FDP stemmt sich gegen die „Lust am Untergang“
Beim Dreikönigstreffen in Stuttgart versammeln sich die Liberalen hinter Parteichef Christian Lindner. Eine „Wirtschaftswende“soll die Wende zum Besseren auch für die FDP bringen, doch der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung könnte erst nach wichtigen Wah
STUTTGART Gemessen an dem, was sein Koalitionspartner und Ressortkollege Robert Habeck (Grüne) am vergangenen Donnerstag beim Bauernprotest in Schleswig-Holstein hat erleben müssen, kam Christian Lindner am Samstag in Stuttgart glimpflich davon. Keine wütenden Landwirte, kein gewaltbereiter Mob, der den FDP-Vorsitzenden beim traditionellen Dreikönigstreffen nötigen wollte, wie es Wirtschaftsminister Habeck passierte, als er eine Fähre verlassen wollte. In Stuttgart waren es nur einige Klima-Aktivisten, die die Rede des Bundesfinanzministers mit Protestrufen unterbrachen.
Lindner wehrte sich gegen die Störer und verurteilte die Attacke auf Habeck aufs Schärfste – und konzentrierte sich ansonsten aufs Mutmachen. Die vielen gleichzeitigen Krisen, Lindner nannte sie „Epochenumbrüche“, drückten die Stimmung und führten zu einer regelrechten „Lust am Untergang“.
Von Deindustrialisierung, Absturz und Niedergang sei sogar die Rede, alles das halte er für übertrieben. Eine Gesellschaft, die nicht an die eigene Zukunft glaube, verspiele die Zukunft. „Es gibt einen dritten
Weg zwischen Gesundbeten und Schwarzmalerei – und das ist: sich den Realitäten stellen und etwas unternehmen“, sagte Lindner. Der deutschen Wirtschaft bescheinigt er ein erhebliches „Turnaround“Potenzial. Sie brauche für den Aufschwung keine Subventionen.
Ein Wahljahr beginnt, drei Landtagswahlen und die Europawahl im Juni mit der in der Partei überaus populären Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann muss die FDP erfolgreich bestehen. Sie ist nach zwei Jahren in der Ampelkoalition angeschlagen, ihre Umfragewerte liegen bundesweit bei etwa fünf Prozent.
Mehr als bei den anderen Regierungsparteien hängt der Erfolg der FDP bei den Wahlen vor allem davon ab, ob rechtzeitig in diesem Jahr der wirtschaftliche Aufschwung gelingt. Eine Mitgliederbefragung, die unzufriedene Liberale erzwungen hatten, fiel zu Jahresbeginn nicht gerade überzeugend aus: Nur eine hauchdünne Mehrheit von 52 Prozent der Mitglieder votierte für den
Verbleib der FDP in der Ampelkoalition.
Der FDP-Vorsitzende will sich nicht aus der Ampel davonstehlen, schließlich könnten Neuwahlen das erneute Aus für die FDP im Bundestag bedeuten. Stattdessen soll das liberale Profil vor allem in der Wirtschafts- und Migrationspolitik sichtbarer werden. Auf entspanntere Zeiten mit der FDP dürfen sich SPD und Grüne daher nicht einstellen.
„Es gibt einen dritten Weg zwischen Gesundbeten und Schwarzmalerei – und das ist: sich den Realitäten stellen und etwas unternehmen.“Christian Lindner FDP-Vorsitzender
Immerhin verschonte der Oberliberale die Koalitionspartner weitgehend mit Kritik. Nur SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bekam sein Fett weg, weil er mit dem Hochwasser einen neuen Grund gefunden hat, die Schuldenbremse auszusetzen. In Wahrheit „schwant SPD und Grünen, dass die ganzen sozialpolitischen und auch ökologischen Vorhaben, die diese Parteien haben, im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld nur sehr schwer und unter großen Anstrengungen zu realisieren sind“, sagte Lindner. „Manche träumen noch von Steuererhöhungen oder eben Umgehungen der Schuldenbremse – es wird sie nicht geben“, stellte er klar.
Wenn der Bund Hochwasserhilfen leisten müsse, sollte das durch Umschichtungen im Haushalt finanziert werden. Das Verfassungsurteil Mitte November, das die Haushaltspläne der Ampel über den Haufen geworfen hatte, sei auch für ihn persönlich „peinlich“gewesen, gab Lindner zu. Doch mit dem Urteil sei noch klarer geworden, dass die Politik mit dem Geld der Bürger verantwortungsvoll umgehen müsse. „Dieser Finanzminister wird keine Entscheidungen treffen, die neue verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen.“
Aufgabe der Liberalen sei es, eine „Wirtschaftswende“herbeizuführen. Wachsumsfördernde Politik, das könnten nicht SPD und Grüne, sondern nur die FDP. „Mein Vorschlag ist: Sorgen wir doch dafür, dass eine wieder starke und wachsende Wirtschaft uns die Mittel zur Verfügung stellt, die wir brauchen für Soziales, Ökologisches und die Sicherheitspolitik“, sagte Lindner.
Er nannte als Beispiel das von ihm vorgelegte Wachstumschancengesetz mit Investitionszuschüssen für Unternehmen, das derzeit aber von der Union und den Bundesländern im Bundesrat blockiert wird. Der FDP-Chef forderte CDU-Chef Friedrich Merz auf, mit der Regierung zeitnah über Lösungen zu verhandeln. Zudem bringe die Regierung jetzt Maßnahmenpakete zum Bürokratieabbau und zur Kontrolle der irregulären Migration auf den Weg.
Lindner knöpfte sich die Union vor, die ihre Kritik an der Ampel auf gefährliche Weise überziehen würde. „Von der CDU nehme ich keine Belehrungen entgegen, dass wir nicht schnell genug sind, den hinterlassenen Scherbenhaufen zusammenzukehren“, rief er.
Seine Parteifreunde im voll besetzten Opernhaus reagierten mit Standing Ovations.