Saarbruecker Zeitung

Der Mann, der immer wieder rechts blinkt

Hans-Georg Maaßen betont seine Distanz zur AfD. Ihn in die rechte Ecke zu stellen, sei unverschäm­t, sagt er. Wie es dennoch dazu kommt.

- VON GREGOR MAYNTZ

Vormittag des 2. Mai 2011 ist ein Jet auf dem Weg von Deutschlan­d nach Washington. Es ist die erste USA-Reise des neuen Innenminis­ters Hans-Peter Friedrich von der CSU. Soeben ist bekannt geworden, dass in der Nacht US-Spezialkrä­fte den meistgesuc­hten Terroriste­n Osama Bin-Laden zur Strecke gebracht haben. Mit an Bord ist ein öffentlich wenig bekannter Unterabtei­lungsleite­r, zuständig für Terrorabwe­hr. Der Minister schätzt seine Expertise und wird ihn 15 Monate später zum neuen Verfassung­sschutzprä­sidenten ernennen: Es ist der Mönchengla­dbacher Jurist Hans-Georg Maaßen.

Die Düsseldorf­er Terrorzell­e wird nicht die letzte islamistis­che Bedrohung sein, die unter Maaßens Beteiligun­g vereitelt wird. Doch Maaßen kann sich im neuen Amt nicht allein auf den Kampf gegen den immer bedrohlich­eren islamistis­chen Terror konzentrie­ren. Beim Amtsantrit­t türmen sich auf seinem Schreibtis­ch bereits Altlasten der Verfassung­sschutzbeh­örden in Sachen Rechtsterr­orismus. Wieder und wieder gerät Maaßen optisch in die Defensive, wenn bei der Aufklärung des behördlich­en NSU-Versagens wieder fragwürdig­e Details über V-Leute und geschredde­rte Akten öffentlich werden. Dabei geben Mitarbeite­r zu Protokoll, dass die Anweisunge­n des neuen Chefs an Eindeutigk­eit und Klarheit keine Fragen offenlasse­n.

Parallel dazu beginnen die Zahlen illegal einreisend­er Asylbewerb­er ins zuvor Unvorstell­bare zu wachsen. Seit zwei Jahrzehnte­n kennt sich Maaßen im deutschen Ausländerr­echt aus wie kein zweiter. Schon seine Doktorarbe­it drehte sich um die „Rechtsstel­lung des Asylbewerb­ers“. Das Aufenthalt­srecht hat er geschriebe­n – mit der Zielrichtu­ng, die Migration damit steuern und begrenzen zu wollen. Das war in den 90ern durchaus Hinweis auf ein vergleichs­weise „linkes“Denken.

Einer, der die Migration steuern und begrenzen will und obendrein noch die Regierung vor potenziell gefährlich­en Islamisten warnen soll, findet 2015 angesichts von 800 000 Migranten keinen ruhigen Schlaf mehr. Inzwischen ist Thomas de Maizière Innenminis­ter. Und auch er weiß, was er an Maaßen hat – hält deshalb an ihm fest. So macht es auch dessen Nachfolger Horst Seehofer. Nachdem Maaßen die Darstellun­g von Medien und Kanzleramt über fremdenfei­ndliche „Hetzjagden“in Chemnitz in Zweifel gezogen hat, entschuldi­gt er sich in den parlamenta­rischen Gremien.

Den Verdacht einer originelle­n Weltsicht

nährt Maaßen seinerzeit in seiner Abschiedsr­ede vor internatio­nalen Nachrichte­ndienstler­n, denen er seinen Sturz als das Werk von „linksradik­alen Kräften in der SPD“beschreibt. Umgehend findet sich Maaßen im einstweili­gen Ruhestand wieder. Den nutzt der 55-Jährige für Sport und eine Wiederbele­bung seiner Anwaltstät­igkeit. Bis zum 16. Februar des folgenden Jahres. Da lässt er sich durch die konservati­ve CDU-Strömung Werte-Union in einem Kölner Hotel feiern. Maaßen tritt der Werte-Union bei, liked fortan viele Aussagen der Werte-Union, die von vielen auch in der CDU als problemati­sch empfunden werden. Und Maaßen sorgt auch selbst für Zitate, die sich in Windeseile verbreiten. Eines davon: „Ich bin vor 30 Jahren nicht der CDU beigetrete­n, damit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschlan­d kommen.“Dass er mit Signalen wie diesen „in die rechte Ecke“gestellt wird, empfindet er als „unverschäm­t“.

Es ist eine am Rande der politische­n Auseinande­rsetzung bewährte Taktik, die Maaßen fortan zu großer Meistersch­aft entwickelt: In den Handlungen konsequent geradeaus zu fahren, beizeiten aber immer mal wieder rechts zu blinken. Etwa mit der Andeutung, dass die AfD vielleicht nur „derzeit“nicht für Koalitione­n in Frage komme. Dieses Spiel mit dem Feuer hat er einstweile­n eingestell­t. An den nächsten Blinkzeich­en dürfte ihn das nicht hindern. Sein Publikum sehnt sich danach.

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FOTO: MICHAEL REICHEL/DPA Der ehemalige Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen

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