EU-Kommission stärkt den Binnenmarkt
Brüssel zieht Konsequenzen aus den Beschränkungen durch Corona und bringt ein neues Industriekonzept auf den Weg.
Die EU-Kommission hat erste Lehren aus der Covid-19-Krise gezogen und ihre Industriestrategie daran angepasst. Sie hat erkannt, dass der Binnenmarkt schwer unter Grenzkontrollen, Reiseverboten und anderen Maßnahmen gelitten hat, die von den Mitgliedstaaten zum Schutz der Bevölkerung verhängt wurden. Die Lieferketten vieler Unternehmen haben Schaden genommen. Am schwersten getroffen wurden die Branchen Tourismus, Verkehr, Textil sowie Kultur und Unterhaltung. Kleine und mittlere Betriebe (KMU) haben schwerer gelitten als größere Betriebe. 60 Prozent der kleinen und mittleren
Unternehmen berichten von Umsatzeinbrüchen, zwei Drittel hätten Investitionsentscheidungen zurückgestellt oder reduziert.
Die Kommission will mehr tun, um den Binnenmarkt zu schützen. Jedes Jahr soll es einen Bericht zum Zustand des Binnenmarktes geben, der die Defizite benennt. Die Kommission will dafür sorgen, dass die Dienstleistungsrichtlinie, die etwa die Arbeit von Handwerkern in anderen EU-Staaten ermöglicht, auch umgesetzt wird. Frankreich, Belgien
Neuer Notfallmechanis
mus für Krisenzeiten.
und Österreich haben in der letzten Zeit gezielt neue bürokratische Hürden aufgebaut für Unternehmen aus den Nachbarländern, wenn sie vor Ort tätig werden wollten.
Die Kommission will zudem einen Notfall-Mechanismus aufbauen, wenn der Binnenmarkt durch eine akute Krise bedroht ist. Sollte es zu Produktions- oder Lieferengpässen kommen, will sich die Kommission um Nachschub kümmern und die Kooperation bei der Beschaffung durch die öffentliche Hand ankurbeln. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen leiden unter einer schlechten Zahlungsmoral. Die Kommission will neue Instrumente zur Streitschlichtung entwickeln, damit kleine Unternehmen schneller an ihr Geld kommen.
Seit Ausbruch der Pandemie hat die EU erfahren, dass Vorprodukte für die Herstellung von Impfstoffen
sowie Halbleiter knapp wurden. Daher will die Kommission die Abhängigkeit von strategisch wichtigen Importprodukten reduzieren. In einem ersten Schritt wurden die Abhängigkeiten analysiert. Von 5200 Produkten, die die EU importiert, gebe es bei 137 Produkten strategisch relevante Abhängigkeiten.
Diese 137 Produkte haben im Wert einen Anteil von sechs Prozent aller EU-Importe. Diese Produkte schaffen – so die Analyse der Kommission – in hohem Maße Abhängigkeiten für energieintensive Unternehmen, weil Rohstoffe betroffen sind, die Gesundheitsbranche, weil pharmazeutische Inhaltsstoffe fehlen, sowie beim ökologischen und digitalen Umbau der Volkswirtschaften. Bei 34 Produkten, die 0,6 Prozent der EU-Importen entsprechen, sei die EU noch verwundbarer, weil es kaum Möglichkeiten gebe, die Zahl der Lieferanten zu vergrößern oder die Produktion innerhalb der EU anzukurbeln.
Die Kommission will den Unternehmen helfen, ihre Lieferketten vielfältiger aufzustellen und neue Lieferanten zu gewinnen. Außerdem will sie neue industrielle Allianzen schmieden helfen, in denen Unternehmen aller Größen zusammenarbeiten sollen. Derartige Partnerschaften seien für Computer und Halbleiter geplant, Industriedaten, Weltraumraketen und die Luftfahrt ohne Emissionen. Investitionen, die von Unternehmen außerhalb der EU geplant sind, werden künftig kritischer unter die Lupe genommen.