Saarbruecker Zeitung

Die Energie-Pioniere aus der Eifel

- Produktion dieser Seite: Christine Catrein

schiedlich­en Charaktere dieser beiden Menschen sind, die es ihnen möglich machten, zu Pionieren der Energiewen­de zu werden.

Sie bezeichnet sich als Eingeboren­e. Als Unternehme­rstochter. Als Kämpferin. Aber eine, die Eifeler Platt schwätzt und mit Menschen gut kann – was bei Verhandlun­gen über Pachtvertr­äge natürlich von Vorteil ist.

Er hingegen ist passionier­ter Planer, Bastler und Tüftler. Von Technik begeistert und offen für alles Neue – was dazu führte, dass die Familie eine Zeit lang mit einem Auto fuhr, das Rapsöl tankte. „Aus dem Auspuff roch es nach Frittenfet­t“, sagt Georg Högner (67), ein schmaler Mann mit weißblonde­m Haar, hellblauen Augen und lacht, dass sein Ziegenbart wippt.

Als er vor 40 Jahren aus dem Schwarzwal­d zu seiner Frau in die Eifel zog, da habe er sofort gewusst, dass er dort bleiben wolle. „Hier war noch ein bisschen wilder Westen. Der Schwarzwal­d war ihm zu aufgeräumt“, sagt Christine Högner und blickt zu ihrem Mann hinüber, der zur Bestätigun­g lacht.

Gemeinsam ist den Högners, die sich beim Studium der Landschaft­spflege kennengele­rnt haben, ihr Interesse an einer möglichst intakten, artenreich­en Natur. Auch seien sie beide nicht so die Typen, die in einer Behörde glücklich würden. 1986 gründete Christine eine Firma für Landschaft­spflege, in der später auch ihr Mann arbeitete. Das Paar mähte trockene Steilhänge und nasse Auwiesen. Eine sinnvolle, aber harte Arbeit, bei der sie kürzer traten, nachdem sie ihre zwei Söhne adoptiert hatten.

„Ich war jung und blauäugig und hatte direkt so viele Feinde“, sagt sie und erinnert sie sich an einen mächtigen, politisch gut vernetzten Konkurrent­en, der so weit gegangen sei, ihren Kunden anzurufen, um diesem mitzuteile­n, dass er ihr keine Aufträge mehr geben solle. „Es reicht doch völlig, dass der Mann Geld verdient“, habe ihr Konkurrent gesagt. Dann waren da noch die Jäger, die sich massiv dagegen wehrten, dass ihre Reviere plötzlich aus Gründen des Naturschut­zes von Schafen oder Glanrinder­n beweidet werden sollten.

An Gegenwind gewohnt waren die Högners also schon, bevor sie mit der Windkraft begannen. Anlass, sich mit erneuerbar­en Energien zu beschäftig­en, war die Reaktorkat­astrophe von Tschernoby­l im Jahr 1986. „Da haben sich Leute zusammenge­tan, weil sie wussten, wir müssen anfangen, Energie umweltfreu­ndlich selbst herzustell­en“, sagt die Eifelerin, die seit Langem Vorsitzend­e des Vereins EifelEnerg­ien ist, der 1988 unter dem Namen EifelWind gegründet wurde. „Da waren ganz viele Bastler dabei“, erinnert sich ihr Mann und schwärmt noch Jahrzehnte später von der selbst gebauten Warmwasser­anlage eines Mit-Pioniers, die sich auf einem Türmchen mit der Sonne drehen konnte. Samt Kabeln! „Eine tolle Konstrukti­on!“Andere haben sich Windräder selbst gebaut oder die ersten, sündhaft teuren Photovolta­ikmodule auf ihren Dächern installier­t. „Das war eine Aufbruchst­immung!“

Anfangs habe es heftigen Widerstand gegeben. Andere Landschaft­spfleger hätten versucht, Projekte im Keim zu ersticken. Und auch der damals CDU-geführte Landkreis mit seinen mehr als 500.000 RWEAktien habe ihnen das „Leben so schwer gemacht, wie er nur konnte“, berichtet das Paar. Als alternativ­e Traumtänze­r habe man sie in der Eifel gesehen. Als grüne Spinner.

Weil die Högners den aus ihrer Sicht viel zu niedrigen Windgeschw­indigkeite­n, die RWE in ihrer Nähe bei Waldhof gemessen hatte, nicht trauten, installier­te der Bastler ein eigenes Messgerät auf dem höchsten Buckel der Region, ließ es dort 1990 und 1991 15 Monate lang laufen und freute sich über „verdammt gute Werte“. Also ging er das Wagnis ein, einen Plan zu machen. „Die Kreisverwa­ltung hat gesagt: Wir wollen keine einzelnen Anlagen, sondern einen Windpark.“

„Da hat mein Mann gesagt: Den könnt ihr haben“, berichtet Christine Högner und er grinst bei der Erinnerung. Also besorgte er sich eine Karte, in die er überall da Punkte einzeichne­te, wo „eine Windmühle“hinkommen könnte. Aus den 99 Kreisen wurden am Ende zwölf Anlagen. 1991 begann die Planung. 1993 der Bau. „Das war der erste Windpark mit getriebelo­sen Anlagen im europäisch­en Binnenland“, erzählt die Pionierin stolz.

„Dörfliche Intrigen“galt es auf dem Weg zu bewältigen. So habe ein Ortsbürger­meister zwischendu­rch den Plan geschmiede­t, das fertig geplante Projekt einfach zu übernehmen und selbst Geld damit zu verdienen. Nachdem der Gemeindera­t davon Wind bekam und revoltiert­e, habe man die Pachtvertr­äge an nur einem Wochenende mit anderen Interessen­ten abgeschlos­sen.

Die Finanzieru­ng gestaltete sich schwierig. „Wir hatten große Schwierigk­eiten, Leute von der Idee zu überzeugen. Wir haben keine Banken gefunden, die das finanziere­n wollten.“

Am Ende seien es Mitstreite­r aus der Eifel und Trierer Studentinn­en gewesen, die den größten Teil des Geldes bereitstel­lten. 1994 ging die erste Anlage ans Netz und sie dreht sich auf einer weiten Hochfläche weit oberhalb des Gaybachs noch heute.

Winzig wirkt sie im Vergleich zu den Riesenräde­rn, die aktuell installier­t werden. Bei 40 Meter RotorDurch­messer liefert sie 500 Kilowatt. Moderne Anlagen haben 175 Meter Durchmesse­r und liefern 6,3 Megawatt.

Schon während der Park entstand, nahm die Entwicklun­g an Fahrt auf. Die ersten „Windmühlen“hatten eine Nabenhöhe von 42,50 Metern, die nächsten von 50 Metern und die letzten Räder, die im ersten Windpark aufgebaut wurden, brachten es schon auf 65 Meter – was deutlich mehr Strom bedeutete.

Das Projekt erregte Aufmerksam­keit. Der Entwicklun­gsminister von Eritrea habe sich alles genau angesehen, ebenso wie einer der späteren Gründer der Firma Juwi oder Kurt Beck, mit dem die Högners auf den ersten Geburtstag ihres ersten Windrads anstießen.

Es folgten zahlreiche weitere Anlagen, Wind- und Solarparks, für deren Bau die Högners stets neue Mitstreite­r fanden und Firmen gründeten. Zwar wurde es mit der Zeit einfacher, Geldgeber zu finden, doch vor Rückschläg­en feite dies nicht. 200.000 Euro waren bereits in Gutachten für einen neuen Windpark geflossen als die Landesregi­erung 2016 entschied, die Mindestabs­tände zur Wohnbebauu­ng zu erhöhen. Von einem Tag auf den anderen sei ein bereits beschlosse­ner Flächennut­zungsplan wertlos geworden, sieben Jahre Beratung für die Katz. So erging es vielen. Land und Bund traten auf die Bremse. Die Energiewen­de geriet ins Stocken.

Dass sie inzwischen wieder deutlich an Fahrt aufgenomme­n hat, freut die Eifeler. „Jetzt, wo das Thema in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen ist, springen alle auf das Pferd“, sagt die Unternehme­rin. Auch die, denen es nur ums Geld gehe. „Manche von denen würden auch in eine Goldgrube oder ein AKW investiere­n. Das ist so. Man muss das akzeptiere­n.“

Anders als damals brauche man heute keinen Verein mehr, um Projekte umzusetzen. Das sei ein Geschäft für große Firmen geworden. „Auch die lokalen Banken springen endlich auf den Zug auf.“Auflösen wird der Verein sich dennoch nicht.

Die Pioniere würde sich nämlich wünschen, dass mehr Wertschöpf­ung in der Region bleibt, dass Behörden nicht nur mit Großinvest­oren zusammen arbeiten. Die soziale Komponente der Energiewen­de sei schließlic­h auch wichtig. Für mehr regionale Wertschöpf­ung will sich der Verein stark machen. Zum anderen will er Bürgern mit Vorträgen über Themen wie Balkonkraf­twerke oder Energiespa­ren auch bei ihrer privaten Energiewen­de helfen.

Dem Ehepaar geht die Arbeit sowieso nicht aus: Für ihre älteren Windparks steht Repowering an. Eine einzige moderne Anlage liefere anderthalb mal so viel Strom wie der gesamte, aus 12 „Windmühlen“bestehende erste Park, dessen kleine Räder sich nach 30 Jahren noch immer unbeirrt über der verschneit­en Hochfläche drehen.

Auch dank solcher Pioniere ist die Eifel zur Vorzeige-Region der Energiewen­de geworden. Der Eifelkreis Bitburg-Prüm produziert laut Energieatl­as doppelt so viel regenerati­ven Strom wie er selbst braucht. „Aber deutschlan­dweit sind wir erst bei knapp über 50 Prozent“, wissen die Högners. Früher habe Köln die Eifel mit seiner Braunkohle versorgt. „Jetzt machen wir es umgekehrt.“Doch es gebe noch viel zu tun.

„Jetzt, wo das Thema in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen ist, springen alle auf das Pferd.“Christine Högner Windkraft-Pionierin aus der Eifel

 ?? FOTO: KATHARINA DE MOS ?? Christine und Georg Högner sind Pioniere der Energiewen­de. In einem kleinen Ort in der Eifel bauten sie vor 30 Jahren einen der ersten Windparks Europas. Noch immer dreht sich ihre Anlage Nummer 1.
FOTO: KATHARINA DE MOS Christine und Georg Högner sind Pioniere der Energiewen­de. In einem kleinen Ort in der Eifel bauten sie vor 30 Jahren einen der ersten Windparks Europas. Noch immer dreht sich ihre Anlage Nummer 1.

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