Ein „Pfannimobil“voller Kunst und Kuriositäten
„Brüderchen und Schwesterchen“, Katharina und Rüdiger Krenkel, rollen gegen den Corona-Frust an. Sie haben das wahrscheinlich originellste Museum der Republik gebaut.
Tatsächlich sollen auch die Inhalte des Pfannoptikums sich an den Panoptika und Wunderkammern der Spätrenaissance und des Barock orientieren, in denen sich wunderliche Skurrilitäten unspezifisch mischten – von exotischen Artefakten über Kunsthandwerk, wissenschaftliche Gerätschaften und naturwissenschaftliche Sensationen bis hin zu gruseligen alchemistischen Merkwürdigkeiten.
Diese wilde Urform musealer Sammlungen, oft in Privatbesitz und gegen Eintritt ausgestellt, greift das Duo auf und bestückt sein rollendes Kuriositätenkabinett mit Fundobjekten und Kunstgegenständen aus eigener Manufaktur, die sich wiederum häufig an der Natur orientiert.
Da finden sich beispielsweise Vogelnester oder ein Stück Schwemmholz neben einem riesigen handgeschmiedeten Schraubenschlüssel, der mutmaßlich aus der Völklinger Hütte stammt.
Die organischen Stoffobjekte der Handarbeitsartistin Katharina kontrastieren mit den strengeren Metall-, Stein- und Holzobjekten ihres Bruders Rüdiger. Und dass ein filigranes, rundes Häkeldeckchen direkt neben einem massiven Zahnrad zu liegen kommt, ist durchaus beabsichtigt:
Krenkel & Krenkel spielen ganz bewusst mit den Ähnlichkeiten und Kontrasten von Form und Material.
Die Inhalte des rollenden Museums sind variabel und können an die Bedürfnisse unterschiedlicher Publikumsgruppen angepasst werden. Klar, dass momentan auch einer von Katharinas Corona-Viren an Bord ist. Er gehört zu ihrem „Mikromysterium“, einem gehäkelten Kosmos aus Krankheitserregern, der ein wahres Planetensystem
aus Viren, Bakterien und Bazillen abbildet.
Die beiden Geschwister sind bei Stuttgart aufgewachsen und haben schon als Kinder zusammen Projekte ausgeheckt – da gab’s eine gemeinsame Band, ein Kunsthandwerk-Atelier im heimischen Keller, eine eigene Zeitung.
Und beide haben an der Hochschule der Bildenden Künste Saarbrücken (HBK) studiert; Rüdiger gehörte gar zum ersten Studiengang, der in der Handwerkergasse beim Völklinger Weltkulturerbe sein Quartier aufschlug.
Doch während Katharina im Saarland blieb, um von Köllerbach aus die Welt mit ihren fantastischen Stoffplastiken zu verblüffen, verschlug es den gelernten Steinmetz Rüdiger nach Mannheim, wo er in seiner Werkstatt auf der Friesenheimer Insel spektakuläre riesige und teils windbewegte (Außen-)Skulpturen entwirft.
Das 40 Jahre alte Pfannimobil, einen voll verkehrstauglichen 1,4-Tonner Mercedes Diesel, hatte er schon vor längerer Zeit auf Ebay gesteigert – ohne zu ahnen, wofür der mal gut sein könnte.
Aber Not macht bekanntlich erfinderisch, insofern wirkte der Lockdown als künstlerischer Katalysator. „Unter diesen Umständen muss man nicht nur bei der Produktion kreativ sein, sondern auch in der Vermittlung!“, meint Katharina Krenkel. „Ich leide ohnehin unter diesem Klischee des Künstlers als Bohémien, der in seinem Elfenbeinturm darauf wartet, entdeckt zu werden.“
Überhaupt sind die beiden Geschwister als gebürtige Schwaben mit protestantischer Arbeitsmoral gesegnet und ausgesprochene Schaffer – zwei Anpacker, weswegen sie bei ihrem rollenden Museum auch demonstrativ rustikale Arbeitskittel tragen.
Ehrensache, dass Rüdiger die voll verglaste, verspiegelte und beleuchtete Guckkasten-Vitrine des Museums komplett selbst gebaut hat. Tatsächlich fühle er sich bei der ganzen Sache weniger als Bildhauer denn als Schausteller, sagt er lachend: „Wie Anthony Quinn als der große Zampano in Fellinis ‚La strada‘.“
Schneller als gedacht kamen Förderzusagen
von Pro Ehrenamt und Saartoto: Die Magnetschilder mit dem Logo prangen an den Autotüren, die Eintrittskarten sind gedruckt, auch der Bauchladen ist schon bestückt. Rein theoretisch könnte das Pfannoptikum, unabhängig von Öffnungszeiten und Infrastrukturen, sofort losrollen und ganze Provinzen erobern.
Doch zunächst macht das mobile Museum erst mal bei Privatleuten Station, was „Brüderchen und Schwesterchen“, wie sie sich augenzwinkernd nennen, Gelegenheit bietet, die Choreographie ihrer Präsentation in Ruhe zu proben. Schließlich handelt es sich um eine Performance im öffentlichen Raum, inklusive hygiene-konformer Absperrungen und eines Leitsystems.
Außerdem kann das Pfannoptikum nicht fertig bestückt vorfahren, weil die Objekte oder die Guckkasten-Vitrine unterwegs Schaden nehmen könnten. Also muss vorm Transport alles sorgfältig verstaut werden; das Auspacken vor Ort gehört also mit zum Spektakel. Und obwohl ein solches Projekt natürlich auch die Routinen und Hierarchien des bürgerlichen Museumsbetriebs hinterfragt, beteuert Rüdiger Krenkel: „Wir wollen nicht politisch sein!“
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