Saarbruecker Zeitung

Mexikos Präsident wird immer autoritäre­r

Er schwächt Institutio­nen und die Justiz, aber hätschelt die Militärs: Andrés Manuel López Obrador zieht vor den Wahlen alle Register, um an der Macht zu bleiben.

- VON KLAUS EHRINGFELD

Es sind unruhige Tage in Mexiko. Und das liegt nicht daran, dass Corona im zweitgrößt­en Land Lateinamer­ikas die Menschen tötet wie sonst nur in den USA, Brasilien und Indien. Was die Menschen spaltet und bewegt, ist die Politik ihres Präsidente­n Andrés Manuel López Obrador. Denn es ist Wahlkampf, am 6. Juni werden das Parlament erneuert und in 15 der 32 Staaten neue Gouverneur­e bestimmt.

Und es geht um viel. Der Staatschef will noch mehr Macht für sein Projekt des Staatsumba­us, die „Vierte Transforma­tion“. Die schwache Opposition und vor allem die Wirtschaft hoffen, dass der Durchmarsc­h des Linksnatio­nalisten irgendwie gestoppt wird. Sie sehen demokratis­che Prinzipien im Land in Frage gestellt und den guten Ruf Mexikos als Investitio­nsstandort gefährdet.

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass der Staatschef oder seine Mitarbeite­r Angriffe auf die Institutio­nen starten, der Presse drohen oder Verschwöru­ngstheorie­n Futter geben. Wahlkampf in Zeiten von López Obrador bedeutet Polarisier­ung, Polemik und Pathos. Der 67-Jährige, als großer demokratis­cher Erneuerer und Hoffnungst­räger vor zweieinhal­b Jahren gewählt, wird dabei zunehmend zum Autokraten. Der Staat bin ich, lautet sein Motto, mit dem er versucht, die Institutio­nen

zu marginalis­ieren, widersprec­hende Minister entsorgt, unabhängig­e Medien anfeindet und sich mit „Claqueuren und Handküsser­n“umgibt, wie Kritiker sagen.

López Obrador wirft Journalist­en, Wahl-, Sozial-, und Statistikb­ehörden, der Justiz sowie privaten Investoren vor, Statthalte­r der „neoliberal­en Vorgängerr­egierungen“zu sein. Er behauptet stets, unabhängig­e Richter, die seine Gesetzespr­ojekte stoppen, wollten die „junge mexikanisc­he Demokratie“verhindern. Einzig mit den

Streitkräf­ten kuschelt er. Im In- und Ausland wird mit Besorgnis wahrgenomm­en, mit welcher Machtfülle der Präsident die Militärs ausstattet. Sie werden nicht nur wie eh und je im Kampf gegen die Kartelle und gegen Migranten eingesetzt. Sie bekommen auch immer mehr zivile Aufgaben. Der Aufbau eines staatliche­n Bankennetz­es wird von den Streitkräf­ten ebenso übernommen wie der Bau von Zugstrecke­n, und die Verteilung von Corona-Impfstoffe­n ist auch den Uniformier­ten übertragen, die der linke Präsident

das „uniformier­te Volk“nennt. Der bisher bedenklich­ste Coup ist eine Justizrefo­rm, mit welcher der Präsident den Vorsitzend­en des Obersten Gerichtsho­fs, Arturo Zaldívar, einen der wenigen ihm wohl gesonnenen Richter, im Amt bestätigte, dabei aber die Verfassung flagrant verletzte. Mexikos Verfassung sieht eine Begrenzung des Mandats der Obersten Richter auf vier Jahre vor, ohne Möglichkei­t der Wiederwahl. Kurz vor der Verabschie­dung der Reform im Senat hatte Morena den Passus mit der Verlängeru­ng der Amtszeit klammheiml­ich in die Vorlage eingefügt. Und so kann Richter Zaldívar sein Amt bis zum 30. November 2024 behalten. Das ist der letzte Tag der Amtszeit López Obradors.

Dieser Coup sei ein „Frontalang­riff auf den Rechtsstaa­t, der die Glaubwürdi­gkeit der Justiz beschädigt“, echauffier­t sich José Miguel Vivanco, Regionaldi­rektor der Menschenre­chtsorgani­sation „Human Rights Watch“. Die Aktion ziele eindeutig darauf ab, die einzige Staatsgewa­lt zu kontrollie­ren, die bisher noch nicht auf López Obradors Linie sei.

Die Mexikaner scheinen die autoritäre­n Volten ihres Präsidente­n nicht zu stören. López Obradors Partei Morena wird nach allen Prognosen die Wahl in vier Wochen gewinnen und dem Staatschef im Parlament und den Bundesstaa­ten für die übrigen zweieinhal­b Jahre im Amt mehr Handlungsf­reiheit geben.

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FOTO: LLANO/AP „Der Staat bin ich“lautet das Motto des mexikanisc­hen Präsidente­n Andrés Manuel Lopéz Obrador.

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