Grüne wollen Palmer aus der Partei werfen
Nach einem erneuten Eklat soll Tübingens OB aus der Partei fliegen. Derweil muss sich Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gegen Häme im Netz wehren.
Ärger bei den Grünen: Nach einem erneuten Streit um eine als rassistisch empfundene Äußerung von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer soll der Querulant aus der Partei fliegen.
(jd/dpa) Nach dem bisherigen Höhenflug in den Umfragen markiert das vergangene Wochenende einen Dämpfer für Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Sie kämpft mit einem neuen Eklat des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer. Nun haben die Grünen ein Parteiausschlussverfahren gegen Palmer eingeleitet.
Palmer – der in den vergangenen Jahren immer wieder mit Provokationen für Ärger sorgte – hatte auf Facebook mit Aussagen über den früheren Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo für Empörung gesorgt. Im Zuge der Diskussion benutzte Palmer am Freitag einen rassistischen Begriff aus einem Aogo zugeschriebenen Zitat und kommentierte, nach eigenen Angaben ironisch: „Der Aogo ist ein schlimmer Rassist.“Zur Begründung verwies er auf einen nicht-verifizierten Facebook-Kommentar, in dem ohne jeden Beleg behauptet worden war, Aogo habe für sich selbst das N-Wort benutzt. Mit dem Begriff N-Wort wird heute eine früher gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.
Baerbock reagierte prompt. Beim Kurznachrichtendienst Twitter schrieb sie: „Die Äußerung von Boris Palmer ist rassistisch und abstoßend. Das Ganze reiht sich ein in immer neue Provokationen, die Menschen ausgrenzen und verletzen. Boris Palmer hat deshalb unsere politische Unterstützung verloren. (...) Unsere Landes- und Bundesgremien beraten nun über die entsprechenden Konsequenzen, inklusive Ausschlussverfahren.“
Palmer selbst erklärte am Samstag in einem langen Facebook-Statement, er habe eine Debatte mit dem Stilmittel der Ironie ins Groteske überzeichnet. „Meine Kritik am Auftrittsverbot von Aogo und Lehmann mit Rassismus in Verbindung zu bringen, ist so absurd, wie Dennis Aogo zu einem „schlimmen Rassisten“zu erklären, weil ihm im Internet rassistische Aussagen in den Mund gelegt werden.“
Beim Landesparteitag in Baden-Württemberg stimmten am Samstag 161 Delegierte für ein Ausschlussverfahren gegen Palmer, 44 dagegen, acht enthielten sich. „Die Zeit ist reif dafür. Denn das Maß ist voll“, sagte Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand. Die baden-württembergischen Grünen rechnen damit, dass das Ausschlussverfahren gegen den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer insgesamt zwischen drei und sechs Monate dauern könnte. Palmer kündigte an, sich in dem Verfahren einzubringen. „Ich werde mich dem stellen“, sagte der 48-Jährige der Welt am Sonntag.
Die Landespartei hatte Palmer schon im Mai 2020 ein Ausschlussverfahren angedroht. Damals hatte er mit dem Satz „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären“, zum Umgang mit Corona-Patienten für Aufregung gesorgt.
Unterdessen musste Baerbock sich zudem für Sätze in ihrer Bundestagsrede vom Freitag rechtfertigen, in der sie die soziale Marktwirtschaft den Sozialdemokraten zugeschrieben hatte. Als „Vater der sozialen Marktwirtschaft“gilt allerdings der erste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik und spätere Bundeskanzler Ludwig Erhardt von der CDU. Nach Häme in sozialen Netzwerken sprachen die Grünen nun von einem Versehen. „Annalena Baerbock ist in der mündlichen Rede im historischen Bezug ein Versehen unterlaufen“, sagte eine Parteisprecherin am Samstag. Den Wahlkampfstrategen der Grünen dürfte dieses Wochenende damit nicht gefallen haben.
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Gerrit Dauelsberg, Nico Tielke
Manuel Görtz