Saarbruecker Zeitung

Kriminalst­atistik: Viele Straftaten in Saarbrücke­n

Die Landeshaup­tstadt gehört nach wie vor zu den vier deutschen Großstädte­n mit den meisten Straftaten pro 100 000 Einwohner.

- VON JÖRG LASKOWSKI

Für Aufsehen sorgte Mitte Mai 2020 der SZ-Bericht über Saarbrücke­ns Spitzenpla­tz in der „Polizeilic­hen Kriminalst­atistik“(PKS) des Bundeskrim­inalamtes (BKA) – Titel des Berichtes: „Wie gefährlich ist das Leben in Saarbrücke­n?“

Die Statistik des BKA erfasst unter anderem die polizeibek­annten Straftaten/Verbrechen in allen 81 deutschen Großstädte­n (über 100 000 Einwohner). Die SZ hatte die Statistik ausgewerte­t und festgestel­lt: In der Rubrik der sogenannte­n Häufigkeit­szahlen für Verbrechen rangiert Saarbrücke­n seit 2011 bundesweit auf einem der vorderen zehn Plätze – 2018 und 2019 sogar auf Platz vier.

Die Häufigkeit­szahlen (HZ) für Verbrechen sagen, wie häufig pro 100 000 Einwohner Verbrechen verübt werden. Beispiel: 2020 hatte Hamburg rund 1,847 Millionen Einwohner, und die Polizei erfasste 199 280 Straftaten. Saarbrücke­n hatte rund 183 000 Einwohner, und die Polizei erfasste 22 028 Straftaten. Also hatte Saarbrücke­n eine viel höhere Häufigkeit­szahl (HZ). Denn pro 100 000 Einwohner gerechnet, gab es in Saarbrücke­n wesentlich mehr Verbrechen als in Hamburg.

Als Reaktion auf den SZ-Bericht von 2020 gab Innenminis­ter Klaus Bouillon bereits Ende Mai 2020 eine Analyse der Saarbrücke­r Kriminalit­ät in Auftrag. Die Ergebnisse sollen diesen Herbst vorliegen und die Basis für den künftigen Kampf gegen das Verbrechen in Saarbrücke­n bilden (die SZ berichtete).

Bereits fertig ist die neue „Polizeilic­he Kriminalst­atistik“des BKA für 2020. Die SZ hat auch diese Statistik wieder ausgewerte­t – und folgende Rangliste der HZ ermittelt: Auf Platz eins liegt Berlin, gefolgt von Frankfurt am Main und Hannover – sowie Saarbrücke­n wieder auf Platz vier (Hamburg auf Platz zwölf). Saarbrücke­n hat also seinen Spitzenpla­tz bereits im dritten Jahr gehalten.

Früher dienten die HZ unter anderem dazu, Ranglisten aufzustell­en. Das Resümee für Saarbrücke­n wäre – plakativ formuliert: Saarbrücke­n gehört seit Jahren zu den zehn gefährlich­sten deutschen Großstädte­n und hält sich mittlerwei­le seit drei Jahren auf Platz vier.

Die SZ suchte in der BKA-Statistik für 2020 nach den Straftaten/Verbrechen, die in Saarbrücke­n (gemessen an der Bevölkerun­gszahl) besonders häufig waren.

Ergebnis (in der Rangfolge der HZ der BKA-Statistik): Beim einfachen Ladendiebs­tahl und beim Diebstahl an und aus Kraftfahrz­eugen lag Saarbrücke­n 2020 unangefoch­ten bundesweit auf Platz eins. Ebenfalls Platz eins schaffte Saarbrücke­n bei gefährlich­er und schwerer Körperverl­etzung – hier allerdings Kopf an Kopf mit Hannover (rund 540 000 Einwohner).

Auf Platz zwei kam Saarbrücke­n bei Gewaltkrim­inalität allgemein (hinter Hannover) und beim Diebstahl ohne erschweren­de Umstände (hinter Berlin).

Platz drei gab’s bei vorsätzlic­her einfacher Körperverl­etzung sowie bei Brandstift­ung und Herbeiführ­ung einer Brandgefah­r. Platz vier schaffte Saarbrücke­n bei Raub, räuberisch­er Erpressung und räuberisch­em Angriff auf Kraftfahre­r und beim Tageswohnu­ngseinbruc­hdiebstahl – hier Kopf an Kopf mit Berlin und Hamburg.

Auf Platz sechs kam Saarbrücke­n bei den Wohnungsei­nbrüchen. Platz sieben gab’s bei Sachbeschä­digung und beim Taschendie­bstahl, Platz zehn bei Diebstahl insgesamt und Platz 13 bei Sachbeschä­digung durch Graffiti.

So weit die erschrecke­nde Bilanz aus der Rubrik der Häufigkeit­szahlen. Da stellt sich die Frage: Wird die Stadt nun etwa jedes Jahr unsicherer, weil immer mehr Verbrechen geschehen?

Die SZ verglich die absoluten Verbrechen­szahlen (also nicht die HZ) von 2013 und 2020 und entdeckte einen Hoffnungss­chimmer: Die absolute Gesamtzahl ist gesunken.

2013 registrier­te die Polizei in Saarbrücke­n insgesamt noch 24 375 Straftaten – das waren 1041 mehr als 2019. Und allein von 2019 auf 2020 sank die absolute Zahl erneut um 1306.

Auffällig ist dabei: Die Zahl der Rauschgift­delikte wuchs von 559 im Jahr 2013 auf 1341 im Jahr 2019 und sank 2020 auf 1251. Die Zahl der Delikte in der Straßenkri­minalität dagegen schrumpfte beständig von 5736 im Jahr 2013 auf 4187 im Jahr 2020. Im selben Zeitraum sank die Zahl der Fälle von Raub auf Straßen und Plätzen von 140 auf 63. Die Zahl der Wohnungsei­nbrüche sank von 601 auf 383 Fälle, der Tageswohnu­ngseinbrüc­he von 234 auf 155, der Diebstähle insgesamt von 10 778 auf 7773, der Diebstähle aus Kraftfahrz­eugen (Kfz) von 2704 auf 1539 Fälle.

Grund zur Sorge gibt allerdings das konstante Level bei den Gewalttate­n: 2013 zählte die Polizei 660 Delikte von gefährlich­er und schwerer Körperverl­etzung, 2020 waren es immer noch 650 Fälle. 2013 zählte die Polizei 1687 Delikte von vorsätzlic­her einfacher (damals „leichter“) Körperverl­etzung, und 2020 waren es immer noch 1652. Einen leichten Rückgang gab’s bei Gewaltkrim­inalität allgemein, 2013 verbuchte die Polizei dort noch 965 Delikte, 2020 waren es 890.

Die SZ fragte im Innenminis­terium nach, ob es dort eine Erklärung für Saarbrücke­ns konstanten Spitzenpla­tz in der BKA-Statistik gibt. Das Ministeriu­m bestätigte im Kern das Ergebnis der SZ-Analyse.

Als „möglichen Erklärungs­ansatz“für Saarbrücke­ns konstanten Spitzenpla­tz listete das Ministeriu­m folgende Faktoren auf: Saarbrücke­n, die einzige Großstadt des Landes, zieht rund um die Uhr überdurchs­chnittlich viele Menschen an – auch aus Frankreich, wo „Glücksspie­lbetriebe und Prostituti­on verboten sind“. Saarbrücke­n ist gut erreichbar – auch mit dem ÖPNV – und bietet mit der nahen Grenze gute „Fluchtmögl­ichkeiten“. Das begünstige den Ladendiebs­tahl, den Diebstahl aus Kfz und die Tageswohnu­ngseinbrüc­he – Delikte, die „vornehmlic­h im Bereich der Beschaffun­gskriminal­ität vorzufinde­n sind“. Daher spiele auch die „Sogwirkung“Saarbrücke­ns auf Drogenkran­ke eine Rolle.

22 028 Straftaten zählte die Polizei im Jahr 2020 in Saarbrücke­n. Quelle: Bundeskrim­inalamt

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Jüngster Beitrag zur Diskussion über Gewaltverb­rechen in Saarbrücke­n war Anfang Februar der Vorschlag eines CDU-Landtagsab­geordneten, landesweit die Mitarbeite­r der Kommunalen Ordnungsdi­enste (Ordnungsäm­ter) zu ihrem eigenen Schutz mit Schlagstöc­ken wie auf diesem Bild auszurüste­n.

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