auf. Sein Gedanke war es, das Potenzial des Sports auch für Menschen mit Behinderung nutzbar zu machen. Dabei dachte er zunächst an Kriegsheimkehrer,
die durch schwere Verletzungen auf den Rollstuhl angewiesen waren. Im Vordergrund standen die medizinische Rehabilitation, aber auch die sportliche. Das ist auf der Homepage des Deutschen Behindertensportverbandes nachzulesen.
Zeitgleich mit den Olympischen Spielen in London gingen 1948 im südenglischen Aylesbury die „Stoke Mandeville Games“über die Bühne. 16 Rollstuhlfahrer stellten ihre Fähigkeiten im Bogenschießen auf dem Außengelände des Stoke Mandeville Hospitals, das dem Sportfest fortan seinen Namen gab, unter Beweis. Die Stoke Mandeville
Games wurden damit zum Vorläufer der Paralympics. Blieben diese zunächst „very british“, wurden sie 1952 durch die Teilnahme einiger niederländischer Aktiver zum internationalen Sportfest mit 130 Teilnehmern aufgewertet. Vier Jahre später waren bereits 18 Nationen vertreten. Die Spiele blieben vorerst auf die Zielgruppe der Rollstuhlfahrer beschränkt, allerdings wurde das Programm um die Sportarten Rollstuhlbasketball, Leichtathletik, Snooker und Tischtennis stetig ausgeweitet.
Ein erster Meilenstein folgte 1960 mit der Verlagerung der Spiele nach Rom und deren späterer Aufwertung
als erste „Paralympic Games“. In Rom waren bereits 400 Athletinnen und Athleten aus 23 Nationen am Start. Seitdem finden die Spiele alle vier Jahre statt. Amputierte und Sehbehinderte nahmen erstmals 1976 in Toronto an den Wettkämpfen teil. Zwischen 1968 und 1984 musste mehrfach an andere Orte ausgewichen werden – mal stand kein Geld zur Verfügung, mal gab es keine rollstuhlgerechten Unterkünfte.
Anlässlich der Spiele 1988 in Seoul wurde erstmals der Begriff „Paralympics“verwendet. Vermutlich handelt es sich hierbei um eine Zusammensetzung der Worte „Paralyse“
(Lähmung) und „Olympics“. Es gibt aber auch andere Deutungsansätze. Der Standard von Seoul hat sich über Barcelona (1992) bis London (2012) dann stetig weiterentwickelt.
Die Paralympics haben sich als drittgrößtes Sportfest der Welt, neben den Olympischen Spielen und der Fußball-Weltmeisterschaft, etabliert. In Rio traten 4350 Sportler aus 176 Nationen in 528 Medaillenentscheidungen an. In Tokio finden innerhalb von 13 Tagen 539 Medaillen-Wettbewerbe in 22 Sportarten statt. Dabei geben die Sportarten Badminton und Taekwondo ihr paralympisches Debüt.