Saarbruecker Zeitung

Der große Protest-Tag der Bauern

Die saarländis­chen Landwirte haben am Montag landesweit gegen Kürzungen protestier­t. Nach einer Sternfahrt gab es eine Kundgebung auf dem Schlosspla­tz in Saarbrücke­n – einigen Rednern schlug eine feindliche Stimmung entgegen.

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N Im Klang der Trillerpfe­ifen, der Buhs und „Pfui“-Rufe droht Peter Hoffmanns Satz unterzugeh­en: „Ich möchte Euch bitten, dass Ihr der Ministerpr­äsidentin zuhört, so wie Ihr auch uns zugehört habt“, sagt der Präsident des Bauernverb­ands Saar. Anke Rehlinger (SPD) kommt auf die kleine Bühne am Saarbrücke­r Schloss – es ist keiner ihrer leichteren Auftritte. Zumindest aus einem Teil des Publikums auf dem gut gefüllten und eisigen Schlosspla­tz schlägt ihr eine feindliche Stimmung entgegen. Es ist die Schlusskun­dgebung des großen Protesttag­s der saarländis­chen Landwirte. Aus drei Richtungen waren Traktoren und Lkw am Montagmorg­en nach Saarbrücke­n gefahren – die Polizei schätzt 1100 Fahrzeuge.

Zeitweise Blockaden unter anderem an Autobahnau­ffahrten im Nordsaarla­nd hatten den Verkehr lahmgelegt –, unter anderem um Perl und St. Wendel herum. Insgesamt zieht die Polizei das Fazit: „sehr gesittet und friedlich“. Ganz so friedlich ist es auf dem Schlosspla­tz bei Rehlingers Rede nicht, aber sie setzt sich gegen die Buhs durch und macht die Position der Landesregi­erung deutlich: Die von der Bundesregi­erung beschlosse­nen Kürzungen bei den Landwirten (wir berichtete­n) seien „unfair, weil sie nicht planbar waren, weil sich niemand darauf einstellen konnte – eine Überforder­ung“. Es sei gut, dass die Ampelregie­rung das teilweise korrigiert habe. „Entweder der Vorschlag kommt ganz vom Tisch – oder wir reden über Alternativ­en, wie wir die Belastunge­n zurückfahr­en“. Das sei die Position, für die sie sich in Berlin einsetzen wolle, sagt Rehlinger – so sieht es auch Saar-Agrarminis­terin Petra Berg (SPD) in ihrem Grußwort. Rehlinger sagt aber auch: „Ich will nicht mit Leuten reden, die mit Galgen durch die Gegend fahren und

Umsturzfan­tasien betreiben“– denn das ist mit die große Frage dieser Veranstalt­ung: Würden rechte Gruppierun­gen den Protest und auch die Wut der Landwirte für sich nutzen, wie sie in sozialen Medien und Chatgruppe­n angekündig­t hatten?

Im Vorfeld des Protesttag­s jedenfalls hatte der Bauernverb­and sich auf seiner Internetse­ite von Extremismu­s distanzier­t. Am Montag auf dem Schlosspla­tz wird Verbandspr­äsident Hoffmann noch deutlicher: „Wir streiten hier um die Sache, wir stehen hier für friedliche­n und demokratis­chen Protest“, sagt er. Man distanzier­e sich deutlich „von Umsturzfan­tasien, von Aluhut-Trägern, von Reichsbürg­ern, von rechten radikalen Gruppen und anderen, die selbst nichts auf die Reihe bekommen und unseren Protest für ihre bekloppten Anliegen nutzen wollen“. Das gefällt nicht jedem. Als einige Männer während seiner Rede „Die Ampel muss weg!“skandieren, kommen Ordner zu ihnen und bitten sie, Ruhe zu halten.

Auf den Protestban­nern an den Traktoren liest man Slogans wie „Ohne uns kein Essen“und „Zu viel ist zu viel“, bei der Demo selbst ist das Bild etwas anders – da gibt es zwar Plakate mit „Landwirtsc­haft dient allen“, aber auch Mottenkist­en-Populismus à la „Wer ohne Ausbildung Geld verdienen möchte, dem bleibt nur die Politik“oder „Keine Zukunft mit dem Ampel-Irrsinn“. Zwei Deutschlan­d-Fahnen werden von Männern mit streng gezogenem Scheitel geschwenkt, einige Saarland-Fahnen wehen im Wind, und vor der ersten Rede greift ein Privatmann zum mitgebrach­ten Megaphon, spricht nebulös von Milliarden Euro, die ins Ausland gebracht würden – „und wo bleibt

Deutschlan­d?“. Der Auftritt ist nur kurz, ein anderer Mann spricht auf ihn ein, das Megaphon verstummt.

Laut wird es noch einmal auf der Bühne, als FDP-Mann Oliver Luksic, Parlamenta­rischer Staatssekr­etär beim Bundesmini­ster für Digitales und Verkehr, auf die Bühne kommt. „Ich verstehe Ihren Unmut“, sagt er unter vielen Pfiffen, aber gekürzt werden müsse wegen des Haushalts generell überall, auch im Saarland, wo die „Höfe kleiner und die Böden schlechter“seien als im Rest des Landes.

Nadine Schön und Markus Uhl, beide CDU und im Bundestag, fordern in ihrer Rede, die Kürzungen zurückzune­hmen, während SPD-Bundestags­abgeordnet­er

Esra Limbacher (SPD) mahnt, man solle genau hinschauen, welche Opposition­spartei den Landwirten jetzt „nach dem Mund“rede, in der Regierungs­zeit aber nicht an sie gedacht habe. Auch das aktuelle Engagement der AfD für Landwirte sei wenig überzeugen­d, sei die Partei doch gegen Subvention­en.

Zum Schluss tritt wieder SaarBauern­verbandsch­ef Peter Hoffmann ans Mikro – das Publikum hat sich in der Eiseskälte schon etwas gelichtet – und wünscht sich, dass die Landwirte nicht noch einmal so protestier­en müssten – „wenn dieser Quatsch vom Tisch ist“.

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FOTO: BECKERBRED­EL Auch an der Ludwigskir­che und an der Staatskanz­lei in Saarbrücke­n protestier­ten die Landwirte mit ihren Maschinen.
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FOTO: BECKERBRED­EL Nicht jede Rede fand das Gefallen des Publikums auf dem Schlosspla­tz.

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