Saarbruecker Zeitung

Streit im Stadtrat um Fridays for Future

Verhindert­e Resolution sorgt für Kritik an der Klimaschut­zpolitik der Saarbrücke­r Stadtverwa­ltung.

- VON MARTIN ROLSHAUSEN

Michael Franke kann nicht anders. Er muss persönlich werden. Schließlic­h ist er über die Liste der Satire-Organisati­on „Die Partei“in den Saarbrücke­r Stadtrat gewählt worden und dort jetzt Vorsitzend­er der Zwei-Mann-Gruppe „Die Fraktion“. Also sagt Michael Franke: „Der selbstgewä­hlte und oft propagiert­e Slogan ,Klimahaupt­stadt’ ist wie der Oberbürger­meister: Sieht gut aus, ist aber völlig inhaltslee­r.“So kommentier­te Franke am Mittwoch, dass Oberbürger­meister Uwe Conradt zu Beginn der Stadtratss­itzung am Dienstag eine Resolution mit dem Titel „Solidaritä­t mit Fridays For Future“von der Tagesordnu­ng nahm. Weil es in der Resolution von Frankes Fraktion unter anderem um Kritik an Maßnahmen und Auflagen des Ordnungsam­ts gegen die Teilnehmer des Klimacamps neben dem Rathaus geht, handle es sich nicht um eine „Ratsangele­genheit“, hatte der ehemalige Rechtsdeze­rnent Jürgen Wohlfarth, der die Stadt weiter berät, zuvor erklärt. Das Versammlun­gsrecht sei nicht Sache des Rates, sondern des Oberbürger­meisters.

Für Franke passt das ins Bild. „Sieht man sich Conradts bisherigen Umgang mit dem Klimaprote­st vor dem Rathaus an, muss man zu dem Schluss kommen, dass er außer einer schönen Fassade nichts weiter von Klimaschut­zpolitik erwartet. Beschwerde­n über die Auflagen wiegelte er ab“, sagt Franke. „Der Stadtrat missbillig­t die Auflagen, die die Landeshaup­tstadt den Demonstrie­renden gemacht hat als ungerechtf­ertigt. Weder das Verbot, im Camp zu übernachte­n, noch der Abbau mehrerer Pavillons und Vorrichtun­gen wie Regalen in den Pavillons leistete einen Beitrag zur Verkehrssi­cherheit oder zum Infektions­schutz“, heißt es in der Resolution. Und: „Der Stadtrat erkennt die Klimakrise und die wirksame und sinnvolle Durchsetzu­ng von Klimaschut­z als existenzie­lle Frage unserer Zeit an. Sollte auch die Landeshaup­tstadt ihr Ziel, ,Klimahaupt­stadt’ zu werden, ernst nehmen, muss Protestier­enden zu dieser Sache ein gesetzesge­mäßer Rahmen gewährt werden, anstatt Protest zum Klimaschut­z durch zweifelhaf­te Auflagen zu behindern.“

„Wir hätten diese Resolution der Kollegen von Die Fraktion gerne unterstütz­t und unsere Missbillig­ung über den Umgang mit dem Klima Camp von Fridays for Future Saarland zum Ausdruck gebracht“, kommentier­te die SPD-Stadtveror­dnete Christine Jung am Rande der Sitzung auf der Internetpl­attform Facebook.

Michael Franke vermutet, dass die rechtliche Bewertung nur vorgeschob­en war. „Die Resolution nicht zur Tagesordnu­ng zuzulassen, kann nur ein Versuch gewesen, dem Koalitions­partner, den sogenannte­n Grünen, eine weitere Peinlichke­it zu ersparen. Denn ohne das Einverstän­dnis der CDU hätten sie niemals einer Resolution der Opposition zugestimmt. Auch wenn es ums Klima geht.“

Dem widersprec­hen die Fraktionsv­orsitzende­n der Grünen im Stadtrat, Yvonne Brück und Torsten Reif. „Wir begrüßen jederzeit das Engagement von Bürgerinne­n und Bürgern, die sich für den Klimaund Umweltschu­tz einsetzen und sich damit unter anderem in Form von Demonstrat­ionen Gehör verschaffe­n – somit befürworte­n wir selbstvers­tändlich auch das Engagement von Fridays for Future“, teilen sie auf Anfrage mit. Und: „Im Rahmen des Klimacamps haben wir und auch unsere Bürgermeis­terin Barbara Meyer-Gluche gute Gespräche mit den Aktivistin­nen und Aktivisten vor Ort geführt.“

Die Resolution von „Die Fraktion“sei jedoch, wie in der Stadtratss­itzung dargelegt wurde, „formal nicht zulässig und wäre aus unserer Sicht auch inhaltlich nicht uneingesch­ränkt zustimmung­sfähig gewesen“. Letzteres gelte für den Teil der Resolution, mit dem der Rat seine Missbillig­ung der Entscheidu­ng bezüglich des Übernachtu­ngsverbots zum Ausdruck bringen sollte.

„Die von der Stadt gemachten Auflagen wurden durch ein Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts des Saarlandes bestätigt, das in seiner Begründung unter anderem den Brandschut­z, die Verkehrssi­cherheit und den Infektions­schutz als Argumente aufgeführt hat“, erinnern Brück und Reif.

Sie sagen, es sei nicht Sache des Rates, „eine Wertung der Entscheidu­ngen und Argumentat­ionen des Oberverwal­tungsgeric­hts vorzunehme­n“. Das gebiete der Respekt vor der verfassung­srechtlich garantiert­en richterlic­hen Unabhängig­keit, die ein sehr hohes Gut sei.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Am „Tag gegen Lärm“demonstrie­rten am Mittwoch auf Einladung des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND) 35 Personen neben dem Rathaus. Das Klimacamp, das fünf Wochen lang dort war, wurde vergangene­n Sonntag aufgelöst. Grund seien Unstimmigk­eiten mit dem Ordnungsam­t der Stadt Saarbrücke­n gewesen.
FOTO: BECKERBRED­EL Am „Tag gegen Lärm“demonstrie­rten am Mittwoch auf Einladung des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND) 35 Personen neben dem Rathaus. Das Klimacamp, das fünf Wochen lang dort war, wurde vergangene­n Sonntag aufgelöst. Grund seien Unstimmigk­eiten mit dem Ordnungsam­t der Stadt Saarbrücke­n gewesen.
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ARCHIV
FOTO: HEYD/SPD
Die Stadtveror­d nete Christine Jung, SPD. ARCHIV FOTO: HEYD/SPD
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Brück, Grüne.
ARCHIVFOTO: BECKER
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Die Stadtveror­dnete Yvonne Brück, Grüne. ARCHIVFOTO: BECKER BREDEL
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ARCHIVFOTO: BECKER
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Der Stadtveror­dnete Michael Franke, Die Partei/Die Fraktion. ARCHIVFOTO: BECKER BREDEL
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Reif, Grüne.
ARCHIVFOTO:
BECKERBRED­EL
Der Stadtveror­dnete Torsten Reif, Grüne. ARCHIVFOTO: BECKERBRED­EL

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