Ulrich vor Comeback bei Saar-Grünen?
Der langjährige Parteichef plant angeblich eine Rückkehr in die erste Reihe der Saar-Politik. Nur ein bestimmtes Amt schließt der 63-Jährige aus. In der Grünen-Spitze gibt es Widerstand.
Für die Grünen läuft es, auch im Saarland: Der Landesverband hat seine Mitgliederzahl seit 2015 um 50 Prozent gesteigert, bei der Bundestags- und Landtagswahl könnten sie erstmals an der Saar ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Doch intern prägen Personaldiskussionen das Bild der Partei, seitdem Landeschef Markus Tressel angekündigt hat, im Juni aufzuhören und im September nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Wer füllt das Machtvakuum?
Hubert Ulrich, von 1991 bis 2017 die dominante Figur der Saar-Grünen, könnte es sein – jedenfalls fällt der Name des 63-Jährigen in der Partei immer wieder. „Er will in den Bundestag und wieder ein Spitzenamt in der Partei übernehmen. Die wenigsten sind darüber glücklich“, sagt ein führender Grüner, der nicht zu den üblichen Verdächtigen der Ulrich-Kritiker gehört.
Zwar hatte sich Ulrich nach der Vier-Prozent-Schlappe bei der Landtagswahl 2017, die er als Spitzenkandidat wesentlich zu verantworten hatte, vom Landesvorsitz zurückgezogen. Doch in der politischen Versenkung verschwunden ist er nicht. In Saarlouis führt der Ruheständler den größten Ortsverband der Saar-Grünen, gegen den auf Parteitagen nichts geht. „Heimlicher Landesvorsitzender“nennt ihn der ehemalige Bildungsminister Klaus Kessler, der mit Ulrich lange eng zusammengearbeitet hat. Tempi passati, heute können beide nicht mehr miteinander.
Bei den Sitzungen des Landesvorstandes sitzt Ulrich weiter mit am Tisch, seit 2020 auch wieder in offizieller Mission: Das Gremium bestellte ihn vor Monaten zum Koordinator für die kommunale Ebene. Netzwerken mit der Basis ist also sein Job. „Wir sind in einer kompletten Neuaufstellung des Landesverbandes. Ich bin da sehr stark engagiert“, sagt Ulrich. Glaubt man Kessler, hat Ulrich keine Ruhe gegeben, bis er das Amt hatte. „Der Groll, wenn er es nicht bekommen hätte, hätte zu einem Riesenkonflikt in der Partei geführt“, sagt Kessler.
Der Ex-Minister, der auch den Kreisverband Saarlouis führt, ist überzeugt, dass Ulrich von langer Hand sein Comeback geplant hat. „Wer Hubert Ulrich kennt, der weiß, dass er mit einer Funktion in der zweiten oder dritten Reihe nicht zufrieden ist“, sagt Kessler. Je stärker die öffentlichen Spekulationen über Ulrichs Ambitionen würden, desto stärker werde er das dementieren. Kessler hält alles für möglich: dass Ulrich in den Bundestag oder in den Landtag will oder an die Parteispitze. „Er hält sich auch für ministrabel“, sagt Kessler. Im Landesvorstand wird gemutmaßt, er wolle Generalsekretär werden.
Beim Parteitag am 20. Juni hätte Ulrich, sollte er tatsächlich Amt oder Mandat anstreben, gute Karten. Sein XXL-Ortsverband Saarlouis (720 Mitglieder) stellt ein Drittel der Delegierten. Gemeinsam mit Vertretern der Saarbrücker Grünen, unter denen Ulrich ebenfalls viele Unterstützer hat, könnte das schon für eine Mehrheit reichen.
Dass die Aufregung in der Partei so groß ist, hängt mit der Sorge zusammen, die Personalie könne die Partei bei den anstehenden Wahlen Stimmen kosten. „Der Glanz des Bundesverbandes würde dann nicht auf uns abfärben“, sagt ein führender Grüner. Kessler formuliert es so: „Viele Menschen im Saarland halten die Grünen für wählbar – aber nicht mit Hubert Ulrich. Das hören wir an fast jedem Infostand. Dem Hubert ist das egal, dem geht es nicht um die Partei, sondern nur um sich.“Ulrichs Umfeld hält das Popularitäts-Argument für widerlegt: In seiner Heimat Beaumarais, wo die Leute „de Hubert“kennen, habe die Partei 2019 bei der letzten Kommunalwahl schließlich 19 Prozent geholt.
Dass Ulrich Landesvorsitzender werden will, hatte er schon im März in der SZ bestritten – und er tut es jetzt wieder. „Ich werde den Landesvorsitz nicht übernehmen. Ich werfe meinen Hut in der derzeitigen Situation für nichts in den Ring.“Gefragt, ob man den Zusatz „in der derzeitigen Situation“auch einfach weglassen könne, sagt Ulrich: nein.
Als am Mittwochabend der Grünen-Landesvorstand tagte, ging es auch um Ulrichs Zukunft, es kam zu einem direkten Wortwechsel mit Kessler. Am Ende einigte man sich auf eine Sprachregelung, die Ulrich anschließend der SZ übermittelte: „Wir alle wissen, dass Zeiten der Veränderung in Organisationen auch immer zu Unruhe, Unsicherheit und Diskussion führen können. Wir hatten am Mittwoch eine gute und intensive Landesvorstandssitzung und sind uns einig, dass wir gemeinsam nach vorne schauen.“Übersetzt heißt das: Es gibt noch großen Gesprächsbedarf bei den Grünen.
„Wer Hubert Ulrich kennt, der weiß, dass er mit einer Funktion in der zweiten oder dritten Reihe nicht zufrieden ist.“Klaus Kessler Grünen-Landesvorstandsmitglied und ehemaliger Biildungsminister