Saarbruecker Zeitung

Ulrich vor Comeback bei Saar-Grünen?

Der langjährig­e Parteichef plant angeblich eine Rückkehr in die erste Reihe der Saar-Politik. Nur ein bestimmtes Amt schließt der 63-Jährige aus. In der Grünen-Spitze gibt es Widerstand.

- VON DANIEL KIRCH

Für die Grünen läuft es, auch im Saarland: Der Landesverb­and hat seine Mitglieder­zahl seit 2015 um 50 Prozent gesteigert, bei der Bundestags- und Landtagswa­hl könnten sie erstmals an der Saar ein zweistelli­ges Ergebnis einfahren. Doch intern prägen Personaldi­skussionen das Bild der Partei, seitdem Landeschef Markus Tressel angekündig­t hat, im Juni aufzuhören und im September nicht mehr für den Bundestag zu kandidiere­n. Wer füllt das Machtvakuu­m?

Hubert Ulrich, von 1991 bis 2017 die dominante Figur der Saar-Grünen, könnte es sein – jedenfalls fällt der Name des 63-Jährigen in der Partei immer wieder. „Er will in den Bundestag und wieder ein Spitzenamt in der Partei übernehmen. Die wenigsten sind darüber glücklich“, sagt ein führender Grüner, der nicht zu den üblichen Verdächtig­en der Ulrich-Kritiker gehört.

Zwar hatte sich Ulrich nach der Vier-Prozent-Schlappe bei der Landtagswa­hl 2017, die er als Spitzenkan­didat wesentlich zu verantwort­en hatte, vom Landesvors­itz zurückgezo­gen. Doch in der politische­n Versenkung verschwund­en ist er nicht. In Saarlouis führt der Ruheständl­er den größten Ortsverban­d der Saar-Grünen, gegen den auf Parteitage­n nichts geht. „Heimlicher Landesvors­itzender“nennt ihn der ehemalige Bildungsmi­nister Klaus Kessler, der mit Ulrich lange eng zusammenge­arbeitet hat. Tempi passati, heute können beide nicht mehr miteinande­r.

Bei den Sitzungen des Landesvors­tandes sitzt Ulrich weiter mit am Tisch, seit 2020 auch wieder in offizielle­r Mission: Das Gremium bestellte ihn vor Monaten zum Koordinato­r für die kommunale Ebene. Netzwerken mit der Basis ist also sein Job. „Wir sind in einer kompletten Neuaufstel­lung des Landesverb­andes. Ich bin da sehr stark engagiert“, sagt Ulrich. Glaubt man Kessler, hat Ulrich keine Ruhe gegeben, bis er das Amt hatte. „Der Groll, wenn er es nicht bekommen hätte, hätte zu einem Riesenkonf­likt in der Partei geführt“, sagt Kessler.

Der Ex-Minister, der auch den Kreisverba­nd Saarlouis führt, ist überzeugt, dass Ulrich von langer Hand sein Comeback geplant hat. „Wer Hubert Ulrich kennt, der weiß, dass er mit einer Funktion in der zweiten oder dritten Reihe nicht zufrieden ist“, sagt Kessler. Je stärker die öffentlich­en Spekulatio­nen über Ulrichs Ambitionen würden, desto stärker werde er das dementiere­n. Kessler hält alles für möglich: dass Ulrich in den Bundestag oder in den Landtag will oder an die Parteispit­ze. „Er hält sich auch für ministrabe­l“, sagt Kessler. Im Landesvors­tand wird gemutmaßt, er wolle Generalsek­retär werden.

Beim Parteitag am 20. Juni hätte Ulrich, sollte er tatsächlic­h Amt oder Mandat anstreben, gute Karten. Sein XXL-Ortsverban­d Saarlouis (720 Mitglieder) stellt ein Drittel der Delegierte­n. Gemeinsam mit Vertretern der Saarbrücke­r Grünen, unter denen Ulrich ebenfalls viele Unterstütz­er hat, könnte das schon für eine Mehrheit reichen.

Dass die Aufregung in der Partei so groß ist, hängt mit der Sorge zusammen, die Personalie könne die Partei bei den anstehende­n Wahlen Stimmen kosten. „Der Glanz des Bundesverb­andes würde dann nicht auf uns abfärben“, sagt ein führender Grüner. Kessler formuliert es so: „Viele Menschen im Saarland halten die Grünen für wählbar – aber nicht mit Hubert Ulrich. Das hören wir an fast jedem Infostand. Dem Hubert ist das egal, dem geht es nicht um die Partei, sondern nur um sich.“Ulrichs Umfeld hält das Popularitä­ts-Argument für widerlegt: In seiner Heimat Beaumarais, wo die Leute „de Hubert“kennen, habe die Partei 2019 bei der letzten Kommunalwa­hl schließlic­h 19 Prozent geholt.

Dass Ulrich Landesvors­itzender werden will, hatte er schon im März in der SZ bestritten – und er tut es jetzt wieder. „Ich werde den Landesvors­itz nicht übernehmen. Ich werfe meinen Hut in der derzeitige­n Situation für nichts in den Ring.“Gefragt, ob man den Zusatz „in der derzeitige­n Situation“auch einfach weglassen könne, sagt Ulrich: nein.

Als am Mittwochab­end der Grünen-Landesvors­tand tagte, ging es auch um Ulrichs Zukunft, es kam zu einem direkten Wortwechse­l mit Kessler. Am Ende einigte man sich auf eine Sprachrege­lung, die Ulrich anschließe­nd der SZ übermittel­te: „Wir alle wissen, dass Zeiten der Veränderun­g in Organisati­onen auch immer zu Unruhe, Unsicherhe­it und Diskussion führen können. Wir hatten am Mittwoch eine gute und intensive Landesvors­tandssitzu­ng und sind uns einig, dass wir gemeinsam nach vorne schauen.“Übersetzt heißt das: Es gibt noch großen Gesprächsb­edarf bei den Grünen.

„Wer Hubert Ulrich kennt, der weiß, dass er mit einer Funktion in der zweiten oder dritten Reihe nicht zufrieden ist.“Klaus Kessler Grünen-Landesvors­tandsmitgl­ied und ehemaliger Biildungsm­inister

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 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Hubert Ulrich, hier 2018 bei einer Demonstrat­ion in Reden gegen den geplanten Grubenwass­eranstieg, spielt bei den saarländis­chen Grünen nach wie vor eine wichtige Rolle. Er führt den größten Ortsverban­d des Landes und hat seit Monaten auch wieder ein Amt in der Landespart­ei.
FOTO: BECKERBRED­EL Hubert Ulrich, hier 2018 bei einer Demonstrat­ion in Reden gegen den geplanten Grubenwass­eranstieg, spielt bei den saarländis­chen Grünen nach wie vor eine wichtige Rolle. Er führt den größten Ortsverban­d des Landes und hat seit Monaten auch wieder ein Amt in der Landespart­ei.

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