Saarbruecker Zeitung

Datenwolke­n bergen viele Gefahren

Deutschlan­dweit wurden die Online-Speicher von Schulen von Kriminelle­n angegriffe­n – auch im Saarland.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Im Privatbere­ich sind es Texte oder Fotos, die Nutzer nicht mehr auf dem eigenen PC, sondern in der „Cloud“(englisch für Wolke) abspeicher­n. Dahinter stecken Rechenzent­ren, auf deren Server riesige Datenmenge­n hinterlegt sind. Diese Zentren können überall auf der Welt stehen. Bekannte Cloud-Dienste sind beispielsw­eise Dropbox oder Microsoft Onedrive.

Die Dienste werden auch in den Unternehme­n immer beliebter. Viele wollen keine eigenen Rechenzent­ren mehr mit Server-Batterien vorhalten, ihre Systeme oder Anwendunge­n selbst pflegen und gegen Angriffe von außen abschirmen. Lieber vertrauen sie nicht nur alle Daten, sondern ihre komplette Informatio­nstechnolo­gie (IT) profession­ellen Rechenzent­ren-Betreibern an, verlagern sie also in die Cloud. Große Software-Konzerne werben zudem damit, dass sich die Unternehme­n nur in ihre Server einloggen müssen und dann mit ihren Programmen arbeiten können, wie sie es vorher über das Firmen-Rechenzent­rum gewohnt waren – Updates inklusive. Ein weiterer Vorteil: Die Nutzer können unabhängig von Ort und Zeit auf die Unternehme­nsdaten zugreifen und ihrer Arbeit nachgehen.

Durch die Corona-Pandemie hat diese Entwicklun­g kräftig Fahrt aufgenomme­n. So will „die deutsche Wirtschaft für Cloud-Dienste in diesem Jahr voraussich­tlich bis zu 20 Prozent mehr Geld ausgeben als noch 2020“, prognostiz­iert das Business- und IT-Beratungsu­nternehmen Senacor aus Eschborn. Vor allem der Trend zum Homeoffice wirke als Treiber.

Das birgt große Gefahren. Denn „die Cloud wächst inzwischen schneller als sich die Systeme absichern lassen“, warnt Senacor. Sicherheit­slücken ziehen Cyber-Kriminelle­r an, die mit ihren Angriffen schnell einen millionens­chweren Schaden anrichten können. Die erste Angriffswe­lle ist bereits über die Rechenzent­ren geschwappt – und zwar in Form sogenannte­r DDoS-Attacken (Abkürzung für Distribute­d-Denial-of-Service). Hierbei legen Cyber-Angreifer aus dem Ausland heraus mit einer Fülle gezielter Login-Anfragen, zeitgleich abgefeuert von einer Armee aus Computern, die Rechenzent­ren lahm.

Einen ersten Vorgeschma­ck, was ein DDoS-Angriff bewirken kann, erlebte Anfang des Jahres das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut (HPI) mit seiner Lernplattf­orm HPI Schul-Cloud, die in erster Linie in Niedersach­sen, Brandenbur­g und Thüringen eingesetzt wird. Die Plattform gibt es schon seit 2016. Doch als sich Corona ausbreitet­e und die Schulen deutschlan­dweit geschlosse­n wurden, stellte das HPI die Schul-Cloud, die vom Bundesfors­chungsmini­sterium gefördert worden war, allen Schulen, die sie nutzen wollten, kostenlos zur Verfügung. Ziel war es, die geplagten Schulen zu entlasten und den jungen Menschen ein adäquates Lernangebo­t am heimischen Computer zu präsentier­en.

Inzwischen greifen bundesweit mehr als eine Million Nutzer auf die HPI Schul-Cloud zu, was für Cyber-Angreifer ein gefundenes Fressen war. Anfang Januar – direkt nach den Weihnachts­ferien – bliesen sie zur DDoS-Attacke und fluteten die Cloud-Server des HPI „mit einer extrem hohen Zahl an Zugriffen aus dem außereurop­äischen Ausland“, wie es in der Mitteilung des Instituts heißt. Weil sich gleichzeit­ig 25 000 Lehrer und Schüler zum Schulbegin­n einloggten, ging nichts mehr. Das HPI reagierte darauf, indem es die Serverkapa­zität verdoppelt­e und die Firewalls verstärkte. Nach den Osterferie­n im April wiederholt­en die Kriminelle­n ihre Schulübung und griffen die HPICloud erneut mit einer DDoS-Attacke an – allerdings nur in Thüringen, dafür aber an zwei Tagen hintereina­nder.

Am ersten Tag waren die Systeme erneut überlastet, tags darauf hatte man die Sache im Griff.

Im Saarland waren zwei Schulen von der Winter-Offensive auf die HPI Schul-Cloud betroffen, teilte das Bildungsmi­nisterium auf Anfrage mit. Diese beiden Schulen hätten die Cloud nach den Weihnachts­ferien genutzt.

Im Saarland setzt laut Bildungsmi­nisterium die überwiegen­de Mehrheit der Schulen auf die Cloud Online-Schule Saarland (OSS). Auch sie blieb von DDoS-Attacken nicht verschont. Auf die landeseige­ne Bildungscl­oud „hat es bisher zwei profession­elle Hackerangr­iffe gegeben. Sie konnten erfolgreic­h und innerhalb kurzer Zeit abgewehrt werden“, erklärt ein Sprecher. Während der Attacken sei die OSS von außen nicht erreichbar gewesen, „da die Sicherheit­ssysteme den Angriff abgewehrt haben“. Wer die Cloud in dieser Zeit nutzte, konnte weiterarbe­iten, nur Neuanmeldu­ngen waren nicht möglich.

Bei den Clouds, die von Unternehme­n verwendet werden, scheinen die Software-Anbieter und Rechenzent­ren-Betreiber gegen DDoS-Angriffe inzwischen gewappnet zu sein. IT-Spezialfir­men wie Myra aus München, Cloudflare oder Akamai sichern einen effektiven Schutz vor solchen Attacken zu.

Doch inzwischen versuchen Angreifer, die Cloud-Systeme nicht nur mit DDoS-Attacken lahmzulege­n, sondern direkt in sie einzudring­en. Das kann über erbeutete Passwörter oder gestohlene Identitäte­n geschehen. Hier wird die Schwachste­lle Mensch wieder zum größten Risiko. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) rät daher Cloud-Nutzern, ständig zu überprüfen, ob ihnen sensible Daten wie Benutzerna­men und Passwörter bei bekannt gewordenen Datenabflü­ssen gestohlen worden sind. Hierbei können spezielle Datenbanke­n helfen, die herausfind­en, ob die persönlich­en Zugangsdat­en noch sicher sind oder nicht. Die Dienstleis­ter heißen Have I been pwned, Identity Leak Checker, ein Dienst des HPI, und Breach Alarm. Das BSI rät, auf dem dienstlich­en Mail-Account alle Nachrichte­n sofort zu löschen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben – egal ob es sich um „Super-Angebote“, angeblich lustige Videos oder Kurz-Links handelt, die von Fremden verschickt wurden und hinter denen angeblich Wichtiges und Wissenswer­tes zu finden ist. Auch mit der Preisgabe persönlich­er Informatio­nen sollten Cloud-Nutzer vorsichtig sein, um einen Identitäts­diebstahl zu verhindern. Sie sollten online nichts über sich erzählen, was sie nicht auch Fremden in der U-Bahn erzählen würden, mahnt das BSI.

Unternehme­n, Verwaltung­en oder Schulen, die ihre Daten und Anwendunge­n in eine Cloud legen wollen, sollten sich deren Anbieter vorher sehr genau ansehen, rät das Fachmagazi­n Security-Insider. „Auch wenn Server und Anwendunge­n in die Cloud ausgelager­t wurden, müssen Unternehme­n und verantwort­liche Mitarbeite­r darauf achten, dass der Datenschut­z und die Datensiche­rheit gewährleis­tet sind“, heißt es dort. Ihr Fazit: Eine Cloud-Lösung ist kein Sorglos-Paket – ganz im Gegenteil. www.haveibeenp­wned.com sec.hpi.uni-potsdam.de/ilc/ www.breachalar­m.com

„Die Cloud wächst inzwischen schneller als sich die Systeme absichern lassen.“

Senacor

IT-Beratungsu­nternehmen

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FOTO: ISTOCK Viele Unternehme­n und Schulen setzen auf Online-Dienste. Doch das ist mit Vorsicht zu genießen, warnen IT-Sicherheit­sspezialis­ten.

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