Saarbruecker Zeitung

Stalin und Redford in der Wundertüte

Man stelle sich „Matrix“ohne Budget vor, dafür mit einem Übermaß an Absurdem und Surrealem. Nach dem Film „Jesus shows you the way to the highway“muss man erstmal ruhig durchatmen.

- VON TOBIAS KESSLER

Hat man diesen Film hinter sich, muss man erst einmal seine Hirnwindun­gen sortieren – sie könnten verquirlt sein nach diesen 79 Minuten voller bizarrer Ideen, grotesken Humors, Satire und Jux.

Die Handlung von „Jesus Shows You the Way to the Highway“(jetzt fürs Heimkino erschienen) nachzuerzä­hlen, kann dann auch nur eine vage Annäherung sein: Nach einer Titelseque­nz in der Ästhetik von piepsigen PC-Spielen der 1980er Jahre geht es flott hinein in die Handlung, die ein bisschen wie „Matrix“ohne Budget, aber mit viel Spaß am Surrealen wirkt. Zwei CIA-Agenten müssen in eine virtuelle Welt eintauchen, um dort einen PC-Virus zu bekämpfen: Denn der stört das System, das den Betrieb einer futuristis­chen Stadt steuert, aufs Empfindlic­hste.

Das Wandeln der Agenten namens Palmer und Gagano durch diese virtuelle Welt zeigt der Film auf wunderbar bizarre Weise – mit Personen, die sich so ruckartig bewegen, als seien sie durch Einzelbild-Trick animierte Kunststoff-Figuren wie in einem alten „King Kong“- oder Dinosaurie­r-Film. Zudem tragen die Agenten im virtuellen Raum Papiermask­en, die eine mit dem Antlitz von US-Komiker Richard Pryor, die andere mit dem von Robert Redford.

Nach Feierabend, zurück in der realen Welt will Agent Gagano – gespielt vom kleinwüchs­igen Darsteller Daniel Tadasse Gagano – allerdings seinen Dienst quittieren und mit seiner Frau eine Kickboxsch­ule eröffnen. Dazu kommt es nicht, denn es droht noch mehr Ungemach. Ein PC-Virus namens „Sowjetunio­n“(mit dem Antlitz von Stalin, dessen Helfershel­fer allerdings mit Bundesadle­r-Armbinde geschmückt sind) bedroht das Betriebssy­stem der CIA. Gagano muss noch einmal ran – und findet aus der virtuellen Welt nicht mehr heraus. Derweil strahlt „Sowjetunio­n“in die Welt hinaus, zettelt Verschwöru­ngen an, und auch eine Art afrikanisc­her Batman namens „Batfro“kommt ins Spiel – nicht zu vergessen einige Kampfsport­künstler. Über Insekten in Menschenge­stalt, aus denen dann die menschlich­en Darsteller herausschl­üpfen, wundert man sich schon nicht mehr.

Es ist eine Wundertüte, die der spanische Regisseur/Autor Miguel Llansó hier auskippt. Dabei ist diese spanisch-estländisc­h-äthiopisch-lettisch-rumänische Koprodukti­on kein wahllos bunter Trash, sondern kunstvoll zusammenge­setzt – als wolle der Spanier der allgegenwä­rtigen Blockbuste­r-Glätte ein raues Gegenbild unter die Nase halten (oder reiben). Drehorte in einer Fabrik sollen das Innere eines U-Bootes simulieren, das fast schon antike Computer-Mobiliar erschafft eine mal wohlige, mal ärmliche Retro-Atmosphäre, unterfütte­rt mit Low-Budget-Flair. Die Schnitte sind bisweilen bewusst holprig, und sogar in der Originalfa­ssung sind die Dialoge nachsynchr­onisiert, was dem Ganzen einen weiteren Verfremdun­gs-Effekt kredenzt; sinnigerwe­ise hat man sich für die deutsche Fassung ebenfalls Ungewöhnli­ches ausgedacht: Da sprechen die Musiker der Berliner Band „Stero Total“– Brezel Göring und die im Februar gestorbene Françoise Cactus – gleich alle Rollen. Warum auch nicht?

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FOTOS: RAPID EYE MOVIES Die Agenten unterwegs im virtuellen Raum – maskiert als Robert Redford und Josef Stalin.
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Daniel Tadesse Gagano als CIAAgent, der von einer eigenen Kickboxsch­ule mit seiner Ehefrau träumt.

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