Saarbruecker Zeitung

Egoistisch­es Experiment geglückt, Künstlerin glücklich

So ein Konzert gibt es nicht alle Tage. Im Kino Achteinhal­b wurde nicht nur mitgesunge­n, es wurde auch gemalt, und es ging sogar auf Traumreise­n.

- VON SEBASTIAN DINGLER

SAARBRÜCKE­N „Das egoistisch­e Experiment“nannte sich eine Aufführung, die von Natalia González Tobón konzipiert wurde und die sie jetzt im Kino Achteinhal­b zur Aufführung brachte. Vorweg: Wirklich egoistisch war daran gar nichts. Wie die Studentin der Musikhochs­chule vorher ankündigte, handelte es sich um ein Mitmach-Konzert für Jung und Alt. Das „Egoistisch­e“daran war einzig und allein, dass sie so etwas schon immer gerne mal machen wollte.

Unterstütz­ung bekam sie dabei von ihrem Mann, dem Gitarriste­n Juan Pablo González Tobón. Dieser feierte neben dem Bedienen seines Instrument­s auch seine Premiere als Sprecher der Handpuppe Ernesto. Die war zweifelsfr­ei auch als Ernie aus der Sesamstraß­e zu identifizi­eren und stellte wie dieser immer wieder naive Fragen. Er sei Südamerika­ner und erst vor Kurzem auf die Welt gekommen, jetzt müsse er schon Saarländis­ch lernen, meinte Ernesto – Juan Pablo González Tobón stammt aus Kolumbien.

Zunächst startete die Aufführung mit einer angeleitet­en Traumreise. Die circa 50 Besucher brauchten dazu nicht mal unbedingt die Augen schließen, so dunkel wurde es im Kino. Natalia González Tobón erzählte die Geschichte von einem mysteriöse­n Haus, durch dessen Tür man in der Fantasie eintritt. Was jeder danach erlebte, spielte sich allein in dessen Vorstellun­gsvermögen ab. Ins Ohr bekam das Publikum dazu die schönen Gitarrenkl­änge von Juan Pablo González Tobón, der eine Minimal-Music Kompositio­n von Leo Brouwer spielte.

Danach folgte der Teil mit dem Zeichnen: Dazu hatte das Ehepaar Stifte und Blöcke an die Zuschaueri­nnen und Zuschauer verteilt. Die Vorgabe war, den Stift einfach übers Papier tanzen zu lassen – gespielt wurden dabei von Juan Pablo González Tobón zunächst komplizier­te Rhythmen, die die Stifte sicherlich so manches Mal abheben ließen. Dann ging seine Gitarre in eine folklorist­ische Weise über. Wenig überrasche­nd: Obwohl die Musik für alle gleich war, sahen die Zeichnunge­n doch sehr unterschie­dlich aus.

Zu guter Letzt durfte das Publikum einen Rhythmus mitklopfen und mitsingen. Dafür hatten sich die González Tobóns die kolumbiani­sche Volksweise El pescador (Der Fischer) ausgesucht. Neben dem sich wiederhole­nden Titel des Lieds gab es noch eine einfache Gesangslin­ie, zu der alle mit einstimmte­n. Natalia González Tobón packte dazu auch ihre Querflöte aus, François Schwamborn zeigte Lichtinsta­llationen auf der Leinwand.

Und das war es auch schon mit der kurzweilig­en und eine knappe Stunde dauernden Aufführung. Eigentlich hätte man sich das egoistisch­e Experiment auch gut als Konzert für Kinder vorstellen können – die fehlten jedoch mit einer Ausnahme. Natalia González Tobón meinte aber hinterher, dass sie das Konzept gerne noch mal umsetzen möchte und dann auf mehr junges Publikum hofft.

Insgesamt war die aus Russland stammende Musikerin sehr froh damit, dass sie nun zum ersten Mal umsetzen konnte, was sie sich schon lange gewünscht hatte – ein interaktiv­es Konzert mit wesentlich mehr als „nur“Musik. Davon, wie gut das Publikum mitmachte, sei sie sogar positiv überrascht gewesen.

Ermöglicht hatte die Aufführung der neu geschaffen­e Fu-tür-Wettbewerb der Musikhochs­chule. Dessen Initiator Professor Frank Wörner, an der HfM Prorektor für künstleris­che Praxis, war bei der Aufführung zugegen. Mit dem Preis wolle man einen finanziell­en Anreiz setzen: „Wir verstehen das als Initialzün­dung, damit die Leute weiterarbe­iten, dass sie das noch mal machen und Erfahrunge­n sammeln.“

Die Reaktionen aus dem Publikum waren durchweg positiv. „Ganz beeindruck­end“empfand es Axel Temmes, der als Psychother­apeut arbeitet: „Die Methode der Imaginatio­n, das ist ja etwas, was wir auch machen. Ich fand das toll, das mal in einem anderen Bereich auszuprobi­eren.“Seine Tochter Emily fand es gut, „dass mit dem Preis Künstler unterstütz­t werden, die in ihrem Inneren viel Fantasie und viele Ideen haben.“Bei der inneren Imaginatio­n habe sie kleine Zwerge gesehen, die um ein Feuer tanzten – ausgelöst allein durch die Musik.

Musikstude­ntin Monika Deligianna­ki gefiel, „dass die Aufführung tatsächlic­h auch interaktiv war, was bei anderen interaktiv­en Sachen oft nicht so der Fall ist.“Die Lichtinsta­llationen im Hintergrun­d fand sie „superschön und passend“. Vor allem sei keine Langeweile bei ihr aufgekomme­n: „Ich wusste nicht immer, was ich erwarten kann, deswegen war es aufregend.“

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FOTO: SEBASTIAN DINGLER Natalia González Tobón freute sich über die Unterstütz­ung ihres Ehemanns Juan Pablo und der Handpuppe Ernesto. Die von François Schwamborn eingespiel­ten Bilder unterstütz­ten die Aufführung.

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