Kein Ende der Gewalt im Sudan – Flüchtlingsleid verschärft sich
Zwischen den Kriegen in der Ukraine und in Nahost findet der Konflikt im Sudan kaum noch Aufmerksamkeit. Dabei eskaliert dort gerade die Lage.
KHARTUM/NAIROBI (dpa) Ein eskalierender Konflikt, Flucht, Vertreibungen und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung haben dem Sudan für 2024 einen traurigen Spitzenplatz beschert: Das International Rescue Committee (IRC), das jeweils zum Jahresende eine Liste humanitärer Krisen erstellt, auf die im Folgejahr geachtet werden sollte, führt das Land im Nordosten Afrikas auf Platz eins. Dennoch gerät der Sudan angesichts der Konflikte in der Ukraine und in Nahost aus dem Blickfeld, fürchtet das IRC. Dabei hat der Konflikt im Sudan, so betont etwa die sudanesische Analystin Kholod Khair, Auswirkungen auf eine ganze Reihe von Regionen vom Roten Meer über die Sahelregion bis hin zum Mittelmeer.
Unter der Führung von De-factoStaatschef Abdel Fattah al-Burhan kämpfen die Streitkräfte seit Mitte April gegen die Rapid Support Forces (RSF), eine aus Milizen hervorgegangene Quasi-Armee, die von dem ehemaligen Vize-Machthaber Mohammed Hamdan Daglo angeführt wird. Dabei waren die beiden Männer einst Verbündete, die sich nach dem Sturz des langjährigen sudanesischen Machthabers Omar al-Baschir 2019 gemeinsam an die Macht geputscht hatten.
Der Konflikt um die Macht im Sudan hat vor allem in der Hauptstadt Khartum und in der westlichen Region Darfur schwere Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Nach UN-Angaben sind mehr als sieben Millionen
Menschen im Land auf der Flucht. Beiden Konfliktparteien werden Kriegsverbrechen vorgeworfen, vor allem der RSF. Nun soll in Dschibuti ein neuer Versuch gemacht werden, unter Vermittlung der Staatengemeinschaft IGAD direkte Gespräche zwischen al-Burhan und Daglo sowie eine Einstellung der Kämpfe zu erreichen. Zeitweise gab es sogar Rätselraten darüber, ob Daglo überhaupt noch am Leben ist, weil er so lange nicht in der Öffentlichkeit zu sehen war.
Seit einigen Tagen jedoch ist Daglo auf diplomatischer Besuchstour – in der vergangenen Woche wurde ein Foto veröffentlicht, das ihn mit dem ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni zeigte, wenig später veröffentlichte das äthiopische Außenministerium Bilder von Daglos Ankunft in Addis Abeba. Zuletzt traf er sich dort mit dem früheren sudanesischen Premier Abdullah Hamdok, um einen Plan zum Ende des Krieges zu erörtern.
Die RSF-Kämpfer sind unterdessen in den vergangenen Wochen in den Bundesstaat Jezira südöstlich von Khartum vorgedrungen. In der regionalen Hauptstadt Wad Madani, in die zu diesem Zeitpunkt etwa eine halbe Million Menschen geflüchtet waren, herrschte Panik. „Wir fürchten, dass sich Wad Madani, das einst als sicherer Hafen für die Menschen galt, die vor extremer Gewalt in Khartum geflohen sind, in eine weitere Todesfalle verwandelt“, warnte kürzlich Pierre Dorbes, Leiter der Delegation des Komitee des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) im Sudan.
Mit dem Vormarsch der RSF ist bereits eingetreten, wovor das IRC für 2024 gewarnt hatte. Die Region Jezira gilt als Brotkorb des Sudan, das dort angebaute Getreide als wichtig für die Versorgung der Bevölkerung. Wegen der Folgen des Klimawandels war die Ernährungslage ohnehin stark angespannt. Mittlerweile können Helfer etwa des UN-Ernährungsprogramms ( WFP) nicht mehr zu den Menschen in Wad Madani vordringen. In Darfur kann nur ein kleiner Teil der Bevölkerung mit Konvois aus dem benachbarten Tschad mit Lebensmitteln versorgt werden. Die meisten Bedürftigen sind vom Hilfesystem abgeschnitten.
„Acht Monate seit Beginn des Konflikts wird es schwerer und schwerer, im Sudan einen sicheren Ort zu finden“, warnt Arif Noor, Landesdirektor der Hilfsorganisation Save the Children. Allein in Wad Madani lebten rund 350 000 Kinder in der Angst, von Bewaffneten entführt zu werden oder sexueller Gewalt ausgesetzt zu sein. Tausende Schulen im Land sind seit Monaten geschlossen, weil dort Geflüchtete untergekommen sind. „Im Sudan herrschen Chaos und massenhafter Tod“, sagt Noor. „Sie sehen Dinge, die kein Kind sehen sollte.“