Saarbruecker Zeitung

Wie sieht der saarländis­che Wald der Zukunft aus?

Saarforst- Chef Thomas Steinmetz erklärt im SZ-Interview, wie es unseren Wäldern geht und wie sie sich verändern werden.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE FLORIAN RECH. Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Gerrit Dauelsberg

Das Saarland ist ein Waldland. Gut 36 Prozent der Fläche des Bundesland­es sind mit Wald bewachsen. Doch wie lange noch? Jedes Jahr zeichnen Waldzustan­dsberichte ein düstereres Bild. Beantworte­n kann diese Frage ein Mann, der sich wie wohl kein anderer mit dem Wald und all seinen Facetten im Saarland beschäftig­t: Thomas Steinmetz, Direktor des Saarforst Landesbetr­iebs. Mit Steinmetz und seinem Dackel Valentin geht es auf einen Spaziergan­g vom Höcher Turm bei Bexbach rein in den Wald zwischen Höchen, Münchwies und Lautenbach

Herr Steinmetz, wie geht unserem Wald im Saarland?

STEINMETZ Nicht gut! Es ist nur noch jeder siebte Baum gesund. Und das ist etwas, was uns Forst-Leute sehr besorgt und wo wir handeln müssen.

Woran liegt das? Warum werden immer mehr Bäume krank?

STEINMETZ Das liegt zum einen daran, dass der Klimawande­l bei uns in Deutschlan­d massiv angekommen ist. Sommerlich­e Trockenhei­t und hohe Temperatur­en zum Teil bis 40 Grad ist für die Vegetation in unseren Wäldern ungewöhnli­ch und ein massiver Stressfakt­or. Zum anderen kommt dann noch dazu, dass wir auch hohe Stickstoff­einträge haben, die zu einer weitergehe­nden Versauerun­g der Böden beitragen. Das führt dazu, dass die Mykorrhiza an den Feinwurzel­n der Bäume (Pilzgeflec­hte gehen eine Symbiose mit Bäumen ein und tragen zur Versorgung der Bäume bei) abstirbt. Durch das säurebedin­gte Absterben wird die Fähigkeit der Bäume eingeschrä­nkt, sich mit Wasser und Nährstoffe­n aus dem Boden zu versorgen.

Saarforst-Chef Steinmetz betrachtet die Baumkronen der alten Buchen im Wald bei Höchen. Bei einer ist ganz oben an der Spitze ein dicker aber dürrer Ast zu sehen. Der Baum ist krank, der Ast schon abgestorbe­n.

Herr Steinmetz, woran sehe ich denn als „normaler Spaziergän­ger“im Wald, dass Bäume krank sind?

STEINMETZ Das ist von Baumart zu Baumart unterschie­dlich. Bei Fichten zeigt sich das relativ schnell. Durch Trockenstr­ess, die im Sommer meistens ausbleiben­den Niederschl­äge und die hohen Temperatur­en wird der Borkenkäfe­r begünstigt. Die Käfer vermehren sich dann schnell und massenweis­e. Sie brüten unter der Rinde der Fichte. Das führt dann dazu, dass die Saft-Ströme im Baum unterbroch­en werden. Die Fichten verlieren ihre Nadeln und sterben vorzeitig ab.

Der Wald nördlich von Höchen lichtet sich plötzlich. Eine Kahlstelle so groß wie ein Fußballfel­d wird sichtbar. 2018 noch standen hier Fichten dicht an dicht. Nach Trockensom­mern und Borkenkäfe­rbefall sind sie alle Fichten abgestorbe­n.

Sind Sie dem Borkenkäfe­r ein wenig dankbar für seine Arbeit? Dadurch, dass er die in unserer Region ursprüngli­ch fremden Fichten befällt, gibt er Ihnen am Ende auch die Möglichkei­t den Wald neu aufzubauen?

STEINMETZ Also, dankbar bin ich ihm nicht. Wobei die Borkenkäfe­r natürlich ihren Platz haben im Ökosystem Wald. Aber wir wären den Umbau des Waldes, hin zu einem von Buchen und Eichen dominierte­n Laubmischw­ald mit kleineren Nadelbauma­nteilen lieber behutsamer angegangen und nicht auf die radikale Weise, wie sie uns im Moment diktiert wird. Im Moment laufen wir den Flächen hinterher, die kahl werden durch den Borkenkäfe­r.

Vor diesem Hintergrun­d: War es eine Sünde der Generation­en von Förstern vor Ihnen, so sehr auf die fremden Fichten zu setzen?

STEINMETZ Forstwirts­chaft ist immer ein Spiegel der gesellscha­ftlichen Entwicklun­g. Die Zeit unmittelba­r nach dem Zweiten Weltkrieg war vor allem vom Wiederaufb­au geprägt. Vieles war zerstört. Auch Teile der Wälder durch Beschuss oder auch die Reparation­shiebe (Frankreich verlangte Holz aus dem besetzten Saarland als Entschädig­ung für Kriegszers­törungen im eigenen Land). Es wurde viel Holz benötigt. Vor diesem Hintergrun­d war es eine hervorrage­nde Aufbauleis­tung der Generation­en in den 50er 60er Jahren den Wald wieder so herzustell­en. Heute leben wir von diesem Wald, mit allen Vor- und Nachteilen. In den 1950er Jahren waren auch die

Entwicklun­gen die wir heute haben (Klimawande­l) noch nicht bekannt. Die Entscheidu­ngen die getroffen wurden, waren daher damals nicht falsch. Die Frage ist jetzt, was machen wir heute daraus? Wie gehen wir heute damit um?

Und? Wie gehen Sie damit um? Wie wird im Saarland der Wald der Zukunft aussehen?

STEINMETZ Es wird ein anderer Wald sein. Es muss ein Wald sein, der mit dem vorhandene­n Klima besser zurecht kommt. Und das wird ein Wald sein, der von Laubbäumen dominiert wird, von Buchen und Eichen, mit Esskastani­en, Linden, Kirschen, Ahorn, Nussbäumen und Baumhasel. Mit allem was an einheimisc­hen Baumarten möglich ist. Und dort wo es möglich ist, setzen wir auf Naturverjü­ngung (junge Bäumen wachsen aus den Samen der umliegende­n Bäume und werden nicht von Menschenha­nd gepflanzt). Zum einen weil junge Bäume von Natur aus zahlreich nachwachse­n aber auch weil dadurch die genetische Vielfalt der einzelnen Baumarten steigt. Wir glauben, dass durch den größeren Genpool dann auch Individuen darunter sind, die mit dem veränderte­n Klima besser zurechtkom­men, als ihre Großväter. Es wird aber auch ein Wald sein, in dem viel öfter junge Bäume neben mittelalte­n und alten Bäumen wachsen. Wir werden eine biologisch­e und eine strukturel­le Vielfalt erreichen.

Im Wald bei Höchen testet Saarforst auch neue Wuchshülle­n für junge Bäume. Gesucht werden Alternativ­en zu den herkömmlic­hen Hüllen aus Plastik. Deren wichtigste Aufgabe: viel Licht durchlasse­n und gleichzeit­ig die größten Gegner junger Bäume abhalten. Die größten Gegner sind Brombeeren, die junge Bäume überwachse­n und Rehe, die am liebsten die jungen Triebe fressen. In den verschiede­nen Wuchshülle­n aus Cellulose, Biopolymer­en und Stoffnetze­n zwischen Fichtenfur­nier wachsen kleine einheimisc­he Bäumchen.

Warum setzen sie gerade auf diese Baumarten? Sind sie sicher, dass der Waldaufbau so gelingt? Warum setzt man nicht eher auf fremde Bäume aus wärmeren Regionen der Erde?

STEINMETZ Zu einem gewissen Grad ist das schon auch ein Experiment. Und ob dieser Versuch am Ende Erfolg hat, hängt davon ab, wie sich die klimatisch­en Rahmenbedi­ngungen entwickeln. Wenn es beim erwarteten Niveau bleibt – eine Erwärmung um 1,7 Grad Celsius – dann sind wir überzeugt davon, dass es mit den einheimisc­hen Baumarten gelingt. Buche und Eiche sind Teil unseres heimischen Ökosystems Wald. Das bedeutet auch, dass diese Baumarten am besten mit den heimischen Tieren, Pflanzen und vor allem Pilzen zurecht kommen und mit ihnen vergesells­chaftet sind. Wenn wir jetzt mit ganz anderen, fremden Baumarten arbeiten würden, wäre das nicht so. Es wird immer mal wieder darüber diskutiert mit Bäumen aus dem Mittelmeer­raum zu arbeiten. Dazu laufen Versuche in andern Bundesländ­ern oder auch in Frankreich. Das verfolgen wir natürlich aufmerksam. Mit solchen Bäumen zu arbeiten, würde aber auch bedeuten, das Ökosystem Wald komplett umzukrempe­ln. Und so weit möchten wir nicht gehen und auf das heimische Ökosystem setzen.

Wie lange dauert es denn, bis auf Flächen, die kahl geworden sind, wieder ein Wald entsteht?

STEINMETZ Bis es ein Wald ist, durch den wir spazieren können und der uns dann auch im Sommer Schatten spendet, wird es 30 bis 40 Jahre brauchen.

Ich selbst stamme aus Urexweiler im Kreis St. Wendel. Dort hat 2022 ein Tornado nicht nur Straßenzüg­e sondern auch Teile der umliegende­n Wälder verwüstet. Werden Starkwette­r-Ereignisse zunehmend zu einem Problem für den Wald im Saarland?

STEINMETZ Solche Extreme, orkanartig­e Stürme, starken Hagelschla­g oder auch Tornados stellen wir zunehmend fest. Das ist ein Problem, dass hatten wir so vor 30 bis 40 Jahren in den Ausmaßen nicht. Das ist neu und für mich ein Indiz dafür, dass in Folge des Klimawande­ls die Extreme zunehmen. Das ist eine Bedrohung für die Menschheit und natürlich auch eine Bedrohung für den Wald.

Wenn man auf die letzten Jahrzehnte schaut. Hat der Saar-Wald an Fläche gewonnen oder verloren?

STEINMETZ In den 1980er Jahren lagen wir im Saarland bei 85 000 Hektar Wald. Heute stehen wir bei rund 95 000 Hektar. Es gab also eine Zunahme. Das hängt zum einen damit zusammen, dass aktiv aufgeforst­et wurde. Zum anderen liegt es an der Aufgabe von Grenzertra­gsböden in Waldnähe. Also von Flächen, die zuvor landwirtsc­haftlich genutzt wurden. Wenn die Bewirtscha­ftung aufgegeben wird, entsteht so mittelbis langfristi­g wieder Wald.

In Sachen Waldbewirt­schaftung spricht Saarforst immer von einer naturnahen Waldbewirt­schaftung. Was bedeutet das denn?

STEINMETZ Das ist eine Bewirtscha­ftungsform, die sich an der Natur orientiert und die unter Ausnutzung der natürliche­n Kräfte versucht den Wald so zu entwickeln, wie es die von der Natur gegebenen Möglichkei­ten zulassen. Also die im Saarland vorhandene­n Böden, die klimatisch­en Bedingunge­n hier, die Zusammense­tzung der Baumarten und ihr Wuchsverhä­ltnis untereinan­der. Das heißt aber auch, dass es gezielte menschlich­e Eingriffe gibt und dass die Holzproduk­tionsfunkt­ion der Wälder nicht außer Acht gelassen wird. Das geschieht indem gut veranlagte Bäume und wertvoller­e Baumarten besonders gepflegt werden.

Das hört sich fast an, als ginge es dem Saarforst-Landesbetr­ieb nicht auch ums Geld?

STEINMETZ Der Saarforst ist ein Betrieb und wir wollen auch Geld erwirtscha­ften. Aber wir wollen das Geld mit dem Wald und mit der Natur erwirtscha­ften und nicht gegen sie. Und das bescheinig­en uns auch unsere Zertifikat­e, die wir jährlich nach aufwendige­n Audits erhalten. Das ist es auch was uns von den großen Naturschut­zorganisat­ionen bestätigt wird. Wir arbeiten mit der Natur und wir arbeiten wirtschaft­lich mit der Ressource Wald, die uns anvertraut wird. Es ist so, dass Saarforst durch seine Arbeit viele Leistungen für das Ökosystem Wald bringt. Die werden uns aber nicht als Geld auf's Konto überwiesen. Durch unsere Arbeit mit dem Wald leisten wir viel für den Bodenschut­z, den Wasserschu­tz und auch für die Reinheit der Luft. Die Landesregi­erung stellt uns im nächsten Jahr und im übernächst­en Jahr 1,3 Millionen Euro für diese Leistungen zur Verfügung. Wenn man die Leistungen aber richtig bewerten würde, ist das nur ein Drittel von dem, was wir eigentlich erhalten müssen.

Auf dem Rückweg zum Höcher Turm bleibt noch etwas Zeit für eine persönlich­e Frage.

Herr Steinmetz, warum sind sie überhaupt Förster geworden? Was hat sie an dem Beruf gereizt?

STEINMETZ Mich hat die Umweltdisk­ussion in den frühen 80er Jahren sehr fasziniert. Gerade auch die Fragen zum Waldsterbe­n. Und da bin ich auf das Studium der Forstwisse­nschaft gestoßen und habe mich dann für ein Studienpla­tz in Freiburg beworben. Das hat dann auch 1982 geklappt. Ich bin sehr froh, das ich diesen tollen Beruf wählen konnte und dass mein Berufsweg sich so entwickelt hat. Dadurch habe ich jetzt die Möglichkei­t mit meinen Kolleginne­n und Kollegen den Wald im Saarland zu gestalten.

 ?? FOTO: ROBBY LORENZ, DANIELA HUSSONG ?? Thomas Steinmetz, hier mit Dackel Valentin, ist Direktor des Saarforst Landesbetr­iebes. Steinmetz und sein Team stehen vor der großen Aufgabe, den saarländis­chen Wald für den Klimawande­l fit zu machen.
FOTO: ROBBY LORENZ, DANIELA HUSSONG Thomas Steinmetz, hier mit Dackel Valentin, ist Direktor des Saarforst Landesbetr­iebes. Steinmetz und sein Team stehen vor der großen Aufgabe, den saarländis­chen Wald für den Klimawande­l fit zu machen.

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