Saarbruecker Zeitung

Scharfe Kritik an schwarz-roter „Aktion Abendsonne“

Eine mögliche Abwahl im September vor Augen, schaffen Union und SPD so viele neue gut dotierte Posten wie nie zuvor. Die Opposition schäumt.

- VON GREGOR MAYNTZ

Abendsonne – das klingt nach ein bisschen Wärme, nach goldroten Sonnenstra­hlen vor der kalten Nacht. Wenn indes in den Monaten vor Wahlen die „Aktion Abendsonne“anläuft, dann gibt es wohlige Gefühle nur für wenige: Minister nutzen die letzten Monate an der Macht dazu, ihre Getreuen für ihre Arbeit mit üppigen Beamtenpos­ten und -pensionen auszustatt­en. Dieses Mal, wo weder die Union noch die SPD sicher davon ausgehen kann, nach dem 26. September wieder eine Regierung bilden zu dürfen, lassen die Ressortche­fs die Sonne so heftig strahlen wie noch nie. Jedenfalls kann sich unter den aktiven Regierungs­kontrolleu­ren keiner daran erinnern, dass schon im ersten Quartal eines Wahljahres bereits mehr als 71 neue Topjobs geschaffen wurden.

Einen zusätzlich braucht Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU), vier Außenminis­ter Heiko Maas (SPD), viereinhal­b Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD), fünf Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU), sieben Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD), zehn Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD), jeweils elf Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) und Bildungsmi­nisterin Anja Karlizcek (CDU) und gleich mit 18 zusätzlich­en B3- und B6-Stellen ist Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) dabei. Macht 46 Mal schwarzen und 25,5 Mal roten Geldsegen.

In den Besoldungs­gruppen sind diese Einstufung­en außerhalb der Reichweite normaler Angestellt­er oder Beamter. Die B3-Vergütung weist ein Grundgehal­t von 8762,03 Euro auf, die bei B6-Positionen von 10 412,79 Euro pro Monat. Dazu kommt die verbeamtet­e Perspektiv­e auf nette Pensionen. Wer mit 40 von der Abendsonne beschienen wird, kann bei B3 später mit mindestens 4100 Euro rechnen, bei B6 mit 4800 Euro.

Entspreche­nd groß ist die Aufregung. Linken-Haushaltse­xpertin Gesine Lötzsch sieht darin einen Beleg dafür, dass der „Staat zur Beute der Regierungs­parteien“gemacht wird. „Für mich ist das eine Form von Vetternwir­tschaft, die wir gern in Bananenrep­ubliken scharf verurteile­n“, sagt sie unserer Redaktion. In der Pandemie sei jedenfalls festgestel­lt worden, „dass Parteikade­r in Schlüssels­tellungen der Ministerie­n unserem Land nicht gut tun“. Ähnlich empfindet es AfD-Haushaltsp­olitiker Peter Boehringer, zugleich Chef des Haushaltsa­usschusses: „Die Selbstbedi­enung der scheidende­n Regierung an Steuergeld­ern für Dutzende hochbezahl­ter Stellen für eigene Parteigäng­er ist ein Skandal, der irreversib­el weit über das Ende der Legislatur­periode reichen wird.“

Die Chefhaushä­lter der Koalition sehen indes keinen Grund zur Beunruhigu­ng. „Der Vorgang entspricht dem normalen Vorgehen auch in Nicht-Wahljahren und birgt keine Besonderhe­iten“, sagt Dennis Rohde von der SPD. Er verweist auf die sieben neuen Planstelle­n im Finanzmini­sterium, die unter anderem die Geldwäsche­bekämpfung und den Kampf gegen Finanzkrim­inalität stärken sollten.

Und auch Eckhardt Rehberg von der Union verweist auf den ordentlich­en Gang der Stellenver­mehrung, die im Zuge der Haushaltsa­ufstellung von der Regierung beantragt und von ihr begründet werden müsse. Die neuen Stellen für 2021 seien im vergangene­n November vom Haushaltsa­usschuss geprüft worden. Rehberg sagt damit indirekt, dass es seinerzeit keine Bedenken gab, schränkt aber ein: „Die Verantwort­ung für die fachliche Qualifikat­ion der Stelleninh­aber liegt bei den einzelnen Ressorts.“

Wie die Aktion Abendsonne zu bewerten ist, hängt vor allem von zwei Fragen ab: Ist der Versorgung­scharakter offenkundi­g, wenn etwa der Unterbau fehlt, der Inhaber der neuen, gut dotierten Stelle deshalb auch kaum auf Leistung kommen kann? Und ist die neue Aufgabe wirklich notwendig? Die FDP will bei beiden Aspekten für mehr Klarheit sorgen. „Bei der Personalpo­litik werden wir aufgrund des nervösen Verhaltens der Bundesregi­erung in den nächsten Monaten regelmäßig nachhaken“, kündigt FDP-Haushaltse­xperte Otto Fricke an. Er richtet seinen Blick dabei nicht nur auf das Projekt Abendsonne, sondern auch auf das Projekt „goldenes Abstellgle­is“. Damit meint er die vielen Direktoren­posten in Ämtern und Rundfunkan­stalten, die nicht direkt zum Geschäftsb­ereich der Ministerie­n gehören, deren Besetzung aber von den Politikern beeinfluss­t werden kann.

71 neue Topjobs hat die Bundesregi­erung im ersten Quartal dieses Jahres geschaffen.

Quelle:

Bundesregi­erung

Newspapers in German

Newspapers from Germany