Wütende Bauern verschaffen sich Gehör
Zwar hat die Bundesregierung ihre Sparpläne abgemildert, doch das reicht den Landwirten nicht. Bei ihren Protesten bekommen sie viel Unterstützung – zum Teil aus unerwünschten Kreisen. Landwirtschaft in Deutschland
BERLIN In vielen Regionen in Deutschland haben protestierende Bauern am Montag für Einschränkungen des Straßenverkehrs gesorgt. Mit Traktoren blockierten sie zahlreiche Autobahnauffahrten, in Berlin zogen sie für eine Kundgebung vor das Brandenburger Tor. Trotz des Aufrufs des Bauernverbandes zu friedlichen Protesten gegen die Sparpolitik der Ampel-Regierung kam es vereinzelt zu Zusammenstößen mit der Polizei. Sicherheitsexperten warnten zudem vor einer Unterwanderung der Demonstrationen durch Rechtsextreme und andere Gruppen.
Die Bauern wollen eine Woche lang protestieren. Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) beteiligt sich mit Spediteuren und Lkw-Fahrern an den Protesten und wendet sich gegen eine doppelte CO2-Bepreisung bei Maut plus Diesel. Vor allem in der zweiten Wochenhälfte könnte es in Deutschland erhebliche Auswirkungen auf den Verkehr und auch für die Unternehmen geben, zumal dann auch die Lokführer-Gewerkschaft GDL im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn streiken will (siehe Text unten).
Die Bundesregierung hatte als Reaktion auf das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts zunächst die Streichung der Subventionen für Agrardiesel und ein Ende der Befreiung von Landmaschinen von der Kfz-Steuer vorgeschlagen. Angesichts massiver Proteste der Landwirte vergangene Woche hatte die Ampel einen Teil ihrer Kürzungs
Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe und Bauernhöfe, Angaben in Tausend
Zahlen gerundet pläne im Agrarbereich zurückgenommen: Die Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft soll anders als geplant erhalten bleiben. Beim Agrardiesel soll die Steuerbegünstigung erst bis 2026 vollständig fallen. Dieses Jahr wird der Entlastungssatz um 40 Prozent reduziert, in den Jahren 2025 und 2026 jeweils um weitere 30 Prozent. Für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen soll es keine Subvention mehr geben. Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte am Montag, es gebe „keine Überlegungen“in der Bundesregierung, die Beschlüsse im Agrarbereich noch einmal zu ändern. Vielmehr gebe es jetzt einen Kabinettsbeschluss.
Die Landwirte wollen nun weiter protestieren. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied verwies
Erwerbstätige in Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei, Angaben in Tausend
darauf, dass die Ampel-Regierung die Landwirte mit Entscheidungen gleich mehrfach treffe. Die Regierung spare etwa auch bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrar und Küstenschutz sowie bei der ländlichen Unfallversicherung ein, sagte er bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im Bundestag im bayerischen Seeon. Dazu kämen Kürzungen bei der EU-Landwirtschaftspolitik bei Direktzahlungen. „Uns wird Zukunftsfähigkeit genommen“, kritisierte Rukwied.
Rückendeckung bekamen die Bauern von mehreren Landesregierungen. Die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen kritisierten am Montag eine zu hohe Belastung der Landwirte bei den Haushaltkürzungen der AmpelKoalition.
Auch die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte unserer Redaktion: „Es ist gut, dass die Ampel das in Teilen zurückgenommen hat. Es muss ganz vom Tisch oder Alternativen her, wie die zusätzlichen Belastungen nicht zur finanziellen Überforderung führen.“CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt machte die Ampel für eine zunehmende Polarisierung des Landes verantwortlich.
Zugleich warnte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der vor wenigen Tagen von Landwirten am Verlassen einer Fähre gehindert worden war, vor einem Kapern der Bauernproteste durch Rechtsradikale und andere politische Gruppen, die Umsturzfantasien hätten. „Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch nationalistische Symbole werden offen gezeigt. Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt“, sagte der Grünen-Politiker in einem auf Sozialen Medien verbreiteten Video. Mit Blick auf die Bauerndemonstrationen sagte Habeck, der Bauernverband betone immer wieder, dass er gewaltfrei und friedlich demonstrieren wolle. Die Erfahrungen der letzten Demonstrationen zeigten allerdings, dass das nicht bei allen ankomme. „Wenn an Traktoren Galgen hängen, wenn Traktorkolonnen zu privaten Häusern fahren, dann ist eine Grenze überschritten.“
Der Magdeburger Extremismusforscher Matthias Quent forderte von den protestierenden Bauern eine klare Abgrenzung von rechten Mitläufern. Nationalistische, rechtsextremistische und verschwörungsideologische Akteure versuchten, die Bewegung politisch zu instrumentalisieren, sagte Quent im Deutschlandfunk. Ihnen gehe es nicht um Agrardiesel, sie „wollen Deutschland lahmlegen“. Quent ist Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal. In Dresden hatte die rechtsextreme Kleinstpartei „Freie Sachsen“am Montag die Bauernproteste für ihre Zwecke missbraucht. In Dresden versammelten sich Augenzeugen zufolge mehrere Tausend Menschen zu einer Kundgebung und zogen durch die Altstadt, wie die Polizeidirektion Dresden mitteilte.