Das passiert mit Implantaten nach dem Tod
Wenn ein Mensch nach dem Tod eingeäschert wird, bleibt oft ein Teil von ihm in Form von Implantaten zurück. Titanhüften oder Goldzähne haben häufig keinen sentimentalen, dafür aber monetären Wert. Wer profitiert von den nicht-so-sterblichen Überresten? Bleibt die Pietät gewahrt? Und was ist mit den Hinterbliebenen?
SAARBRÜCKEN Die Feuerbestattung ist im Trend. Rund 85 Prozent aller Saarländer entscheiden sich für eine Einäscherung in einem von zwei saarländischen Krematorien. Betrieben werden die Ofenanlagen in Völklingen und Saarbrücken von der Vereinigte Feuerbestattung Saar GmbH, deren Hauptgesellschafter die beiden Städte selbst sind. Das Saarland ist mit seiner Vorliebe für die Urnenbestattung jedoch nicht allein – laut der Gütegemeinschaft Feuerbestattungsanlagen lag deren bundesdeutscher Anteil im Jahr 2022 bei immerhin 78 Prozent.
Entsprechend groß war die Empörung, als sich Justiz und Medien in den 2000er Jahren mit gleich drei sogenannten „Zahngold-Skandalen“beschäftigen mussten: Mitarbeiter der Krematorien in Hof, Nürnberg und Hamburg-Ojendorf hatten über Jahre hinweg aus der Totenasche Zahngold entnommen und sich daran bereichert. Allein im Hamburger Fall wurden so in einem Zeitraum von acht Jahren rund 600 000 Euro erbeutet.
„Seitdem haben sich ein paar Gesetze geändert. So muss in Hamburg zum Beispiel alles, was nach der Einäscherung übrig bleibt, auch in die Urne“, erklärt Christoph Keldenich, Vorsitzender der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas. Das bringt allerdings seine ganz eigenen Probleme mit sich.
Christian Duchene, Inhaber des Völklinger Bestattungsinstituts Avalon, ist deshalb froh, dass sich dieser Trend im Saarland nicht durchgesetzt hat: „Es ist ein Riesenaufwand, Titanhüften zu schreddern“, sagt er und fügt hinzu: „Das hätte zu hohen Kosten für die Krematorien geführt.“
Trotzdem ist die Diskussion um den Profit aus der Totenasche nicht spurlos am Saarland vorbeigezogen. Wegen der unklaren Rechtssituation beschäftigte sich der Deutsche Städtetag mit der Materie. Uwe Kunzler, Geschäftsführer der Vereinigten Feuerbestattungen Saar GmbH, war damals Vorsitzender des Arbeitskreises Kommunaler Krematorien. „Das war der Startschuss zur Entwicklung von Handlungsempfehlungen“, erinnert er sich. Den fertigen Empfehlungen folgen die Krematorien des Saarlandes immer noch. „Heute ist es so, dass die Leute unterschreiben müssen, dass das Krematorium die Verkaufs- beziehungsweise Recyclingrechte besitzt“, nennt Meisterbestatter Duchene eine der wichtigsten Leitlinien.
Gleichzeitig gebe es eine Alternative, die jedoch von Hinterbliebenen kaum genutzt wird: „Wenn man das tatsächlich will, kann man auf die Herausgabe der Metalle und Implantate pochen“, sagt Duchene. In der Praxis wird dies jedoch selten in Anspruch genommen, denn kaum jemand will der Einäscherung eines Verstorbenen beiwohnen und dessen metallische Überreste im Ofen und in der Aschenmühle suchen. „Es gilt das Vier- bis Sechs-AugenPrinzip. Wir müssen uns rechtlich absichern“, erklärt Krematoriumsbetreiber Kunzler den Prozess. Dazu kommt ein ganz praktisches Problem. „Zahngold findet man nicht mehr so einfach“, erklärt Meisterbestatter Duchene.
Übrigens: Selbst ohne Aufforderung durch die Hinterbliebenen fand früher eine Entnahme von Herzschrittmachern bei der Leichenschau statt. Im Zuge der Einäscherung kam es nämlich vermehrt zu Explosionen, die wiederum zu Schäden an kleinen und mittelgroßen Ofenanlagen führten. Die neueren Modelle seien dagegen kleiner und damit unbedenklich für die Krematoriumsöfen, erläutert Uwe Kunzler.
Auch abseits aller moralischen Erwägungen ist das Recycling von Implantaten oft wenig reizvoll. Beim Durchschnittsmenschen würden zirka 30 bis 50 Euro an Grob- und Edelmetallen anfallen, erklärt Krematoriumsbetreiber Uwe Kunzler.
Trotzdem entstehen durch die rund 9000 Einäscherungen pro Jahr größere Mengen an Rückständen in den saarländischen Krematorien. „Bei Grobmetallen wie Kobalt, Stahl oder Titan reden wir über einige Tonnen pro Jahr, bei Edelmetallen wie Gold, Silber, Platin oder Paladium von acht bis zehn Kilogramm pro Quartal“, sagt Kunzler. Durch das Recycling dieser Metalle auf Wertstoffhöfen wird so jährlich eine nicht unbeträchtliche Summe von etwa 300 000 Euro erwirtschaftet.
Für Meisterbestatter Duchene, der auch im Bestatterverband Saar aktiv ist, steht allerdings fest, wie mit diesem Ertrag umgegangen werden soll: „Krematorien sind dazu angehalten, die Gelder für die Instandhaltung von Friedhöfen oder karitative Zwecke auszugeben.“
An diesen Rat des Deutschen Städtetags halten sich auch die saarländischen Krematorien. „Wir geben die Erlöse steuerneutral und zweckgebunden an Völklingen und Saarbrücken“, sagt Geschäftsführer Kunzler. Die Gelder können dann von beiden Städten zur Kostendeckung ihrer Friedhöfe, aber auch zur Sanierung von Grabstätten verwendet werden. So beispielsweise in Burbach, wo ein großes zugewachsenes Grabfeld mit den Hüttendirektoren der Burbacher Hütte freigelegt und saniert worden ist.
Profiteure des saarländischen Recycling-Modells sind aber nicht nur die Städte und deren Friedhöfe. Die Umwelt gewinnt dabei ebenfalls. Die Beisetzung von Implantaten und Metallresten mit der Asche des Verstorbenen, wie sie in Hamburg praktiziert wird, ist im wahrsten Sinne des Wortes Gift für die Natur. Beispiel Gold: Beim Abbau des Edelmetalls kommen toxische Chemikalien wie Arsen, Quecksilber und Zyanid zum Einsatz, die anschließend in Boden, Luft und Gewässer gelangen. Auch das Roden von Wäldern, um Platz für den Bergbau zu schaffen, gehört zu den Problemen des Goldabbaus, der durch Recycling ein Stück weit vermieden werden kann. Deshalb fordert beispielsweise die Naturschutzorganisation WWF Deutschland, mehr auf Gold-Recycling zu setzen – eine Forderung, der zumindest die saarländischen Krematorien nachkommen.