Saarbruecker Zeitung

DFB-Chef Keller schließt Rücktritt weiter aus

Der DFB-Präsident schließt nach seinem Nazi-Vergleich einen Rücktritt weiter aus. Dem DFB droht in seinem Machtkampf nun eine Eskalation.

- VON PATRICK REICHARDT

DFB-Präsident Fritz Keller hofft nach seiner Entgleisun­g auf ein Abflauen des Kritikstur­ms und schließt einen Rücktritt aus. Dass es trotz seines Nazi-Vergleichs kaum Rücktritts­forderunge­n gibt, liegt auch am Machtkampf im Verband.

(dpa) Um Fritz Keller ist es sehr schnell sehr einsam geworden. Nur eineinhalb Jahre nach einem Traumstart ohne Gegenstimm­e ist der DFB-Präsident nach einem Nazi-Vergleich an einem derartigen Tiefpunkt angelangt, dass sich unweigerli­ch die Fragen stellen: Wie lange kann Keller den öffentlich­en Druck aushalten? Und war die schwere verbale Entgleisun­g der eine Fehltritt zu viel, der eine weitere Zusammenar­beit in den dauerkrise­ngeplagten und heillos zerstritte­nen Führungsgr­emien des Deutschen Fußball-Bundes ab sofort unmöglich macht?

Keller schließt derzeit einen Rücktritt aus und will sich zumindest bis zu einem vorgezogen­en DFB-Bundestag im Amt halten. Er hofft wohl, dass der Sturm der Kritik bald nachlässt. Der 64 Jahre alte Winzer aus Freiburg hatte seinen Vizepräsid­enten Rainer Koch bei einer Präsidiums­sitzung am vergangene­n Freitag mit Nazi-Richter Roland Freisler verglichen. Der DFB äußerte sich nicht zu Einzelheit­en, bestätigte aber eine Entschuldi­gung Kellers.

Für den als Reformer angetreten­en Keller ist der Fehltritt ein schwerer Schlag, der ihn das Vertrauen und den Rückhalt derer kosten könnte, die ihn bisher gestützt haben. Unisono verurteilt­en mehrere Landesverb­ände sowie die Deutsche Fußball Liga, die im Machtkampf mit Generalsek­retär Friedrich Curtius eher dem Lager des Präsidente­n zugerechne­t werden, die Aussagen.

Rücktritts­forderunge­n gab es hingegen kaum, was weniger an der Schwere der Aussagen, sondern mehr an der Gesamtsitu­ation des DFB liegen dürfte. Viele Vertreter wollen erst recht nicht, dass die andere Seite um Koch und Curtius als Sieger aus dem öffentlich und eifrig ausgefocht­enen Duell hervorgeht. Das Duo ist beim größten nationalen Sportfachv­erband der Welt schon lange in der Verantwort­ung und blieb es auch stets, wenn an der Spitze Präsident um Präsident ins Aus stolperten.

Für Curtius, der in der Verbandsze­ntrale in Frankfurt über eine gewisse Hausmacht verfügt, war Kellers bislang schwerster Fehler eine

Art Steilvorla­ge. Der Generalsek­retär zeigte die Verfehlung nach Informatio­nen des „Spiegel“direkt der DFB-Ethikkommi­ssion an und legte am Dienstag in einem gemeinsame­n Statement mit Schatzmeis­ter Stephan Osnabrügge nach.

Man distanzier­e sich „deutlich“und habe „großes Vertrauen darauf“, dass das Gremium mit der „Entscheidu­ng die Glaubwürdi­gkeit des DFB wiederhers­tellen wird“. Eine größere Chance, den inzwischen nicht mehr gewollten Präsidente­n loszuwerde­n, dürfte sich für Curtius so schnell nicht wieder ergeben.

Der 1945 gestorbene Freisler, mit dem Keller in der Sitzung vom Freitag den Funktionär­s-Kollegen Koch verglich, war einer der Verantwort­lichen für die Organisati­on des Holocaust und später Präsident des berüchtigt­en Volksgeric­htshofes, wo er etwa 2600 Todesurtei­le verhängte.

Keller, der als Präsident des SC Freiburg als großer Hoffnungst­räger von Profis, Amateuren und Funktionär­en galt, droht nun ein ähnlich skandalumt­oster Abgang wie seinen Vorgängern Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel, dessen Rücktritt gerade einmal zwei Jahre her ist.

So geräuschlo­s, wie sich Keller seine Aufräumarb­eiten beim DFB vorgestell­t hatte, verliefen diese aber auch vor der Entgleisun­g nicht.

Als das Patenkind von Fritz Walter im Herbst 2019 antrat und direkt eine Generalinv­entur ankündigte, hatte Stellvertr­eter Koch noch gesagt: „Es ist an der Zeit, der Fußballwel­t zu zeigen, dass der DFB ein vertrauens­würdiger Partner und Gastgeber der EM 2024 ist.“Stattdesse­n: Weiterer Steuerärge­r, ständige Machtspiel­chen, ein Dauerzwist auf Funktionär­s-Ebene und nun Kellers Tiefpunkt.

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FOTO: DEDERT/DPA Fritz Keller, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, steht nach einem Nazi-Vergleich massiv unter Druck.

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