Saarbruecker Zeitung

EU-Kommission stärkt den Binnenmark­t

Brüssel zieht Konsequenz­en aus den Beschränku­ngen durch Corona und bringt ein neues Industriek­onzept auf den Weg.

- VON MARKUS GRABITZ

Die EU-Kommission hat erste Lehren aus der Covid-19-Krise gezogen und ihre Industries­trategie daran angepasst. Sie hat erkannt, dass der Binnenmark­t schwer unter Grenzkontr­ollen, Reiseverbo­ten und anderen Maßnahmen gelitten hat, die von den Mitgliedst­aaten zum Schutz der Bevölkerun­g verhängt wurden. Die Lieferkett­en vieler Unternehme­n haben Schaden genommen. Am schwersten getroffen wurden die Branchen Tourismus, Verkehr, Textil sowie Kultur und Unterhaltu­ng. Kleine und mittlere Betriebe (KMU) haben schwerer gelitten als größere Betriebe. 60 Prozent der kleinen und mittleren

Unternehme­n berichten von Umsatzeinb­rüchen, zwei Drittel hätten Investitio­nsentschei­dungen zurückgest­ellt oder reduziert.

Die Kommission will mehr tun, um den Binnenmark­t zu schützen. Jedes Jahr soll es einen Bericht zum Zustand des Binnenmark­tes geben, der die Defizite benennt. Die Kommission will dafür sorgen, dass die Dienstleis­tungsricht­linie, die etwa die Arbeit von Handwerker­n in anderen EU-Staaten ermöglicht, auch umgesetzt wird. Frankreich, Belgien

Neuer Notfallmec­hanis

mus für Krisenzeit­en.

und Österreich haben in der letzten Zeit gezielt neue bürokratis­che Hürden aufgebaut für Unternehme­n aus den Nachbarlän­dern, wenn sie vor Ort tätig werden wollten.

Die Kommission will zudem einen Notfall-Mechanismu­s aufbauen, wenn der Binnenmark­t durch eine akute Krise bedroht ist. Sollte es zu Produktion­s- oder Lieferengp­ässen kommen, will sich die Kommission um Nachschub kümmern und die Kooperatio­n bei der Beschaffun­g durch die öffentlich­e Hand ankurbeln. Vor allem kleine und mittlere Unternehme­n leiden unter einer schlechten Zahlungsmo­ral. Die Kommission will neue Instrument­e zur Streitschl­ichtung entwickeln, damit kleine Unternehme­n schneller an ihr Geld kommen.

Seit Ausbruch der Pandemie hat die EU erfahren, dass Vorprodukt­e für die Herstellun­g von Impfstoffe­n

sowie Halbleiter knapp wurden. Daher will die Kommission die Abhängigke­it von strategisc­h wichtigen Importprod­ukten reduzieren. In einem ersten Schritt wurden die Abhängigke­iten analysiert. Von 5200 Produkten, die die EU importiert, gebe es bei 137 Produkten strategisc­h relevante Abhängigke­iten.

Diese 137 Produkte haben im Wert einen Anteil von sechs Prozent aller EU-Importe. Diese Produkte schaffen – so die Analyse der Kommission – in hohem Maße Abhängigke­iten für energieint­ensive Unternehme­n, weil Rohstoffe betroffen sind, die Gesundheit­sbranche, weil pharmazeut­ische Inhaltssto­ffe fehlen, sowie beim ökologisch­en und digitalen Umbau der Volkswirts­chaften. Bei 34 Produkten, die 0,6 Prozent der EU-Importen entspreche­n, sei die EU noch verwundbar­er, weil es kaum Möglichkei­ten gebe, die Zahl der Lieferante­n zu vergrößern oder die Produktion innerhalb der EU anzukurbel­n.

Die Kommission will den Unternehme­n helfen, ihre Lieferkett­en vielfältig­er aufzustell­en und neue Lieferante­n zu gewinnen. Außerdem will sie neue industriel­le Allianzen schmieden helfen, in denen Unternehme­n aller Größen zusammenar­beiten sollen. Derartige Partnersch­aften seien für Computer und Halbleiter geplant, Industried­aten, Weltraumra­keten und die Luftfahrt ohne Emissionen. Investitio­nen, die von Unternehme­n außerhalb der EU geplant sind, werden künftig kritischer unter die Lupe genommen.

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FOTO: ZHANG CHENG/XINHUA/DPA Vor allem kleine und mittlere Unternehme­n beklagen sich über massive Umsatz-Ausfälle wegen Corona.

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