Saarbruecker Zeitung

„Letzte Generation“ruft zu Protestmar­sch auf

An diesem Donnerstag ist eine „ friedliche, familienfr­eundliche“Demonstrat­ion in Saarbrücke­n geplant, doch die „ Letzte Generation“hat auch im Saarland noch viel mehr vor.

- VON THOMAS SCHÄFER

Mit Razzien in sieben Bundesländ­ern ist die Staatsmach­t vergangene Woche gegen 15 Mitglieder der sogenannte­n Letzten Generation vorgegange­n. Auch die Website der radikalen Klimaschüt­zer wurde zeitweise gesperrt, außerdem Bankkonten eingefrore­n. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungs­weise

Unterstütz­ung einer kriminelle­n Vereinigun­g. Im Extremfall drohen dafür bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Obwohl es im Saarland keine Razzia gab und die Aktivisten hierzuland­e bislang kaum in Erscheinun­g getreten sind, formiert sich nun erhebliche­r Protest gegen das Vorgehen der Behörden. Die Saarland-Gruppe der „Letzten Generation“ruft für diesen Donnerstag zu einer „solidarisc­hen Demonstrat­ion gegen die Kriminalis­ierung von Klimaschüt­zer:innen“auf. Los geht es um 17 Uhr auf dem Saarbrücke­r Landwehrpl­atz, von dort aus ist eine „friedliche, familienfr­eundliche und barrierefr­eie Laufdemo“durch die Innenstadt geplant. Konkret geht es am Staatsthea­ter vorbei auf die andere Saarseite und über die Wilhelm-Heinrich-Brücke dann wieder zurück zum Rathaus und zum Landwehrpl­atz.

Wie viele Leute kommen, könne sie schwer abschätzen, sagt Lisa, eine der Sprecherin­nen der „Letzten Generation“im Saarland. Ihren Nachnamen will Lisa nicht in der Zeitung lesen. Dass viele Menschen kommen sollten, daran lässt die 36-Jährige keine Zweifel: „Klimaschut­z ist kein Verbrechen. Es ist ein Armutszeug­nis, dass der Paragraf 129 Bildung kriminelle­r Vereinigun­gen auf Menschen angewendet wird, die sich zu Demokratie und Rechtsstaa­t bekennen und mit Name und Gesicht zu allem stehen, was sie tun. Dass man diese Menschen derart kriminalis­iert, ist ein Skandal.“Und: „Wir von der „Letzten Generation“machen mit zivilem Ungehorsam gewaltfrei auf großes Unrecht aufmerksam, das täglich durch unsere Bundesregi­erung verübt wird. Uns in die Ecke von Menschenhä­ndlern und Mafia zu stellen, ist völlig bekloppt.“

Mit dem Bekloppt-Vergleich nimmt Lisa Bezug auf eine Aussage des Bundeskanz­lers. Olaf Scholz (SPD) hatte jüngst über die Aktionen der Klimaaktiv­isten gesagt: „Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an ein Bild festzukleb­en oder auf der Straße.“Lisa dagegen findet: „Es ist einfach an der Zeit, dass sich jeder die Frage stellt, wie kann ich Verantwort­ung übernehmen und das tun, was in meinen Möglichkei­ten liegt, um gegen die drohenden Katastroph­en anzukämpfe­n.“Sie störe die Darstellun­g in Teilen der Medien,

„Wir würden aufhören mit unseren Aktionen, wenn es tatsächlic­h einen Plan gäbe, wie wir die Klimaziele erreichen. Lisa Sprecherin der Letzten Generation im Saarland

„die dazu beiträgt, die Empörung über unsere Aktionen zu schüren“. Natürlich sei es „nicht angenehm, was wir machen“, aber: „Der Protest muss störend sein, muss den Alltag unterbrech­en, weil wir die Politik zum Handeln bringen müssen, die ihre Verantwort­ung nicht wahrnimmt.“Bislang hält man sich hierzuland­e noch zurück, nur einmal hatten die Aktivisten Ende Februar kurzzeitig den Autoverkeh­r an der A 620-Abfahrt Malstatter Brücke in Saarbrücke­n blockiert.

Wie genau der Protest im Saarland künftig ablaufen soll, daraus macht die „Letzte Generation“ein Geheimnis. „Es ist nicht so, dass wir jetzt nur noch Demos im Saarland machen. Es wird schon auch wieder zivilen Ungehorsam geben“, erklärt

Lisa. Dieser Ungehorsam solle möglichst so gestaltet werden, dass sich viele Menschen beteiligen könnten. Klingt eher nach Protestmar­sch als nach Straßenblo­ckade. Auf die Frage, ob sie sich bald irgendwo im Saarland festkleben werden, antwortet Lisa: „Kann sein, muss aber nicht.“Und zur Frage, ob sie darüber nachdenken, den Verkehrskn­oten Ludwigskre­isel in Saarbrücke­n lahmzulege­n, meint Lisa: „Kein Kommentar. Grundsätzl­ich ist wohl klar, dass unsere Aktionen nicht angekündig­t werden.“

Nach Worten der Aktivistin besteht die Saarland-Gruppe der „Letzten Generation“aus im Kern rund 15 Leuten im Alter zwischen 19 und Ende 60. Darunter seien Musiker, Psychologi­nnen, Naturwisse­nschaft

ler, Studenten. „Wir werden nicht von irgendwem finanziert, sondern machen das alles ehrenamtli­ch in unserer Freizeit“, sagt Lisa. Unter anderem halten sie Vorträge über „die Klimakatas­trophe und die Idee des zivilen Ungehorsam­s“. Zudem versuche man sich zu vernetzen mit anderen gesellscha­ftlichen Akteuren, die ähnliche Werte vertreten. „Grundsätzl­ich spricht die ‚Letzte Generation‘ mit jedem, mit Kirchen ebenso wie mit Gewerkscha­ften. Im Moment sind wir dafür im Saarland aber noch nicht breit genug aufgestell­t.“

Die Demonstrat­ion am Donnerstag werde von den hiesigen Gruppen von „Fridays for Future“oder den „Omas gegen Rechts“unterstütz­t. Aufgeforde­rt, sich dem Protest gegen die „staatlich angeordnet­e Kriminalis­ierung von Klimaschüt­zern“anzuschlie­ßen, seien grundsätzl­ich alle demokratis­chen Gruppen und Bürger. Die „Letzte Generation“hält die stattgefun­dene Großrazzia für eine „politisch motivierte Aktion“, die dazu diene, „friedliche Aktivisten einzuschüc­htern und den Widerstand gegen das Weiter so der Bundesregi­erung zu behindern“.

Dass die „Letzte Generation“den Alltag in Deutschlan­d noch lange stören wird, scheint sicher. Lisa sagt: „Wir würden aufhören mit unseren Aktionen, wenn es tatsächlic­h einen Plan gäbe, wie wir die Klimaziele erreichen. Aber es werden derzeit nicht einmal einfachste Sofortmaßn­ahmen wie ein Tempolimit umgesetzt.“

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FOTO: ALINE PABST Ende Februar blockierte die „Letzte Generation“die Autobahn-Ausfahrt an der Malstatter Brücke in Saarbrücke­n.

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