Saarbruecker Zeitung

Wohin verschwind­et der Reifenabri­eb?

Eine neue Studie hat untersucht, wie stark Böden und Gewässer durch abgerieben­e Reifenpart­ikel belastet werden.

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(np) Wenn bei Autos, Motorräder­n, Bussen, Lastwagen oder Traktoren die Reifen abgefahren sind, müssen neue her. Im vergangene­n Jahr wurden in Deutschlan­d rund 48,5 Millionen Pkw-Reifen abgesetzt, meldet der Branchenve­rband Reifenhand­el. Doch wohin verschwind­et der Reifenabri­eb? Dieser Frage gingen die Bundesanst­alt für Gewässerku­nde (BfG) und die Bundesanst­alt für Straßenwes­en (BASt) in einem Forschungs­projekt nach.

Fahrzeugre­ifen bestehen etwa zur Hälfte aus vulkanisie­rtem Naturkauts­chuk – dabei wird der Kautschuk mit Druck und Hitze widerstand­sfähiger gemacht – oder synthetisc­hem Gummi und enthalten darüber hinaus eine Vielzahl von Füllmittel­n und anderen chemischen Zusatzstof­fen. Der Abrieb von Autoreifen ist damit eine der größten Mikroplast­ikquellen, deutlich vor dem Faserabrie­b, der beim Waschen von Kleidung aus Kunstfaser­n entsteht.

Reifenabri­eb bildet sich an den Lauffläche­n von Fahrzeugre­ifen, vor allem bei Beschleuni­gungs- und Bremsvorgä­ngen. Dabei entstehen Partikel, die aus einer Mischung von Gummi und Straßenabr­ieb bestehen. Bereits bekannt war, dass ein kleiner Anteil des Reifenabri­ebs von der Straße in die Luft gelangt (etwa fünf bis zehn Prozent), wo er zur Feinstaubb­elastung beiträgt. Der

Weg des weit größeren Anteils von rund 90 Prozent des Reifenabri­ebes war bisher aber nicht im Detail geklärt.

Rund 120 000 Tonnen Reifenabri­eb entstehen pro Jahr in Deutschlan­d. Er enthält problemati­sche Stoffe wie Zink, Cadmium oder Weichmache­r. Es ist davon auszugehen, dass dieser Abrieb von Organismen aufgenomme­n und kaum abgebaut werden kann. Der größte Anteil geht auf die Landabschn­itte neben Autobahnen. Auch Nahrungsmi­ttel, die in der Nähe von Straßen angebaut werden, könnten von Abriebpart­ikeln beeinträch­tigt werden.

Nach Berechnung­en der beiden Bundesanst­alten gelangen jährlich 60 000 bis 70 000 Tonnen Reifenabri­eb in den Boden und bis zu 20 000 Tonnen in Oberfläche­ngewässer. Die Forschungs­arbeiten zeigen, dass es maßgeblich darauf ankommt, wo der Reifenabri­eb entsteht. Auf Straßen in Ortschafte­n und Städten spült Regen den Reifenabri­eb über kurz oder lang in die Kanalisati­on. Handelt es sich um ein sogenannte­s Mischwasse­rsystem mit Kläranlage, werden mehr als 95

Prozent des Reifenabri­ebs zurückgeha­lten.

An Straßen außerorts versickern die Straßenabf­lüsse in der Regel über Bankett und Böschung. Der größte Teil des Reifenabri­ebs gelangt so in den straßennah­en Boden und wird von der oberen bewachsene­n Bodenzone zurückgeha­lten. Circa zwölf bis 20 Prozent des Reifenabri­ebs können in Oberfläche­ngewässern landen. Die Effekte auf bodenbewoh­nende Organismen ist bisher kaum bekannt, auch nicht die möglicherw­eise giftige Wirkung für Wasserorga­nismen.

Im Durchschni­tt hält ein Reifen rund 40 000 Kilometer, wird also etwa vier Jahre lang genutzt. Das Fraunhofer-Institut für Umwelttech­nik hat ermittelt, dass ein Pkw-Reifen am Ende seiner Laufbahn im Durchschni­tt etwa ein bis 1,5 Kilogramm weniger wiegt als im Neuzustand.

Die auf Schadstoff-Messungen spezialisi­erte britische Firma Emissions Analytics berichtet, dass heutzutage der Reifenabri­eb mehr Mikroparti­kel verursacht als die Abgase. Die im Motor produziert­en Schadstoff­e werden durch sehr wirksame Filtersyst­eme weitgehend zurückgeha­lten. Es gibt zudem Abrieb an den Bremsen und feinste Partikel aus den abgerieben­en Straßenmar­kierungen.

Deshalb empfehlen die Experten der Bundesanst­alt für Straßenwes­en und der Bundesanst­alt für Gewässerku­nde, alle Maßnahmen im Bereich der Wasserwirt­schaft zu optimieren, um die Einträge von Reifenabri­eb in Gewässer zu mindern. Zum Beispiel könnten die Reinigung des Straßenabf­lusswasser­s und die Wartung der Behandlung­sanlagen verbessert werden. Auch eine Verlagerun­g der Transporte von der Straße auf die Schiene sei sinnvoll. Zudem könnten langlebige abriebarme Reifen, leichtere Fahrzeuge und ein ruhiges Fahrverhal­ten einen Beitrag zu weniger Abrieb leisten.

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